Italien:Die Pläne der neuen Regierung sind utopisch

Italien: Italiens neuer Superminister Luigi Di Maio sichtlich euphorisiert mit Unterstützern in Neapel.

Italiens neuer Superminister Luigi Di Maio sichtlich euphorisiert mit Unterstützern in Neapel.

(Foto: AP)

Italiens Superminister Di Maio will Arbeit für alle schaffen. Seine Pläne würden das Land in die Schulden stürzen - eine abenteuerliche Vorstellung.

Kommentar von Ulrike Sauer

Der soziale Fahrstuhl kennt in Italien seit einem Vierteljahrhundert nur eine Richtung: Er rauscht mit der jungen Generation nach unten. Luigi Di Maio, 31, aber legte nun einen kometenhaften Aufstieg hin. Der Parteichef der populistischen Cinque Stelle trat den Spitzenjob im römischen Arbeits- und Sozialministerium an. Um seinen Gestaltungsdrang auszuleben, übernahm er das in Italien wichtige Industrieministerium gleich noch dazu.

Für die Wirtschaft ist der Superminister Di Maio, der nie gearbeitet hat und scheinbar keine fachbezogenen Kompetenzen mitbringt, ein Albtraum. Aber auf dem jungen Mann aus Pomigliano d'Arco bei Neapel ruhen die größten Hoffnungen der Wähler der neuen "Regierung des Wandels". Sie finden, dass sie mit dem wirtschaftsfreundlichen Kurs der sozialdemokratischen PD in den vergangenen fünf Jahren schlecht gefahren sind. Die PD-Politiker hatten mit ihren forschen Es-geht-bergauf-Parolen die enormen Probleme und Ängste der Zukurzgekommenen beiseitegeschoben. "Ich werde jetzt Arbeit für die Italiener schaffen", versprach Di Maio wenige Minuten nach seiner Vereidigung. Taugen seine Rezepte? Sind sie finanzierbar?

Ganz oben auf der Agenda des Populisten stehen zwei Punkte, die der Schaffung fester Stellen wenig förderlich sein dürften. Di Maio will sein Wahlversprechen der Einführung eines Grundeinkommens in Höhe von 780 Euro für Arbeitslose einlösen. Eine Maßnahme, die den überschuldeten Staat 17 Milliarden Euro im Jahr kosten würde. Eilig hat es der Minister auch mit der Aufweichung der Rentenreform, die 2011 das Ruhestandsalter auf 67 Jahre angehoben hatte. Künftig soll es genügen, wenn in der Kombination aus Beitragsjahren und Alter die Quote 100 erreicht wird. Mehrkosten pro Jahr: 15 Milliarden Euro.

Das Geld für diese Maßnahmen muss nun Giovanni Tria, Italiens neuer Finanzminister, auftreiben. Als der parteilose Wirtschaftsprofessor den Koalitionsvertrag von Lega und Cinque Stelle unter die Lupe nahm, lehnte er das Grundeinkommen ab. Skeptisch zeigte er sich auch, was die Aufweichung der Rentenreform angeht. Viel hält Tria dagegen von den drastischen Steuersenkungen, die sich die rechtsextremistische Lega auf die Fahnen geschrieben hat. Überraschend ist das nicht. Der parteilose Ökonom pflegte bisher intensive Beziehungen ins Lager von Berlusconis Partei Forza Italia, an deren Wirtschaftsprogramm er mitgewirkt hat. Die Einführung der Flat Tax würde das tiefste Loch in den italienischen Haushalt reißen: 50 Milliarden Euro.

Tria hat nun den Auftrag, in Brüssel durchzusetzen, dass die Populisten in Rom ihre Wahlversprechen auf Pump finanzieren dürfen. Die Vorstellung ist abenteuerlich. In den vergangenen Jahren hat die EU-Kommission Italien knapp 40 Milliarden Euro Flexibilität gewährt. Die Billigung dieser zusätzlichen Etatdefizite war eine Belohnung für die Regierungsreformen. Nun sollen die europäischen Partner der neuen Koalition in Rom erlauben, mehr Schulden zu machen, um die Abschaffung just dieser Reformen zu finanzieren? Das ist reine Utopie.

"Das Grundeinkommen ist der einfachste Weg, diese Krisen anzugehen"

Der junge Di Maio hat sich dazu entschieden, seinem Doppel-Job aus dem Industrieministerium nachzugehen. Dort warten auf ihn 160 Krisenfälle von Unternehmen, die von der Schließung bedroht sind. "Das Grundeinkommen ist der einfachste Weg, diese Krisen anzugehen", sagt Di Maio. Sein Vorgänger hatte sich bemüht, das Überleben der Firmen mit dem Einstieg in- oder ausländischer Investoren zu sichern.

Hinter der Zukunft vieler Unternehmen steht nun ein Fragezeichen. Emblematisch ist der Fall Ilva. Arcelor Mittal schickt sich an, den insolventen Stahlkonzern, der im süditalienischen Tarent die größte Hütte Europas betreibt, mit mehr als fünf Milliarden Euro zu retten. Auf dem Spiel stehen 20 000 Jobs in einer Region, in der Arbeitsplätze rar sind. Während Trump mit Strafzöllen die US- Stahlproduktion steigern will, haben die Cinque Stelle vor, das Ilva-Werk wegen der Umweltbelastung zu schließen.

Zugleich wollen sie das Verkaufsverfahren für die Fluggesellschaft Alitalia stoppen, die bereits zweimal von den Steuerzahlern vorm Konkurs bewahrt wurde. Die marode Airline solle besser verstaatlicht werden. Und aus der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena, die 2017 vom Staat gerettet wurde und die mit einem dreistelligen Millionengewinn im ersten Quartal überraschte, soll sich die öffentliche Hand nicht wie versprochen wieder zurückziehen. Als EU-Mitglied aber hat Italien diese Optionen nicht. Alles sehr krude, was die neue Regierung vorhat.

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