In einem Hollywoodfilm wären die Nasa-Astronauten Sunita Williams und Butch Wilmore, die im Juni nur einen kurzen Testflug in der Boeing-Kapsel Starliner zur Raumstation ISS machen wollten, ziemlich sicher längst zurück auf der Erde. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa hätte angesichts der Pannen gewiss eine Rakete startklar gemacht und die beiden abgeholt. Egal, was das kostet. Und wer sein Raumfahrtwissen vor allem aus Filmen wie Roland Emmerichs „Moonfall“ bezieht, der weiß natürlich, dass man notfalls sogar ein Space Shuttle aus dem Museum reaktivieren könnte.
Die Realität sieht anders aus: Die Nasa hatte den beiden Astronauten schon im August einen Halbjahresaufenthalt auf der ISS verordnet, nachdem es wegen einer defekten Steuerung zu riskant gewesen war, sie wieder in die Boeing-Kapsel zu setzen. Die flog später zur Erde zurück – ohne Crew. Und eine Sojus-Kapsel war vor gut einem Monat mit drei rückkehrenden Raumfahrern bereits ausgebucht gewesen. Ebenso die Kapsel von Elon Musks Raumfahrtunternehmen Space-X, die am Freitag voll besetzt im Golf von Mexiko gewassert ist.
Ende September hatten zwei neue Crew-Kollegen mit einer weiteren Kapsel von Space-X an der ISS angedockt. Damit gehören die beiden gestrandeten Boeing-Passagiere endgültig zur nächsten Generation der ISS-Expeditionen, also zur Nummer 72, die bis Februar im Einsatz sein soll. Es kehrt so etwas wie Normalität auf der ISS ein. Dort befinden sich nun wieder regulär sieben Raumfahrer, zuletzt waren es zeitweise zwölf Astronauten. Die bisherige Rekordbesetzung lag bei 13 Menschen.
Dass die Starliner-Astronauten Williams und Wilmore gestrandet sind, war allerdings keine Premiere. Im Frühjahr 2023 musste eine Sojus-Kapsel wegen eines Lecks leer zur Erde zurückfliegen. Zwei Kosmonauten und der Nasa-Astronaut Francisco Rubio blieben damit sogar fast 371 Tage lang im All – anstatt der geplanten sechs Monate. Die russische Weltraumbehörde Roskosmos schickte damals eine leere Ersatzkapsel, mit der sie im September 2023 zurückkehrten. Für Rubio war es übrigens der erste Flug ins All, und er stellte damit gleich einen US-Langzeitrekord ein.
Solche Pannen zeigen, dass Raumfahrt immer ein Kampf gegen die Grenzen der Physik ist – und niemals Routine. Die Kommerzialisierung der Raumfahrt, die mit neuen Technologien einhergeht, könnte Flüge ins All langfristig aber einfacher und billiger machen. Die US-Firma Space-X macht dies vor: 2024 hat sie bereits 100 erfolgreiche Starts mit der Trägerrakete Falcon 9 absolviert.
In 50 Jahren wird man Episoden mit gestrandeten Astronauten womöglich belächeln, weil Raumflüge alltäglicher werden. Schon jetzt planen Firmen private Raumstationen im Erdorbit – als Nachfolge für die veraltete ISS. Airbus will mit der US-Firma Voyager Space die Raumstation Starlab aufbauen. Dort will übrigens auch der Hotelkonzern Hilton mitmischen. Stanley Kubricks Film „2001: A Space Odyssey“ lässt grüßen.