IT für den Mittelstand:Die Krux mit den Hightech-Trends

Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Kleine und mittlere Unternehmen steigen bei Big Data, Cloud Computing & Co. oft spät ein.

Von Thorsten Riedl

Vor ein paar Jahren noch, da war in der Informationstechnologie (IT) modern, was eine "2.0" hinter sich hatte. Das Web 2.0 ist das prominenteste Beispiel. Doch das ist überholt. Heute ist "4.0" modern, allen voran Industrie 4.0, aber auch Handwerk 4.0. Das klingt gut, doch gerade kleine Betriebe tun sich schwer, jedem Modetrend in der IT-Industrie zu folgen. "Alteingesessene Handwerker stecken oft im Hamsterrad zwischen Kunden und Aufträgen", erklärt Julia Kasper vom Onlineportal holzgespür.de. "Sie verschieben die Digitalisierung." Dabei hätte der Umstieg auf computergestützte Prozesse im Unternehmen Vorteile - auch finanzielle.

Bei der Digitalisierung drohe eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, sagt ein Experte

In einer Umfrage der Wirtschaftsprü-fungsgesellschaft EY gibt immerhin jeder fünfte Mittelständler an, digitale Technologien würden im eigenen Unternehmen noch gar keine Rolle spielen. Ein gutes Drittel der 3000 befragten Unternehmer geht davon aus, dass die Bedeutung der Digitalisierung in den nächsten fünf Jahren deutlich zunehmen wird. Fast ebenso viele erwarten allerdings nur eine leichte Zunahme. "Der deutsche Mittelstand hat sich schon immer dadurch ausgezeichnet, dass er schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren konnte", erklärt EY-Berater Peter Englisch. Allerdings drohe in puncto Digitalisierung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. "Fehlendes Geld oder fehlendes Personal dürfen nicht die Ausrede sein, um Weichenstellungen für die Zukunft zu verschlafen."

Besonders beim Blick auf die Modethemen der IT-Branche wird deutlich, dass sich die mittelständischen Betriebe zurückhalten. Während zum Beispiel fast die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bereits auf Cloud Computing setzen, schwören bei den kleineren Betrieben weniger als ein Viertel auf Computerdienste aus Rechenzentren. So lautet das Ergebnis einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag von SAP. Bei Big Data, der systematischen Auswertung von großen Datenbeständen, schaut es nicht viel anders aus: Große Unternehmen nutzen das bereits zu 60 Prozent. Betriebe mit 50 bis 249 Beschäftigten erst zu 34 Prozent, noch kleinere mit fünf bis 19 Angestellten sogar nur zu 13 Prozent. Vielleicht haben kleine Unternehmen weniger Daten? Aber auch beim Thema Industrie 4.0, also der Digitalisierung von Produktionsprozessen, gleicht sich das Bild. Konzerne stellen die Fertigung schneller um.

Wenn sich der Chef einmal für die Digi-talisierung entschieden hat, spielt das Thema quer durch das Unternehmen eine wichtige Rolle: vom Vertrieb über den Einkauf in die Chefetage zum Personalwesen und zur Produktion. Ihre Pluspunkte spielen computergesteuerte Prozesse im Rechnungswesen aus. Dann könnten Zahlun-gen, Mahnungen, Bankgeschäfte oder Mel-dungen an Ämter schnell und effizient ab-gewickelt werden, heißt es in einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) aus Bonn. Teilgenommen haben an der Studie knapp 250 kleine und mittlere Unternehmen aus dem Rheinland. Gut neun von zehn Befragten geben an, eigene Waren bereits über die Homepage der Gesellschaft zu vertreiben. Beim logischen nächsten Schritt allerdings hapert es jedoch: der Bekanntmachung des Angebots im Netz. Nur jeder zehnte Mittelständler optimiert seinen Internetauftritt für Suchmaschinen. Das allerdings bildet das A und O, damit mögliche Kunden eine Seite unter den Milliarden von Angeboten im Netz finden. Der Einsatz lohnt sich. Das IfM zieht den statistischen Vergleich zwischen der Digitalisierung in einem Betrieb und dessen Umsatzwachstum in den zurückliegenden drei Jahren. Wer findet, sein Unternehmen sei schon weit fortgeschritten bei den computergestützten Prozessen, bei dem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Umsatz in diesem Zeitraum erhöht hat, um 6,9 Prozentpunkte. Wer dagegen auch im Jahr 2016 noch am Nutzen der Digitalisierung zweifelt, bei dem sinkt die Wahrscheinlichkeit um 3,7 Prozentpunkte, dass sein Unternehmen in den vergangenen drei Jahren ein Umsatzwachstum erzielt hat. Das spreche dafür, dass die Digitalisierung einen günstigen Einfluss auf die Umsatzentwicklung habe, folgern Christian Schröder, Susanne Schlepphorst und Rosemarie Kay, die Autoren der IfM-Studie.

Weil es trotz vieler Bemühungen für Mit-telständler noch immer nicht einfach ist, an Geld zu kommen, wird die Finanzierung über Eigenkapital wichtiger. "Nahezu alle Unternehmen werden der zunehmenden Digitalisierung mit zusätzlichen Investitionen in Informationstechnologien begegnen müssen, um ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten", heißt es in einer zweiten Studie zu den Finanzierungsstrukturen kleiner Unternehmen des IfM. Da IT-Lösungen aber jeweils auf ein Unternehmen zugeschneidert seien und verhältnismäßig schnell an Wert verlören, würde die Beschaffung von Mitteln aus dem Eigenkapital noch bedeutender, so die Autoren der Untersuchung. An eigenen Mitteln mangelt es aber in erster Linie Gründern. Das IfM leitet daraus die Empfehlung an die Politik ab, junge Unternehmen zu unterstützen.

Vor allem Gründern mangelt es an eigenen Mitteln

Das tut umso mehr not, als das Wagniskapital für Unternehmen in hiesigen Landen kaum von Bedeutung ist. Nur zwei Prozent der Unternehmen geben gemäß ZEW als Finanzierungsquelle für Forschung und Entwicklung die Beteiligung anderer Unternehmen an, inklusive Wagniskapitalgebern. Bei Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten sind es gar nur ein Prozent. Am wichtigsten für die Finanzierung sind die Einnahmen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb mit 83 Prozent bei mittelständischen Unternehmen. Auf Platz zwei folgen bereits mit Abstand öffentliche Zuschüsse und Zulagen mit 21 Prozent.

Die Empfehlung des ZEW an die Politik: entweder geringere Unternehmenssteuern - dann für alle, nicht nur für die innovativen Betrieben - oder eine steuerliche Besserstellung von Forschungsausgaben oder Zuschüsse für einzelne Innovationsprojekte. "Eine steuerliche Besserbehandlung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben ist die effektivere und zielgenauere Maßnahme", so heißt es in der Studie. Die Mehrzahl der 34 Mitgliedstaaten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) würde schon darauf setzen - die Bundesrepublik nicht.

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