Süddeutsche Zeitung

Ivanka Trump in China:China lässt Aktivisten nach Kontrolle eines Ivanka-Trump-Zulieferers verhaften

Der Vorgang sorgt für diplomatische Spannungen mit den USA - und wird zum weiteren Beispiel für die Interessenkonflikte der Familie Trump.

Von Christoph Giesen, Peking, und Kathrin Werner, New York

Drei Männer sitzen in China im Gefängnis. Sie hatten sich in Fabriken in Zentral- und Südchina eines Schuhherstellers eingeschlichen, um dort die Arbeitsbedingungen zu dokumentieren: sechs Tage die Woche, mindestens 12,5 Stunden Akkord jeden Tag. Und das für 2500 Yuan im Monat - umgerechnet also etwa 330 Euro. Die Aktivisten arbeiteten für die Organisation China Labor Watch, die ihren Sitz in New York hat. Im Moment bestehe kein Kontakt zu den Inhaftierten und man wisse auch nichts über die Haftbedingungen, teilt Yee Tian, eine Sprecherin der Aktivistengruppe mit.

Es ist nicht das erste Mal, dass China Labor Watch Rechercheure undercover in chinesische Fabriken schickt. Normalerweise werden sie von den Werksleitern herausgeworfen, wenn ihre Tarnung auffliegt. Dass sich die Behörden einschalten und Mitglieder der Gruppe verhaftet werden, das ist selbst in China neu. "Wir haben keinen direkten Beweis dafür, aber die Vermutung liegt nahe, dass das damit zusammenhängt, dass es sich um Ivanka Trump handelt", sagt Yee Tian.

Die Enkelin Arabella lernt im Kindergarten Chinesisch: "Meine Dolmetscherin"

In den Produktionshallen des Herstellers Huajian hatte die Tochter des amerikanischen Präsidenten Donald Trump Schuhe für ihre Modekollektion fertigen lassen. Pro Jahr stellte die Firma bisher zwischen 100 000 und 200 000 Schuhe für Ivanka Trump her. Offiziell hat sich die Präsidenten-Tochter aus dem tagtäglichen Management zurückgezogen, seit sie eine Rolle als Beraterin ihres Vaters im Weißen Haus übernommen hat. Sie ist aber weiterhin Eigentümerin des Unternehmens.

Die letzte Lieferung für die Marke wurde im März fertig, Ende Mai hätte wieder eine Tranche produziert werden sollen, doch dann wurden die Aktivisten festgenommen. Und daraus ist jetzt ein handfester diplomatischer Streit zwischen Peking und Washington erwachsen.

Um den Konflikt zu verstehen, muss man wohl in den Februar zurückgehen. Während der gerade erst vereidigte US-Präsident bereits Japans Ministerpräsidenten getroffen, mit Angela Merkel und Wladimir Putin gesprochen, ja selbst Australiens Premier telefonisch angepflaumt hatte, blieb es in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen bemerkenswert ruhig. Kein Telefonat, nicht mal ein Gruß zum chinesischen Neujahrsfest. In Peking war man sehr besorgt.

Ivanka Trump mag kein offizielles Amt gehabt haben. Das ist China aber egal

Dann aber tauchte plötzlich Trump-Tochter Ivanka bei einem Empfang der chinesischen Botschaft in Washington auf - im Schlepptau hatte sie Trumps Enkelin Arabella, die im Kindergarten Chinesisch lernt. "Meine Dolmetscherin", stellte Ivanka Trump ihre Tochter dem Botschafter vor. Das Eis war gebrochen, und in Peking kapierte man sofort, dass man über Ivanka Trump womöglich Zugang zum US-Präsidenten hat. Zwar mag seine Tochter formell kein hohes Amt ausüben, aus chinesischer Sicht ist das aber egal. Einfluss ist Einfluss. Und wie ernst man das in China nimmt, zeigte sich nur Wochen später.

Als Staats- und Parteichef Xi Jinping im April in die Vereinigten Staaten reiste, saß Ivanka Trump ganz selbstverständlich beim Abendessen mit am Tisch. Einen Tag später erhielt sie die Markenrechte für drei ihrer Produktlinien von den chinesischen Behörden, es geht um den Verkauf von Schmuck, Taschen und Wellness-Dienstleistungen in der Volksrepublik. Sie hatte die Rechte erst vor gut einem Jahr beantragt. Eine Genehmigung in Rekordzeit für Ivanka Trump.

Was da wohl einige Beamte auf Lokal- und Provinzebene gedacht haben mögen, als sich abzeichnete, wessen Schuhproduktion sich die drei Aktivisten angesehen hatten? Die Sicherheitskräfte griffen jedenfalls durch. Der Vorwurf: Einsatz illegaler Abhörmethoden.

War es vorauseilender Gehorsam, der die Behörden trieb? Falls ja, dann hatte man offenbar das mediale Echo nicht bedacht. Denn: Kaum waren die drei Aktivisten verschwunden, forderte das amerikanische Außenministerium bereits die Freilassung. Woraufhin sich prompt eine Sprecherin des Pekinger Außenamts zu Wort meldete: "Kein Land kann sich in die souveräne und rechtliche Unabhängigkeit Chinas einmischen", teilte sie fast schon reflexhaft mit. Dann war Sean Spicer an der Reihe, der Pressesprecher des Weißen Hauses: "Wir werden weiterhin den angemessenen diplomatischen Druck ausüben", kündigte er an.

Spätestens seitdem ist der Fall zu einem weiteren Beispiel für die vielen Interessenkonflikte zwischen der politischen Rolle der Trump-Familie und ihren weit verzweigten Unternehmen geworden.

Eine Antwort von Präsidenten-Tochter Ivanka steht noch immer aus

Was noch fehlt ist eine Stellungnahme von Ivanka Trump höchstselbst. "Ohne Zweifel würde ein Statement der Ivanka-Trump-Organisation hilfreich sein, in dem sie ihre tiefe Sorge darüber zum Ausdruck bringt, dass Aktivisten verhaftet wurden, die Arbeitsbedingungen verbessern wollen", sagte Jerome Cohen von der juristischen Fakultät der New York University der New York Times.

Bisher teilt Ivanka Trumps Unternehmen lediglich mit, dass seit März in den betreffenden Fabriken keine Schuhe mehr für die Marke Ivanka Trump hergestellt worden seien. Außerdem: "Alle Fabriken sind verpflichtet, sich strengen sozialen Standards zu unterwerfen." Nach Empathie klingt das noch nicht.

China Labor Watch hat zur Sicherheit einen Brief an das Unternehmen der Präsidenten-Tochter geschrieben. "Wir hoffen, dass ihr die Situation bewusst ist und sie uns helfen kann", sagt Yee Tian.

Eine echte Antwort der Präsidenten-Tochter Ivanka Trump steht noch aus.

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SZ vom 09.06.2017/mahu
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