Italien:Ein später Anlauf 

Retail Sales As Inflation Rate Falls

Luxus in Zeiten der Krise: Viktor-Emanuel-Galerie in Mailand.

(Foto: Gianluca Colla/Bloomberg)

Eine Bad Bank soll den ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung im Land anheizen. Das Projekt stößt in Brüssel auf Widerstand.

Von Ulrike Sauer, Rom

Im März tauchten sie auf, lauter zarte Knospen. Die Vorfreude auf einen Konjunkturfrühling bei den Italienern war nach sieben Jahren Winter groß. Nun ist Mai, und die frischen Blatt- und Blütenansätze sind immer noch nicht richtig aufgebrochen. Die Signale aus der Wirtschaft bleiben widersprüchlich. Italien verharrt in einem Zustand der Unsicherheit, der niemanden weiterbringt. Die Firmen nicht, die Jobsuchenden nicht, die perspektivlose Jugend nicht. Und die Regierung mit ihrem strammen Reformpensum auch nicht.

Das Ausbleiben des Aufschwungs ist die größte Sorge von Ministerpräsident Matteo Renzi. "Italien kann die Krise nicht wirklich hinter sich lassen, solange das Problem der notleidenden Kredite nicht gelöst ist", sagte Finanzminister Pier Carlo Padoan in dieser Woche vor einem Ausschuss des römischen Senats. Die Banken haben in den drei Rezessionen seit 2008 rund 350 Milliarden Euro Problemkredite angehäuft. Das entspricht einem Fünftel der Darlehen, die sie in ihren Bilanzen halten. Kredite für 187 Milliarden Euro werden als notleidend eingestuft. Die Altlasten bremsen die Vergabe neuer Kredite. Im Garten Italien fehlt der Dünger, um die Knospen aufblühen zu lassen. Es sei "absolut zwingend", sich schnellstens zu rühren, informierte Padoan die Senatoren.

So weit könnte es nun sein: Die Regierung treibt einen Plan zur Gründung einer Auffanggesellschaft voran, an die die Geldhäuser ihre faulen Kredite abschieben können. Auch die römische Zentralbank drängt auf die Lösung Bad Bank. Sie empfahl kürzlich in ihrem Stabilitätsbericht, dass die Institute 100 Milliarden Euro Firmenkredite bei der Abwicklungsbank abladen sollten. Das römische Statistikamt setzte diese Woche die Wachstumsprognose für das laufende Jahr um 0,2 Prozentpunkte auf 0,7 Prozent hoch.

Und doch: Für spürbare Beschäftigungseffekte reicht ein Null-Komma-Wachstum nicht. "Wir wissen, dass die Krise nicht beendet ist, aber die Voraussetzungen für einen Aufschwung sind jetzt gegeben", versichert Renzi unverdrossen. Er boxt den Neuanfang voran. Die Reformen des Arbeitsmarkts, der Volksbanken und des Wahlrechts bedeuten epochale Veränderungen in einem komatösen Land. Belohnt wird der Einsatz kaum. Jedenfalls schlägt er sich bisher nicht in messbaren Ergebnissen nieder.

Was aber Renzi wirklich fürchtet, sind nicht seine politischen Widersacher, sondern ist die wirtschaftliche Flaute. Deshalb will die Regierung den Banken nun helfen, ihren Ballast loszuwerden. Die Bad Bank soll den Instituten notleidende Kredite zum Marktpreis abkaufen. Das Problem ist nur: Es gibt für ausgefallene Kredite heute keinen Markt und damit auch keinen Preis. Wirtschaftsminister Padoan hält es darum für geboten, den Mechanismus der Preisfindung mit staatlicher Hilfe in Gang zu setzen. "Es ist ein minimaler Staatseingriff in Form von Garantien nötig", sagt der frühere Chefökonom der OECD. Er muss die EU-Kommission nun davon überzeugen, dass dies keine verbotene Staatshilfe ist.

Das ist nicht einfach. Zwar ernten die Italiener auf politischer Ebene Zustimmung bei ihren Partnern. "Leider ist die Haltung auf der technokratischen Ebene ausgesprochen negativ", sagt Padoan. Jede Woche fliegen seine Sherpas nach Brüssel, um mit der Wettbewerbskommission zu verhandeln. Es gehe Italien überhaupt nicht um die Rettung einzelner Institute. Man wolle nur die Banken in die Lage versetzen, den Geldhahn für die Unternehmen wieder aufzudrehen und so das Wachstum anzukurbeln, argumentiert Padoan.

Das Land büßt nun dafür, dass es 2012 vor Staatshilfen für Banken zurückschreckte

Sein Land büßt nun dafür, dass es nicht eher gehandelt hat. Als die Nachbarn rundherum riesige Summen für ihre Banken mobilisierten, hielt sich Italien vornehm zurück. Die Not der italienischen Finanzinstitute war nicht so groß, dass sie sich nicht auch aus eigener Kraft helfen konnten. Die deutschen Steuerzahler etwa sprangen den strauchelnden Banken damals mit 250 Milliarden Euro bei. In Rom schreckte Ministerpräsident Mario Monti 2012 vor unpopulären Staatshilfen an die Finanzinstitute zurück. Denn er musste den Italienern brutale Sparmaßnahmen zur Rettung ihres Landes aufbürden. Das rächt sich nun. 2013 schränkte die EU den Spielraum für Staatshilfen drastisch ein.

Die Zuspätkommer gehen ihr Problem dafür nun grundsätzlich an. Padoan arbeitet an einem Drei-Punkte-Plan. Seine Ministerialbeamten feilen an einer Reform des Konkursverfahrens. Sie soll die Wartezeit verkürzen, bis die Banken in Italien bei Kreditausfällen in den Besitz ihrer Garantien gelangen. Heute vergehen bis dahin im Schnitt sieben Jahre, im sizilianischen Messina sogar 20. Ferner erwägt man, die Fristen, in denen Banken ihre Kreditausfälle von der Steuer absetzen dürfen, an europäische Usancen anzupassen. In Italien wurde der Zeitraum von 18 auf fünf Jahre begrenzt. Doch bei den meisten Nachbarn können Verluste komplett und in einem Jahr beim Fiskus geltend gemacht werden. Gleicht sich Rom an, würde das die Banken zur weiteren Abschreibung ihrer Problemkredite anregen. Hübscher Nebeneffekt: Ihr Buchwert nähert sich dem Marktwert an und befördert so die Bad Bank.

Viele italienische Banker befürworten das Bestreben der Regierung. "Es ist das richtige Rezept", sagt Roberto Nicastro, Generaldirektor des Mailänder Unicredit. Da Italien jetzt seinen dritten Anlauf zum Aufschwung nehme, werde das eingefrorene Geld schließlich dringend gebraucht, meint Nicastro. Unicredit selbst ist nicht an der Bad Bank interessiert. Gemeinsam mit seiner Rivalin Banca Intesa befreit sich der HVB-Mutterkonzern seit zwei Jahren auf eigene Faust von den faulen Krediten in den Büchern.

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