Süddeutsche Zeitung

Isoliertes Emirat Katar:Wenn der kleine Riese Katar ins Taumeln gerät

Noch spürt man die Folgen des Streits zwischen Katar und seinen arabischen Nachbarn nur in der Region. Aber auch deutsche Konzerne wie VW und die Deutsche Bank haben Grund zur Sorge.

Von Paul-Anton Krüger, Max Hägler und Meike Schreiber

In den Supermärkten von Doha bildeten sich lange Schlangen, als die Nachricht langsam in die Köpfe sickerte: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain brechen die Beziehungen zu ihrem kleinen Nachbarn ab. Zugleich schlossen sie Häfen, Flughäfen und Grenzen für katarische Verkehrsmittel. Zwar hat das Außenministerium in Doha versprochen, normale Bürger würden nichts zu spüren bekommen. Auch ließ die Handelskammer wissen, dass Katar Grundnahrungsmittel für ein Jahr besitze - sogenannte strategische Vorräte.

Aber bisher war es so, dass Hunderte Lastwagen jeden Tag Lebensmittel von Saudi-Arabien über die einzige Landgrenze in das von Importen abhängige Emirat brachten, das auf einer Halbinsel im Golf liegt. Etwa 40 Prozent seiner Lebensmitteleinfuhren kommen aus dem Nachbarland, vor allem Milchprodukte. Auch Baumaterial für die riesigen Infrastruktur-Projekte und die Stadien der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 nahmen bisher den gleichen Weg.

Die Anteile an der Deutschen Bank liegen steuervermeidend auf karibischen Inseln

Die Börsenkurse in Doha stürzten am Montag um fast 7,5 Prozent ab, am Dienstag waren die Verluste geringer, aber sie gingen weiter. Katarische Banken haben offenbar Probleme, ihren Zahlungsverkehr mit den Nachbarländern abzuwickeln. Auswirkungen könnte eine längere Blockade des Emirats auch für dessen Investitionen im Ausland haben.

Der Staatsfonds Qatar Investment Authority gehört mit mehr als 300 Milliarden Dollar zu den größten institutionellen Anlegern der Welt. Er hält Anteile an der Schweizer Großbank Credit Suisse, der Londoner Börse, dem Schweizer Rohstoffkonzern Glencore; aber auch an Volkswagen und der Deutschen Bank. 17 Prozent gehören ihm bei VW. Bei der Deutschen Bank hält die Familie von Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani über zwei Investmentgesellschaften acht Prozent. Die Aktienpakete liegen indes nicht etwa im Emirat selbst, sondern in zwei steuervermeidenden Offshore-Investmentgesellschaften auf den Britischen Jungferninseln und den Kaimaninseln.

2014 stiegen die Scheichs als Anleger bei der Deutschen Bank ein

So dürfte es kaum verwundern, dass in der deutschen Wirtschaft die Lage sehr genau beobachtet wird. Unmittelbar dürfte die Situation zwar keine großen Auswirkungen auf die Konzerne haben, mittelfristig aber möglicherweise doch. Im Fall von Deutschlands größtem Geldhaus würde es etwa schwieriger werden, sollten die Katarer ihren Aktienanteil aufstocken wollen.

Als der damalige Vorstandschef Anshu Jain die Scheichs aus Katar 2014 als neue Ankeraktionäre für die stets schwach kapitalisierte Deutsche Bank gewann, da wurden sie mit offenen Armen empfangen. 2016 stockten sie die Anteile dann sogar auf zusammen acht Prozent auf (Kurswert derzeit ungefähr 1,3 Milliarden Euro).

Zudem schicken sie einen eigenen Vertreter in den Aufsichtsrat, was bei einem Anteil von weniger als zehn Prozent ungewöhnlich ist. Wie sie ihren Einfluss ausüben, ist bisher nicht bekannt, sie erscheinen weder auf der Hauptversammlung noch treten sie sonst in Erscheinung. Es heißt aber, sie seien Befürworter des Investmentbankings, also des eher riskanten, aber renditeträchtigen Geschäfts der Bank.

Sollten die Katarer ihren Anteil auf mehr als zehn Prozent erhöhen wollen, wie sie es in der Krise der Bank im vergangenen Jahr erwogen haben sollen, müssten sie erst ein sogenanntes Inhaberkontrollverfahren überstehen. Die Finanzaufseher von Bafin und EZB würden dabei nicht nur ihre Zuverlässigkeit als Aktionäre prüfen, sondern auch fragen, woher das Geld für den Aktienkauf stammt.

So eine Prüfung könnten Bafin und EZB zwar rein theoretisch auch bei einem Anteil von unter zehn Prozent anstoßen, bislang sahen die Aufseher jedoch offenbar keine Notwendigkeit dazu. Auch im Finanzministerium in Berlin will man wohl lieber nicht so genau wissen, welche Großaktionäre sich die Deutsche Bank an Land gezogen hat. Die Alternative wäre womöglich gewesen, dass die Steuerzahler das größte deutsche Geldhaus hätten stützen müssen.

Wer genau hinschaut, würde jedoch wohl fündig werden, und das nicht erst jetzt, da das Thema auf die weltpolitische Bühne drängt: 2014 etwa stellte das US-Finanzministerium fest, dass aus Katar seit Jahren die palästinensische Terrorgruppe Hamas finanziell unterstützt wird, deren früherer Chef Chalid Maschal lebt in Doha im Exil. Katarer sammelten demnach auch Spenden für al-Qaida sowie seine Ableger in Syrien, im Irak, Jemen und in Somalia. Weder die Bafin noch die Deutsche Bank wollten sich dazu äußern. Katar bestreitet jede Form staatlicher Terrorfinanzierung.

In der Automobilbranche ist Katar seit dem Übernahmekampf zwischen Volkswagen und Porsche auch ein Begriff. Als dem Sportwagenbauer das Geld ausging, half der Staatsfonds des Emirats aus und investierte zugleich bei VW. Die Porsche-Anteile verkauften die Katarer wieder, doch in Wolfsburg sind sie weiter dabei. Nach den Eigentümerfamilien und dem Land Niedersachsen ist der Staatsfonds der drittmächtigste Aktionär - und redet über den Aufsichtsrat mit: Zwei Posten in dem Gremium halten sie. Berechenbar, kooperativ, interessiert agierten sie, heißt es von Seiten der Familien, und vor allem: unauffällig.

Aufsichtsrat und Management von VW reisen regelmäßig zum Bericht nach Katar

VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch reist ebenso wie das Konzernmanagement ab und an ins Emirat, um den wichtigen Anteilseigner über den Stand der Dinge zu informieren - auch beim Dieselskandal, der den Kurs von VW drückte und das milliardenschwere Investment schmälerte.

Die Frage ist nun natürlich, ob andersherum der Investor schaden könnte. Ob nun Volkswagen wegen der Katarer auf schwarze Listen kommt, gerade mit den Wagen der Luxusmarken Porsche, Audi, Bugatti. Beziffern lässt sich der Absatz nicht, aber es könnte schmerzhaft werden. Premium und Luxus sind in den reichen arabischen Ländern gefragt.

Noch gibt es keine Reaktion, frühestens in einigen Wochen könnte man das bei den Auftragseingängen absehen, heißt es bei VW. Aber wirklich ändern ließe sich in so einem Falle ohnehin wenig: Schließlich könnte man einen Aktionär nicht enteignen. Also warten sie in Wolfsburg erst einmal ab. Oder wie es offiziell heißt: "Wir beobachten die aktuelle Entwicklung genau und hoffen auf eine schnelle Lösung des Konflikts."

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SZ vom 07.06.2017/mahu
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