Italien:"Auf geht's"

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Hohe Einnahmen durch Staatsverkäufe: Dieses Versprechen haben die Italiener schon mal gehört. (Foto: Gregorio Borgia/AP)

Italiens Populisten wollen Milliarden durch den Verkauf von Staatsfirmen erlösen. Beobachter bezweifeln, dass die Pläne realistisch sind.

Von Ulrike Sauer, Rom

Silvio Berlusconi, der Untote der römischen Politik, mag von der Bildfläche verschwunden sein, doch die Wunderversprechen des italienischen Urpopulisten leben fort. Als Wahlkämpfer saß der Medienmagnat vor zehn Jahren im Fernsehstudio der Talkshow "Porta a Porta" und verkündete: "Aus dem Verkauf von Staatsvermögen werden wir ein Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts erlösen und damit die Staatsschulden in dem von der EU verlangten Maß reduzieren." Leider verfehlte Berlusconi sein Ziel. Die Ausbeute seiner Versilberungsaktion war gleich null.

Vergangene Woche holte Finanzminister Giovanni Tria das Rezept wieder aus der Mottenkiste der kreativen Finanzpolitik. Mitten in der Nacht schrieb er einen Antwortbrief an die EU-Kommission, in dem er stur auf den Budgetplänen der italienischen Regierung beharrte. Er hält fest an einem überhöhten, virtuellen Wachstumsziel von 1,5 Prozent für 2019 und an der geplanten Neuverschuldung von 2,4 Prozent. Die Kritik der europäischen Partner an seinem Haushaltsentwurf wies Tria pikiert zurück. Sie sei das Ergebnis "eines technischen Versagens der Kommission", bedauerte der Ökonom.

Dennoch machte Roms Finanzminister Brüssel ein Zugeständnis: Er sagte plötzlich einen Kraftakt zum Abbau der exorbitant hohen Staatsschulden zu. "Um die Reduzierung der Schuldenquote zu beschleunigen, hat die Regierung beschlossen, den angepeilten Erlös aus Privatisierungen 2019 auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukt anzuheben", teilte Tria den beiden EU-Kommissaren Pierre Moscovici und Valdis Dombrovskis mit. Der alte Berlusconi aus dem Jahr 2008 lässt grüßen. Er hatte Italien drei Jahre später an den Abgrund der Staatspleite getrieben.

Nun sieht es nicht danach aus, als hätte die Privatisierungskampagne seiner Nachfolger größere Erfolgschancen. Zum Verkauf anbieten will die Regierung nur staatliche Immobilien und nicht die weitaus attraktiveren Anteile an Unternehmen. Die Erfahrungen geben keinen Anlass zum Optimismus. Der Erlös, den der klamme Staat jährlich aus der Versilberung von Gebäuden und Grundstücken erzielt, liegt bei 20 Millionen Euro. Mit diesem Tempo bräuchte Italien 900 Jahre, um wie versprochen 18 Milliarden zusammenzukratzen. "Auf geht's: Das Ziel wird 2919 erreicht", spottete La Repubblica.

Seit dem Eingang des Briefes in Brüssel ist eine Woche vergangen, in der sich die Positionen im Haushaltsstreit weiter verhärtet haben. Am Mittwoch steht die Entscheidung der EU über die Einleitung eines Defizitverfahrens gegen Italien an. Eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen Brüssel und Rom ist frühestens nach dem Beschluss zu erwarten. Zeit, die Situation zu entschärfen und einen Bruch zu verhindern, bleibt beiden Seiten dann bis zur Verabschiedung des Etatentwurfs im römischen Parlament Ende Dezember. Die angekündigte Privatisierungsoffensive aber wird einen Kompromiss nicht erleichtern. Der Bluff mit dem Verkauf von Staatsvermögen hat in Rom Tradition. Seit es die EU-Regeln zur Haushaltspolitik der Mitgliedsländer gibt, stopfen die Finanzminister die Löcher mit virtuellen Privatisierungserlösen. Die großen Verkaufsaktionen liegen aber mehr als 15 Jahre zurück. Zudem klingt Trias Versprechen heute besonders unglaubwürdig. Denn die populistischen Koalitionsparteien Cinque Stelle und Lega haben sich das Comeback des Staates als Akteur in der Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Das gerettete Geldhaus Monte dei Paschi aus Siena soll in eine Staatsbank verwandelt werden. So steht es im Regierungsvertrag. Die Pläne zum Börsengang der Staatsbahnen wurden gestoppt. Die Regierung möchte vielmehr, dass der Bahnkonzern nun den Pleiteflieger Alitalia rettet und die längst privatisierte Airline so rückverstaatlicht wird. Und sie leitete nach dem Brückeneinsturz in Genua ein Verfahren ein, um die privaten Betreiber des Autobahnnetzes zu enteignen. Auch eine Renationalisierung des Telefonnetzes ist im Gespräch. Sogar die Tage der privaten Wasserversorger sollen gezählt sein. In seinem Haushalt findet Tria dafür kaum das nötige Geld.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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