Italien:Die Krise ist zurück

Offices are seen at the headquarters of UniCredit bank in downtown Milan, Italy

Schwierige Zeiten: Italiens Finanzinstitute, darunter die Großbank Unicredit, stehen im Visier der europäischen Bankenaufsicht.

(Foto: Reuters/Stefano Rellandini)

Eigentlich wähnte man das Land schon über den Berg. Doch faule Bankkredite und Streitereien versetzen die Börsen in Panik.

Von Alexander Mühlauer und Ulrike Sauer, Rom/Brüssel

Es überkommt die Italiener wie ein unangenehmer Flashback. Erst stürzen die Aktienkurse der Geldinstitute ab. Dann werden Krisentreffen im Regierungsamt und im Finanzministerium einberufen. Es folgen beschwichtigende Worte von ganz oben. Premier Matteo Renzi, Finanzminister Pier Carlo Padoan, die Chefin der europäischen Bankenaufsicht Danièle Nouy und EZB-Präsident Mario Draghi - alle bekunden auf einmal Vertrauen.

Doch es wird klar: Italien fiel in der vergangenen Woche in den Krisenmodus zurück.

Die Banken ächzen nach sieben Jahren wirtschaftlichen Niedergangs unter 200 Milliarden Euro notleidender Kredite. Vor zwei Monaten griff die Regierung erstmals ein und rettete vier kleine Banken vor der Pleite - zur Kasse gebeten wurden nicht die Steuerzahler, sondern die Anleger. Mindestens acht weitere Banken suchen nun nach einem Käufer, von Interessenten keine Spur.

Über einen Ausweg aus der Not streiten Rom und Brüssel seit einem Jahr. Dann sorgte die europäische Bankenaufsicht für Unruhe mit der merkwürdigen Anforderung von Informationen über notleidende Kredite mehrerer Geldinstitute. Finanzminister Padoan beschwerte sich öffentlich über "die wenig umsichtige Kommunikation der Bankenaufsicht". Die Konsequenz: In den Handelssälen spricht man plötzlich offen von einem "Fall Italien".

Wie kann das sein? Renzis Reformbilanz ist ermutigend, die Wirtschaft schaffte die Wachstumswende, die Mailänder Börse legte 2015 den höchsten Kursanstieg Europas hin, Zuversicht kam auf. Das alles scheint wie weggeblasen. Antonio Patuelli, Chef des italienischen Bankenverbandes ABI, beschwört die Regierung, die Gespräche mit der EU über die Gründung einer Auffanggesellschaft, an die Geldhäuser ihre faulen Kredite abschieben sollen, so schnell wie möglich abzuschließen.

Proteste und der Selbstmord eines Rentners bringen Renzi in Schwierigkeiten

Die 200 Milliarden fauler Kredite entsprechen 17 Prozent des Ausleihvolumens der Banken. Zu Buche schlagen nach hohen Abschreibungen noch knapp 90 Milliarden Euro. Seit mehr als einem Jahr bedrängt Finanzminister Padoan darum die EU-Kommission, eine Intervention zur Säuberung der Bilanzen zu genehmigen. Aber die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ließ ihn immer wieder abblitzen. Sie verwies stets auf ein eisernes Prinzip der Europäischen Union: das Verbot von Staatshilfen. Für den Banklobbyisten Patuelli ist der fruchtlose Verhandlungspoker eine der Ursachen für den Krisenrückfall. "Jeder beliebige Abschluss ist besser als diese Unsicherheit", sagt er entnervt.

Seinen Ausgang nahm das Finanzdrama am 22. November. Renzi hat am Sonntagabend das Kabinett zu einer Sondersitzung einberufen. Die Regierung beschließt, zwei Volksbanken und zwei Sparkassen vor der Pleite zu bewahren. Padoan wollte den privaten Einlagensicherungsfonds der italienischen Banken für die Rettungsaktion nutzen, doch Brüssel verwehrt monatelang die Genehmigung. Die Wettbewerbshüter verlangen, die Institute zuerst in die Pleite zu schicken. Andernfalls fasse man den Einsatz als unerlaubte Staatshilfe auf. Der Kommission ist an einer Marktbereinigung gelegen.

Den Italienern rennt die Zeit davon. Am 1. Januar 2016 treten in der EU die neuen Regeln zur Abwicklung maroder Geldhäuser in Kraft. Bei einer Bankpleite haften nun europaweit auch die Kunden mit ihren Guthaben über 100 000 Euro - ein Kulturschock, auf den man nicht vorbereitet ist.

Im Land wächst die Unruhe. Der Chef des Einlagensicherungsfonds warnt vor einem Banken-Run. Zwar sind die betroffenen Geldinstitute wirtschaftlich unbedeutend, doch es geht die Angst um, die Menschen könnten ihre Konten räumen. So beschließt die Regierung, dem Anbruch der neuen Ära zuvorzukommen. Per Dekret ordnet sie die Rettung der Banken an. 130 000 Aktionäre und 12 500 Anleger, die ihre Ersparnisse in nachrangigen Anleihen angelegt hatten, sind ihr Geld über Nacht los.

Die Folgen der Entscheidung erweisen sich als schwerwiegend. Laute Proteste und der Selbstmord eines geprellten Rentners bringen Renzi in Schwierigkeiten.

Das Aufflackern der Bankenkrise wirft auch ein schlechtes Licht auf das Krisenmanagement in Europa: Aus ihren Fehlern scheinen die Akteure nichts gelernt zu haben. Erst nach der Eskalation der vergangenen Woche raufte man sich zusammen. Eine Einigung in der Bad-Bank-Frage sei zum Greifen nah, heißt es nun seit Freitag. Die dänische Kommissarin Vestager wird in der Sache am Dienstag Padoan treffen. Der aktuelle von Italien vorgelegte Plan sieht vor, dass die Banken eine Option auf staatliche Garantien erhalten. Damit würde es den Geldhäusern leichter gemacht, Problemkredite an eine Abwicklungsgesellschaft abzustoßen. Sie müssen diese Garantien zu Marktpreisen kaufen.

Italien büßt heute dafür, dass es seine Banken nicht subventioniert hat, als die Nachbarn ungeniert Staatsgelder in ihre maroden Institute gepumpt haben. Die deutschen Steuerzahler etwa sprangen den Banken mit 247 Milliarden Euro bei. Die Zurückhaltung Roms rächt sich nun. Als Renzi und Padoan vor zwei Jahren an die Macht kamen, war es zu spät. 2013 schob die EU den Staatshilfen einen Riegel vor. Rien ne va plus, jedenfalls für neue Bittsteller. Nur alte Problembanken halten die Hand weiter auf. Der HSH Nordbank etwa genehmigte die EU erst im Oktober zum zweiten Mal öffentliche Hilfen. Die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein nehmen ihr die ärgsten Altlasten auf Kosten der Steuerzahler ab, und die Bank darf weitermachen.

"Dura lex, sed lex", kommentiert Renzi. Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz. Den Anlegern in seinem Land, die Milliardenverluste erlitten, ist das schwer zu vermitteln.

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