Internationaler Währungsfonds:Eine Frau gegen Trump

Internationaler Währungsfonds: Die Bulgarin Kristalina Georgiewa wird neue IWF-Chefin.

Die Bulgarin Kristalina Georgiewa wird neue IWF-Chefin.

(Foto: AFP)

Die neue IWF-Chefin Kristalina Georgiewa ist eine gute Wahl. Die gelernte Ökonomin gilt als gradlinig, kompetent und hat das nötige Selbstbewusstsein, es mit dem US-Präsidenten aufzunehmen.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Offiziell ist Christine Lagarde noch gar nicht weg, doch die Lücke, die sie mit ihrem Wechsel zur Europäischen Zentralbank beim Internationalen Währungsfonds (IWF) hinterlassen wird, ist bereits jetzt sichtbar. Nicht dass Lagardes Bilanz als IWF-Chefin völlig makellos wäre. Ihre Führungskraft, ihr Teamgeist, ihre uneitle Eleganz aber werden dem Fonds fehlen - zumal in einer Zeit, da der Einfluss internationaler Institutionen stärker als früher auch von der Strahlkraft ihrer Führungspersönlichkeiten abhängt.

Es ist also ein großer Schatten, aus dem Kristalina Georgiewa da treten muss, ein zu großer, wie manche schon bei ihrer Nominierung gemäkelt haben. Doch derlei Vorurteile sind unangebracht, denn die Bulgarin bringt jede Menge Qualitäten mit: Sie ist, anders als Lagarde, gelernte Ökonomin, kennt als langjährige Topmanagerin der Weltbank alle Fallstricke der internationalen Politik, gilt als offen, gradlinig und kompetent und hat sich in sämtlichen bisherigen Jobs als Kämpferin für Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit hervorgetan. All diese Eigenschaften kann der IWF gut gebrauchen.

Der Zeitpunkt allerdings, zu dem Georgiewa ihr Amt antritt, könnte schwieriger kaum sein. Der Multilateralismus liegt am Boden, demoliert von Autokraten, die ihren Völkern weismachen wollen, die Zukunft ließe sich mit einer Reise in die Vergangenheit gewinnen, mit Mauern und Nationalismus, statt mit Gemeinsinn und Zusammenarbeit. All diese Heilsprediger profitieren davon, dass demokratische Politiker Globalisierungs-, Job- und Identitätsängste jahrzehntelang als eine Art Naturgesetz abtaten, statt den Wandel zu gestalten, soziale Schranken einzuziehen und die Bürger mitzunehmen. Der IWF war lange Teil dieser Maschinerie, seine Rezeptur, die er Ländern in Finanznot verschrieb, ein übel riechender Mix aus Spätkolonialismus und Neoliberalismus.

Mit dieser Tradition aber hat der Fonds längst gebrochen, er behandelt Staaten nicht mehr als Bittsteller und vermeidet allzu brutale Reformauflagen. Eingeleitet wurde der Umbau von Georgiewas Vorgängern Horst Köhler und Dominique Strauss-Kahn - letzterer ansonsten ein grässlicher, frauenverachtender Schürzenjäger. Lagarde öffnete den IWF überdies für Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, finanzielle Ungleichheit und Klimaschutz.

Georgiewa muss diesen Umbau weiter vorantreiben, ohne dabei die Kernaufgabe des IWF, die Förderung von Finanzstabilität und Wohlstand, aus den Augen zu verlieren. Die Antwort auf die Frage nämlich, ob der Multilateralismus in Zeiten von Populismus und Nationalismus noch eine Zukunft hat, wird ganz entscheidend davon abhängen, ob die Menschen in aller Welt seine Kerninstitutionen bei der Bewältigung ihrer Probleme eher als Hilfe oder als Hindernis ansehen. Dass die neue Fonds-Chefin selbst aus einem Schwellenland kommt - nichts anderes wäre Bulgarien, hätte es als EU-Mitglied nicht offiziell einen anderen Status - kann vor diesem Hintergrund nur hilfreich sein.

Es wäre geradezu gefährlich gewesen, hätten die Europäer auf ihr Vorrecht verzichtet

Für manchen haftet Georgiewa der Makel an, dass sie ein Produkt jenes Deals zwischen der EU und den USA ist, wonach der IWF-Chef stets aus Europa kommt und der Weltbankpräsident immer ein Amerikaner sein muss. Und tatsächlich: In einer idealen Welt sollte allein die Eignung eines Kandidaten ausschlaggebend sein, nicht seine Herkunft. Aber so funktioniert Personalpolitik nicht, erst recht nicht in einer Zeit, da einige der wichtigsten Regenten der Welt alle Entscheidungen mitnichten am Allgemein-, sondern allein an ihrem privaten Wohl ausrichten. Es wäre daher höchst naiv, ja geradezu gefährlich gewesen, hätten die Europäer ausgerechnet jetzt auf ihr Vorrecht verzichtet.

Schon bei der Weltbank hat Donald Trump mit David Malpass einen Präsidenten installiert, von dem nicht ganz klar ist, ob er tatsächlich überzeugter Multilateralist ist oder vielleicht doch nur ein Lakai seines Mentors. Auch beim IWF sind die Vereinigten Staaten der mit Abstand größte Anteilseigner. Man sollte es dem US-Präsidenten, womöglich im Verbund mit den Putins, Bolsonaros und Erdoğans dieser Welt, nicht erlauben, sich eine so bedeutende Institution untertan zu machen.

Als IWF-Chefin wird es Georgiewa auch mit Trump aufnehmen müssen, sollte der seinen wirren handelspolitischen Kurs fortsetzen oder gar einen Währungskrieg anzetteln. Das dafür nötige Selbstbewusstsein hat sie: Als sich die bulgarische Regierung 2016 um das Amt des UN-Generalsekretärs bemühte und Bewerber suchte, erklärte sich genau eine Politikerin zur Kandidatur bereit: Kristalina Georgiewa.

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