Süddeutsche Zeitung

Island: Geysire:Quellen der Wut

Island ist in der Finanzkrise tief gefallen und braucht dringend Geld. Doch der Verkauf des Energiekonzerns HS Orka mit seinen heißen Quellen treibt die Bevölkerung auf die Barrikaden. Besonders engagiert: die nationale Ikone Björk.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Die Banken sind pleite, die Staatskasse ist leer. Doch die heißen Quellen sind Island noch geblieben. Munter sprudelnd versorgen sie die Insel weiter günstig mit Strom und Fernwärme. Und das Bewusstsein, trotz aller Sorgen wenigstens nicht frieren zu müssen, spendete den Isländern in den Stürmen der jüngsten Finanzkrise Trost. Doch nun scheinen selbst die Schätze der Natur nicht mehr vor den Finanzmärkten sicher zu sein: Die kanadische Aktiengesellschaft Magma übernahm kürzlich HS Orka, den drittgrößten Energieproduzenten der Insel, samt geothermischen Quellen - und löste damit einen Proteststurm aus.

Insgesamt 48.000 Bürger - etwa 15 Prozent der Bevölkerung - haben eine Petition unterschrieben, die Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir am Montag überreicht wurde. Die Unterzeichner fordern einen Stopp der umstrittenen Übernahme und neue Gesetze, die dafür sorgen, dass Naturressourcen künftig in öffentlichem Besitz bleiben. Der seit Monaten schwelende Streit gipfelte am Wochenende in einem landesweiten Karaoke-Marathon, bei dem unter anderen die bekannte Sängerin Björk mithalf, die Massen zu mobilisieren und letzte Unterschriften zu sammeln.

Pachtvertrag läuft 65 Jahre

Björk wettert schon seit längerem, die "schrecklichen Geschäfte" mit dem Unternehmen Magma würden einen "gefährlichen Präzedenzfall" schaffen und den "Ausverkauf der isländischen Natur" einleiten. Denn das von der Finanzkrise hart getroffene Island benötigt Geld. Und der Verkauf von HS Orka für fast 380 Millionen Euro ist die größte ausländische Investition seit dem Finanzcrash. Der Streit dreht sich also um die Frage, ob die Isländer den feurigen Kern ihrer Insel versilbern dürfen, um Schulden zu bezahlen.

Die Privatisierung der HS Orka begann allerdings schon im Jahr 2007. Damals verkaufte der Staat seine Anteile noch an einheimische Investoren, die den Finanzcrash im Herbst 2008 aber nicht überstanden. Die kanadische Magma Corporation, die ein weltweit führender Geothermie-Konzern werden möchte, kaufte zunächst einige Minderheitsanteile. Seit Ende vergangenen Jahres halten die Kanadier nun 98,53 Prozent.

Damit kontrollieren sie nicht nur zwei moderne Kraftwerke; Magma erwarb mit HS Orka auch Lizenzen für die künftige Ausbeutung von Erdwärmefeldern. Der Pachtvertrag dafür läuft 65 Jahre, mit einer Option auf weitere 65. Diese langfristige Verpflichtung kommt in den Augen der Kritiker einer Enteignung künftiger Generationen gleich. In einem Interview verglich Björk das Verhalten der ausländischen Investoren gar mit dem von "Aasgeiern".

Wortgefecht mit der Sängerin

Es ginge ihnen nur darum, Profit aus der Notlage des kleinen Landes zu schlagen. Magma-Chef Ross Beaty lieferte sich daraufhin in den Medien ein heftiges Wortgefecht mit der Sängerin. Er beteuerte, sein einziges Interesse sei, umweltfreundliche Energiequellen zu erschließen, "zum künftigen Nutzen Islands, unserer Aktionäre und, offen gesagt, der Welt". Zudem drohte Magma der Regierung mit einer Schadenersatzklage, sollte sie versuchen, die Übernahme rückgängig zu machen.

Dies lehnt die Regierung ohnehin ab. Ministerpräsidentin Sigurdardottir äußerte sich jedoch wohlwollend über die zweite Forderung der Petition: Naturressourcen zu öffentlichem Eigentum zu erklären, sei auch eines ihrer wichtigsten Ziele. Sie stellte eine Volksabstimmung in Aussicht. Es sieht ganz so aus, als wären heiße Quellen nicht mehr lange im Angebot.

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SZ vom 18.01.2011/kst/pak
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