Iran: Sanktionen:Verladen und umschifft

Sanktionen gegen Iran verpuffen wirkungslos, weil das Land Boykottmaßnahmen mit einem weltweiten Netz von Scheinfirmen umgehen kann. Und Präsident Ahmadinedschad argumentiert positiv: Sein Land würde stärker - durch die Isolierung.

Rudolph Chimelli

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad meint, dass Sanktionen sein Land selbstbewusster, unabhängiger vom Ausland und letztlich stärker machen werden. Seine Worte bezogen sich auf die Serie relativ milder Sanktionen, die jüngst vom Weltsicherheitsrat beschlossen wurden, und auf die weitergehenden Maßnahmen, welche die USA und die EU zusätzlich verhängten. Leon Panetta, der Chef der amerikanischen CIA, antwortete in einem Fernsehgespräch auf die Frage, ob sich Iran durch Sanktionen von seinem Atomprogramm abbringen lassen werde: "Wahrscheinlich nicht."

Bericht: Explosion nahe Konvoi Ahmadinedschads

Der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad sieht Sanktionen gegen sein Land selbstbewusst. Das Land würde stärker, sagt er.

(Foto: ddp)

Das eigentliche politische und strategische Ziel der Boykott- und Embargomaßnahmen erscheint damit schon außer Reichweite. Panettas Skepsis ist noch aus anderen Gründen berechtigt. Die Iraner haben lange Erfahrungen im Umgang mit Sanktionen und hatten genug Zeit, sich auf die neueste Welle einzustellen. Ihr weltweites Netz zur Umgehung der Sanktionen reicht von Hongkong bis Venezuela. Es enthält Scheinfirmen mit englisch klingenden Namen an unverdächtigen Adressen. Ganze Flotten, die eigentlich der staatlichen Reederei IRISL gehören, segeln unter falschen Flaggen und mit oft wechselnden Namen ihrer Schiffe. Wichtige Partnerländer, vor allem China, Russland, die Türkei, der Irak und Syrien, unterlaufen den Boykott oder nutzen ihn, um westliche Lieferanten, die sich zurückziehen, vom iranischen Markt zu verdrängen.

Für die Iraner sind die Vereinigten Arabischen Emirate jenseits des Golfs der wichtigste Umschlagplatz für Güter, die sie nicht direkt beziehen können. Von den sechs Millionen Einwohnern der Emirate sind 400 000 iranische Staatsbürger.

Ferner ist eine nicht erfasste Zahl Einheimischer in den Emiraten persischer Abstammung. Es gibt keine bedeutende Firma in Teheran, die nicht eine Niederlassung in Dubai hat. Insgesamt sind dort 8000 iranische Handelsgesellschaften registriert. Sogar die Revolutionswächter, die einen erheblichen Teil der Wirtschaft und besonders der Rüstung beherrschen, haben dort Strohfirmen.

Die Zahlen sprechen für sich: Der Re-Export importierter Güter in den Emiraten ist hoch: Er liegt bei 80 Prozent. Dessen Wert entspricht 87 Prozent der Erdölausfuhr, der wichtigsten Finanzquelle der Föderation. Vieles davon geht nach Iran, wobei der Schwarzhandel in diesen Angaben nicht enthalten ist. Allein Deutschland exportierte in die Emirate 2008 für elf Milliarden Dollar, 40 Prozent mehr als im Jahr davor.

Güter, die auf der Boykottliste stehen und an irgendeinen Abnehmer irgendwo auf der Welt via Dubai verschifft wurden, können im Hafen leicht neu verpackt und umgeladen werden. Ein paar Stunden später sind sie in Bandar Abbas. Neben dem glanzvollen Dubai, das in seiner Schuldenkrise kaum Interesse daran haben wird, seine Einkünfte zu beschneiden, nutzen die Iraner noch das bescheidenere Emirat Ras al-Khaima. Es hat zwar nur eine Viertelmillion Einwohner, aber einen beachtlichen Containerhafen und einen Flughafen, der in raschem Ausbau begriffen ist. An beiden Einrichtungen sind Iraner maßgeblich beteiligt.

Wichtiger als Amerika

Da Iran zwar die zweitgrößten Erdölreserven der Welt, aber zu wenig Raffinerien hat, muss das Land 30 bis 40 Prozent seines Benzins importieren und ist hier sanktionsempfindlich. Doch die Hauptlieferanten sind China, Malaysia, Kuwait und Russland, alles Länder, welche die erweiterten Sanktionen nicht anwenden. Russische Firmen, unter ihnen Rosneft und Gazprom, sind mit Teheran im Gespräch über zusätzliche Lieferungen ab September. Schon im Juli hatten die Russen mit den Iranern ein langfristiges Programm für die Zusammenarbeit auf den Gebieten Öl, Gas und Petrochemie unterzeichnet - ohne Rücksicht auf Sanktionsbeschlüsse. Die Türkei will nach den Worten ihres Energieministers Taner Yildiz Benzinexporte nach Iran unterstützen. "Wenn es der private Sektor vorzieht, solche Produkte an Iran zu liefern, werden wir dabei helfen", sagte der Minister in dieser Woche. Die einzige Raffinerie-Firma der Türkei, Tupras, bezieht ein Drittel ihres Rohöls aus Iran.

"Für uns ist Iran wichtiger als Amerika", zitiert Reuters einen Tupras-Sprecher. Doch auch für Benzin gibt es einen parallelen Markt. Etwa tausend Tankwagen passieren täglich von Pendschwin im irakischen Kurdistan aus die iranische Grenze. Und Iran will bis zum übernächsten Jahr seine Benzinproduktion verdoppeln. Zehn bestehende Raffinerien sollen modernisiert, sieben neue gebaut werden - ein ehrgeiziges Ziel, dessen Erfüllung keineswegs gesichert ist.

China ist in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Wirtschaftspartner Irans avanciert und macht keine Anstalten, kürzerzutreten. Der bilaterale Handel betrug 2009 etwa 21 Milliarden Dollar, 50 Prozent mehr als vor drei Jahren. Noch ist Iran nur der drittwichtigste Erdöllieferant Chinas nach Saudi-Arabien und Angola. Aber die energiehungrigen Chinesen haben mit Teheran bereits Verträge über 15 bis 20 Milliarden Dollar für Gas- und Öllieferungen und für den Ausbau von Förderanlagen geschlossen. Über weitere Verträge in gleicher Höhe wird derzeit verhandelt. Bereits jetzt ist China der wichtigste ausländische Investor in der Islamischen Republik.

Warenmangel herrscht bisher in Teheran als Folge der Sanktionen nicht. Es gibt in den Läden alles zu kaufen, auch amerikanische Konsumgüter jeder Art. Auf einem Gebiet, der Einfuhr von Kosmetik, werden die Iraner im Nahen Osten nur noch von Saudi-Arabien übertroffen. Von jährlich zwei Milliarden Dollar ist die Rede. Parfums aller großen Marken sind zu haben. Sogar echte.

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