Süddeutsche Zeitung

Iran:Öffnen oder schließen

Am Freitag wird in Iran gewählt. Der Streit über die Wirtschaftspolitik prägt den Wahlkampf. Amtsinhaber Rohani will das Land weiter öffnen. Seine konservativen Kontrahenten wollen das Gegenteil.

Von Paul-Anton Krüger, Teheran

Wimpel mit den Fähnchen von mehr als 50 Ländern schmücken die Bühne im Milad-Konferenzzentrum der Messe von Teheran; das Land ist zurück auf internationalem Parkett. Auf den Leinwänden laufen Videos von neuen Raffinerien, von Gasfeldern und Ölterminals. Die Ölmesse in der iranischen Hauptstadt ist ein gutes Barometer für das Geschäftsklima im Lande und für Irans wirtschaftliche Beziehungen zum Ausland. Das Messegelände ist bis auf den letzten Platz ausgebucht; Hunderte Aussteller bekamen Absagen. Angeblich gab es vier Mal so viele Anfragen wie Plätze. Tage vor der richtungsweisenden Präsidentenwahl am Freitag nutzt die Regierung von Amtsinhaber Hassan Rohani die Ausstellung, um ihre Erfolge zu präsentieren.

"Als ich das Ölministerium übernommen habe, fand ich nur Chaos vor", sagt Minister Bijan Zangeneh. Jetzt produziert Iran wieder fast 3,8 Millionen Barrel Öl pro Tag, annähernd so viel wie vor den im Atomstreit verhängten Sanktionen. Teheran wolle die Gasförderung im weltgrößten Feld Süd-Pars auf das Niveau von Katar steigern, mit dem es sich die Lagerstätte teilt, sagt er. Und die petrochemische Industrie ausbauen. Die volkswirtschaftlichen Eckdaten können sich sehen lassen: Die Wirtschaft wuchs laut Weltbank im abgelaufenen Jahr um 6,4 Prozent, die Inflationsrate ist von mehr als 35 Prozent vor drei Jahren auf 8,6 Prozent gesunken; das erste Mal seit 25 Jahren liegt sie im einstelligen Bereich. Und auch der Außenhandel steigt.

Die Gegner gehen mit populistischen Versprechen auf Stimmenfang

Zugleich aber kursiert in der 15-Millionen-Metropole Teheran ein Witz, der die Lage der Menschen auf den Punkt bringt: Fragt ein Mann einen anderen, wie viele Söhne er habe. "Vier", antwortet der. "Gelobt sei Gott, was machen sie?", erwidert der andere. "Der Älteste ist Ingenieur", sagte der Mann, "der Zweite Architekt, der Ditte Apotheker...". "Und der Vierte?", fragt der Mann. "Er ist ein Dieb", gibt der Vater zurück. "Warum wirfst du ihn nicht aus dem Haus?", will der Mann wissen. "Ich würde ja", sagt sein Gegenüber. "Aber er ist der einzige, der uns noch ernähren kann." Viele Iraner haben das Gefühl, der Aufschwung gehe an ihnen vorbei, das Atomabkommen mit den USA und den UN-Vetomächten bringe ihnen entgegen aller Versprechungen Rohanis nichts, auch wenn die Messehallen in Teheran wieder voll sind.

Wirtschaft und der Nukleardeal sind daher die bestimmenden Themen des Wahlkampfs; Wirtschaftspolitik ist zudem die zentrale Kompetenz des Präsidenten, dessen Handlungsspielräume sowohl in der Außen- als auch in der Innenpolitik begrenzt sind. Es prallen nicht nur völlig verschiedene Bewertungen der Situation im Jahr zwei nach dem Atom-Deal aufeinander, auch stehen sich entgegengesetzte Visionen für die Zukunft Irans gegenüber.

Rohani wirbt dafür, das Land weiter zu öffnen für Investoren und Handel. Er bittet um Geduld; die Lebensbedingungen würden sich bald verbessern. Dagegen wollen seine konservativen Herausforderer, Teherans Bürgermeister Mohammed Baqer Qalibaf, und der einflussreiche Kleriker Ebrahim Raisi Iran wieder abschotten; wie der Oberste Führer Ali Chamenei reden sie von einer "Widerstandswirtschaft", die das Land autark machen soll, unabhängig von den Weltmärkten. Sie gehen mit populistischen Versprechen auf Stimmenfang, wollen die Direktzahlungen des Staates an ärmere Bürger verdreifachen; Qalibaf verspricht, binnen eines Jahres fünf Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Sie sagen allerdings weder, wie das gehen soll noch wie sie ihre Ideen finanzieren wollen. Der Streit über die Wirtschaftspolitik prägte auch die letzte Fernsehdebatte am Freitag.

Die Schwierigkeiten in Iran sind teils immer noch den Sanktionen und der ungewissen außenpolitischen Lage nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten geschuldet. Aber auch Machtkämpfe in Iran und die verkrustete Bürokratie tragen dazu bei; in vielen Fällen werden internationale Standards nicht eingehalten, was etwa den Zahlungsverkehr deutlich erschwert.

Stiegen die Ölexporte schnell wieder annähernd auf das Niveau vor den Sanktionen, investierten ausländische Unternehmen vergangenes Jahr gerade einmal drei Milliarden Dollar in Iran - ein Zehntel dessen, was die Regierung erhofft hatte. Viele Unternehmen klagen, dass es weiter schwierig ist, Banken zu finden, die bereit sind, größere Geschäfte mit Iran abzuwickeln. "Wir mussten vergangenes Jahr einen Auftrag im mittleren sechsstelligen Bereich ablehnen", sagt etwa Raymond Hodgkinson, Regionalmanager beim deutschen Mittelständler Messer, einem führenden Hersteller von Schneideanlagen für die metallverarbeitende Industrie.

Die wenigsten Banken genügen den Anforderungen im internationalen Zahlungsverkehr

Nachdem die USA Milliardenstrafen wegen Verstößen gegen die Atom-Sanktionen gegen Großbanken verhängt haben, fürchten diese nun das Risiko: Es bestehen weiter unilaterale Sanktionen Washingtons wegen des iranischen Raketenprogramms, Unterstützung des Terrorismus und Menschenrechtsverletzungen. Zugleich bereitet der US-Kongress neue Sanktionen vor, die unter anderem die Revolutionsgarden treffen könnten - in den vergangenen Jahren sind sie zu einem der mächtigsten Akteure in der ohnehin vom Staat dominierten Wirtschaft Irans aufgestiegen und indirekt an vielen Firmen beteiligt.

Zugleich genügen die wenigsten iranischen Banken den Anforderungen im internationalen Zahlungsverkehr, etwa bei der Bekämpfung der Geldwäsche. "Da haben sie zehn Jahre nichts getan", sagt ein hoher europäischer Diplomat. Es bleiben Sparkassen, die Europäisch-Iranische Handelsbank in Hamburg und Geldinstitute in Osteuropa. Auch sei nach zweieinhalb Jahren der angekündigte Muster-Ölvertrag für ausländische Firmen wegen interner Querelen nicht fertig. Direktinvestitionen mit Mehrheitsanteilen ausländischer Firmen sind nach wie vor äußerst schwierig, weil die Iraner Joint-Ventures mit Technologie-Transfer bevorzugen, zugleich halten sich iranische Firmen auch angesichts hoher Bankzinsen von mehr als 18 Prozent und noch höherer Kreditzinsen zurück.

So sehen viele deutsche Firmen den iranischen Markt weiter mit großem Interesse; mit 88 Ständen und 114 Ausstellern meldete der deutsche Pavillon auf der Ölmesse Rekordbeteiligung; nur aus China kamen mehr Aussteller. Die Anfangseuphorie ist einer abwartenden Haltung gewichen. Es gebe aber "deutlich mehr konkrete Anfragen und Projekte", sagt Klaus Friedrich vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Die Bilanz der Aussteller sei "überwiegend positiv". Hauptkritikpunkt seien weiterhin die fehlenden Bankverbindungen, sagt auch er.

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SZ vom 15.05.2017
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