Islamic Banking:Göttliche Gewinne ohne teuflische Zinsen

Ein Geschäft mit viel Wachstum: Islamic Banking. Große westliche Banken verdienen in islamischen Ländern gut mit Finanzprodukten, die streng an der Scharia ausgerichtet sind.

Moritz Jäger

Sure 2, Vers 275: "Diejenigen, die Zins verschlingen, sollen nicht anders dastehen als wie einer, der vom Satan erfasst und geschlagen ist." Das ist eine der zentralen Normen des Islam - lassen sich dennoch in den Ländern mit dieser Religion gute Geschäfte machen?

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Ob ihr Geld auch Scharia-konform angelegt ist? Eine saudi-arabische Touristin vor den Auslagen eines Juweliers in Damaskus.

(Foto: Foto: Reuters)

Wie das geht, ist Sache des sogenannten Ethno-Marketings. Hier wird gezielt um Kundschaft mit Migrationshintergrund geworben, was in Deutschland bislang noch ein Randthema ist. So werden Muslime von der heimischen Wirtschaft nur zögerlich als Zielgruppe mit besonderen Bedürfnissen wahrgenommen - sei es beim Arzt oder am Bankschalter.

Global Player hingegen, allen voran Banken und Versicherungen, können es sich nicht leisten, weltweit 1,3 Milliarden Muslime mit einem Vermögen von geschätzten 1,8 Billionen Euro zu ignorieren. Will ein großer Finanzdienstleister an den rasanten Wachstumszahlen im Nahen und Fernen Osten partizipieren, muss das Produktportfolio die Gebote und Verbote der Scharia respektieren, also den Wertekanon des Islam.

In vielen aufstrebenden Ländern wie Malaysia oder auch in beliebten Reisezielen wie den Malediven ist der Islam Staatsreligion und die öffentliche Ordnung fußt auf der Scharia. An ihr kommt man als Unternehmer oder Investor also nicht vorbei. Sie ist der Türöffner zu den boomenden Massenmärkten Asiens. Das Zauberwort heißt Islamic Banking.

Zinsen, Pornos und Schweinefleisch verboten

Ein paar Zahlen zur Orientierung: In Indonesien leben über 200 Millionen Muslime, in Pakistan und Indien rund 155 Millionen und in Bangladesch 130 Millionen. Die Anrainerstaaten des Persischen Golfs zählen etwa 127 Millionen und die nordafrikanischen Länder 180 Millionen Muslime.

Doch man muss gar nicht auf anderen Kontinenten suchen: In der Europäischen Union leben 15 Millionen Muslime. In Deutschland sind zwei Drittel der 3,3 Milllionen Muslime Türken. Nun, wer nimmt sich ihrer an?

Die Deutsche Bank beispielsweise. Der Marktführer beschäftigt seit 2006 in Deutschland bilinguale Berater speziell für türkischstämmige Kunden - mit Erfolg.

Kostenlose Überweisungen in die Türkei sind noch kein Islamic Banking

Fünf kostenlose Überweisungen in die Türkei pro Jahr reichen aber noch nicht zum Prädikat Islamic Banking.

Vor allem die "attraktiven Zinssätze", mit denen die Deutsche Bank in den umgetauften Filialen ("Bankamiz") die türkische Klientel anspricht, wären alles andere als Scharia-konform: Im Islam gilt das Zins- und Wucherverbot ("Riba") sowie das Verbot von Glücksspiel und Spekulation. Für streng gläubige Muslime hieße das konkret: zinsloses Girokonto ja, Sparbuch nein.

Lernen Sie auf Seite 2, mit dem Zinsverbot richtig umzugehen

Göttliche Gewinne ohne teuflische Zinsen

Doch ist die Bankamiz der Deutschen Bank gar nicht als Islamic Bank gedacht, denn: "Die Erfahrungen zeigen, dass die Nachfrage von Privatkunden nach Scharia-konformen Geldanlagen hierzulande eher gering ist", sagte ein Sprecher des Finanzhauses zu sueddeutsche.de.

Was nicht verwundert: Einerseits dürfte vielen hier lebenden Muslime die deutsche Häuslebauermentalität vertrauter sein als das Zinsverbot. Andererseits ist das Angebot dürftig: Nicht selten legen türkische Familien ihre Ersparnisse deshalb nach den Regeln des Islam in ihrer Heimat an - Integration hin oder her. Hier gibt es dringend Nachholbedarf.

Eine Wirtschaft ohne Zinsen? Das geht.

Aber wirtschaften ohne Zinsen - wie soll das gehen? Es geht. Weil der Islam ausdrücklich zum Handel auffordert, wird das Zinsverbot auf islamkonforme Weis gelöst.

Beispielsweise wäre ein Autokauf auf Abzahlung wegen der Zinsen strenggenommen verboten. Indem die Bank jedoch einen Leasingvertrag anbietet und statt der Zinsen Gebühren erhebt, ist sie auf der sicheren Seite der Scharia. Gebühren gelten als Entgelt für das Zustandekommen von Handelsgeschäften, die dem Allgeinwohl förderlich sind. Damit sind sie auch moralisch legitim.

Ein weiterer Trick, um Zinsen zu umgehen: Man kauft eine Ware auf Zahlungsziel und veräußert sie dem Verkäufer zu einem geringeren Preis zurück. Bei solchen Transaktionen wechseln nur Eigentums-, nicht aber Besitzverhältnisse. Was verzinsten Krediten verdächtig nahekommt, ist legal.

Kunden teilen sich die Gewinne ihrer Bank

Statt ein Sparbuch zu halten, können Kunden auch einfach zu Teilhabern ihrer Bank werden. Der Gewinn wird dann gemäß den Volumina der Spareinlagen an die Kunden ausgeschüttet. Oder Banken fungieren bei Hypotheken und Krediten als Zwischenhändler: Das Geldinstitut selbst kauft ein Investitionsobjekt - etwa ein Haus oder eine Maschine - und veräußert es mit Gewinn an den Kunden weiter.

Neben finanziellen Kriterien gilt es, den sozialen und ethischen Normen der Scharia Folge zu leisten: Untersagt ist zum Beispiel jegliche Geschäftemacherei in den Rotlichtbranchen Prostitution und Pornographie. Außerdem meiden islamische Anleihen sogenannte Sukuk, die Tabak- und Rüstungsindustrie, sowie Unternehmen, die Schweinefleisch oder Alkohol herstellen.

Wer in die islamische Welt expandieren möchte, sollte sich mit solchen Besonderheiten vertraut machen und sein Produktportfolio entsprechend anpassen. In Pakistan, Iran und dem Sudan sind Banken sogar gesetzlich dazu verpflichtet, die Prinzipien des Islamic Banking zu befolgen. Andere Staaten vertrauen bei Investments auf die Selbstverpflichtung der Banken und deren Überwachung durch interne Shariah Boards.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: Mit Sukuk kann man auch Flugzeuge kaufen

Göttliche Gewinne ohne teuflische Zinsen

Doch selbst in islamischen Ländern ist Islamic Banking nicht selbstverständlich. Den Anfang der Bewegung markierte 1978 die saudi-arabische Islamic Development Bank. Andere Institutionen folgten. Damals galt es noch, die Dissonanz zwischen traditionellem Bankgeschäft angelsächsischer Prägung mit den Grundsätzen des Islams in Einklang zu bringen.

Seit 1999 bündelt der Dow Jones Islamic Marke Index islamgerechte Anlagealternativen. Weitere Indizes sind der FTSE Islamic Index, der Top 20 Midle East Total Return Index der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) oder die S&P-500-Sharia-Serie von Standard & Poor's.

Sukuk so sicher wie ein Sparbuch

Mittlerweile werden islamische Anleihen von Anlegern ähnlich sicher bewertet wie herkömmliche Finanzinstrumente. Weltweit sind immerhin Sukuk im Wert von mehr als 25 Milliarden Dollar im Umlauf. Und ihr Gewinn fällt mitunter deutlich höher aus als kalkuliert. Eine Erfolgsgeschichte - auch für westliche Vermögens- und Investmentbanken.

Als Islam-Pioniere gelten unbestritten die amerikanische Citibank und die britische HSBC Amanah, die bereits ausgebaute Filialnetze in der Golfregion und Südostasien unterhalten. Eigenständige islamische Privatbanken in der EU gibt es bislang nur in Großbritannien und in der Schweiz, in der die Faisal Private Bank Switzerland in Genf als Erste eine der begehrten Lizenzen der Eidgenössische Bankenkommission (EBK) erhielt.

Führender deutscher Vertreter ist die Deutsche Bank, die seit drei Jahrzehten in der arabischen Welt aktiv ist und deren Fondsgesellschaft DWS im vergangenen Jahr eine Serie von Noor Islamic Funds etablierte.

Zwischenfälle gehören jedoch zum Alltag: So muss sich die Deutsche Bank nun wegen zu hoher Kosten und unter politischem Druck aus dem Iran-Geschäft zurückziehen. Das Geldinstitut selbst spricht von "übergeordneten geschäftspolitischen Gründen". Der Spiegel berichtete, auf Druck der US-Regierung werde die Deutsche Bank in Iran den Zahlungsverkehr mit großen Firmenkunden einstellen.

Deutsche Banken im Morgenland angekommen

Auch die WestLB ist im Morgenland angekommen: Mit von ihr aufgelegten Scharia-Fonds wurde die Übernahme der britischen Automobilmarke Aston Martin finanziert - das Käuferkonsortium um zwei streng korangläubige Investoren aus Kuwait duldete keine säkulare Lösung. Es war die erste spektakuläre Akquisition in Westeuropa, die allein per Sukuk finanziert wurde.

Die meisten islamischen Länder sind im Aufbruch begriffen: Der Anteil Scharia-konformer Finanztransaktionen beträgt erst ein Fünftel des Gesamtvolumens. Doch in dem Maße, wie der Wohlstand in den öl- und bevölkerungsreichen Boom-Regionen wächst, wird auch der Bedarf nach authentischer Geldveranlagung steigen.

Die Wachstumsraten des Islamic Banking sind zweistellig und für viele Großunternehmen gehören solche Geldgeschäfte mittlerweile zum guten Ton: 2006 finanzierte die Fluglinie Emirates Flugzeuge im Wert von 600 Millionen Dollar ausschließlich per Sukuk. Das böte zwar keinen direkten Vorteil - etwa in Form niedrigerer Finanzierungskosten -, erläuterte der Finanzchef, doch habe die Sache einen schönen Nebeneffekt: Die Stellung von Emirates in der arabischen Welt werde gestützt.

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