Europa in der Krise:Mehr Gerechtigkeit, bitte!

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Klar darf es Steuerwettbewerb in Europa geben. Nur: Wenn Länder wie Irland Firmen mit Mini-Tarifen anlocken und zugleich teils enorme Summen von der EU bekommen, dann ist etwas verkehrt.

Alexander Hagelüken

Weniger Kindergeld, höhere Mehrwertsteuer, weniger Mindestlohn - das irische Sparprogramm wird die Bewohner des hoch verschuldeten Euro-Staates treffen. Nur einen Bereich nimmt die Regierung wundersam aus: Unternehmen aus dem In- und Ausland sollen auch künftig nur rund 14 Prozent Steuer auf ihre Gewinne zahlen, halb so viel wie in Deutschland.

Finanzkrise in Irland: Ein Graffiti zeigt Irlands Premierminister Brian Cowen und den irischen Finanzminister Brian Lenihan als Blues Brothers. (Foto: dpa)

Schön für die Firmen, schlecht für die Iren. Und nicht die Iren allein: Die Bewohner vieler EU-Staaten leiden unter dem unfairen Steuerwettbewerb, den die Grüne Insel angefacht hat. Jetzt, da der irische Hyperkapitalismus implodiert ist und die europäischen Nachbarn das Land retten, muss Schluss sein mit dem Steuerdumping - das sollten Deutschland und Frankreich in den nächsten Tagen durchsetzen.

Ministeuern, Maxisubventionen

Mancher Marktwirtschaftler protestiert schon: Was, bitte, ist schlecht am Wettbewerb? Warum sollen die Iren keine deutschen und amerikanischen Firmen mit niedrigen Sätzen anlocken? Die wirtschaftliche Ordnung Europas basiert ja auch darauf, dass sich Firmen und Staaten Konkurrenz machen. Nur: Fair muss er sein, der Wettbewerb. Was die Regierungen in Dublin und anderswo treiben, hat nichts mit Fairness zu tun. Ob Irland oder Bulgarien, Lettland oder die Slowakei, sie alle ziehen Firmen mit Mini-Steuertarifen an. Und kassieren gleichzeitig viele Milliarden Euro EU-Subventionen - finanziert ausgerechnet von Deutschland, Frankreich und anderen Ländern, denen die Steuerparadiese die Firmen abspenstig machen.

Dabei geht es anders als behauptet nicht um kleine Summen. Irland bekam in manchen Jahren aus Brüssel netto zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zugesteckt. Das wäre, als ob die Bundesrepublik 50 Milliarden Euro kassiert, was dem Bildungsetat des Bundes für fünf Jahre entspricht. Nun beansprucht Irland weitere Solidarmilliarden von den Partnern, weil es seinen Finanzsektor aufgeblasen (und dabei Banken vom Schlage Hypo Real Estate) angelockt hat - Zeit, mit der Expansion auf Kosten der Nachbarn aufzuhören, die den Iren das höchste Pro-Kopf-Einkommen aller EU-Flächenstaaten beschert hat.

Der unfaire Steuerwettlauf macht Europa ärmer. Seit Mitte der neunziger Jahre sind die nominalen Tarife auf Firmengewinne im EU-Durchschnitt von 37 auf 26 Prozent gefallen. Manches davon war die nötige Reaktion auf den globalen Wettbewerb. Aber nicht alles. Wohin der Dumping-Wettlauf in Europa führen kann, skizziert die keiner linken Umtrieben verdächtige Kölner Professorin Johanna Hey: Wenn sich die Entwicklung fortsetzt, fallen die Firmensteuern auf null Prozent - und die Arbeitnehmer dürfen Polizei, Schulen und Sozialausgaben weitgehend alleine finanzieren. Soll so das Europa der Zukunft aussehen?

Es ist an der Zeit, in der Europäischen Union Mindestsätze für Unternehmen einzuführen. Natürlich müssen diese niedrig genug sein, um Europa im internationalen Vergleich konkurrenzfähig zu halten. Eine deutsche Firma lässt sich ja nicht nur nach Dublin verlagern, sondern auch nach Sao Paolo oder Shanghai. 20 Prozent sind ein guter Wert, um sicherzustellen, dass Unternehmen staatliche Aufgaben mitfinanzieren, von denen sie profitieren - durch Sicherheit, gute Straßen oder gut ausgebildete Fachkräfte.

Politik ist kein Ponyhof

Europa darf sich in seinen Verhandlungen mit der Regierung in Dublin nicht auf einen faulen Kompromiss einlassen, der Irland als Steuerparadies erhält. Kanzlerin Merkel scheut die direkte Konfrontation. Für ihr Zögern bei der Griechenland-Hilfe und ihre Forderung nach der Beteiligung privater Gläubiger an der Euro-Krise hat sie schon viel Prügel von den Partnern eingesteckt. Aber die Bundesregierung ist es den Deutschen schuldig, sich gegen das Steuerdumping einzusetzen. Sonst setzt sich eine verhängnisvolle Spirale nach unten fort, an deren Ende die Bürger viel für den Staat bezahlen, während die Firmen verschont werden.

© SZ vom 25.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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