Süddeutsche Zeitung

iPhone Xs:Wenig elektrisierend

Das wertvollste Unternehmen der Welt muss nicht überraschen, um erfolgreich zu sein. Das iPhone Xs wird Apple Milliardengewinne bescheren.

Von Simon Hurtz

Kurz, kompakt und wenig überraschend: Das sind Attribute, die nur wenige Menschen mit Apples Keynotes verbinden. Doch zum zweiten Mal in Folge stand Tim Cook deutlich weniger als zwei Stunden auf der Bühne - und wie im vergangenen Jahr präsentierte Apple nur Dinge, die bereits vorab bekannt waren.

Wie jedes Jahr wäre es aber Unsinn, Apple vorzuwerfen, nicht mehr mutig oder innovativ genug zu sein. iPhone Xs und Xs Max entwickeln das iPhone X nur geringfügig weiter, das iPhone Xr löst das iPhone 8 ab. Trotzdem werden Millionen Menschen die neuen Smartphones kaufen und Apple Milliardengewinne bescheren. Unternehmen müssen nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden, um erfolgreich zu sein. Oft reicht es, bewährte Dinge noch etwas besser zu machen.

In früheren Jahren stellte Apple auf seinen Keynotes oft drei oder noch mehr neue Produkte vor. 2018 beschränkte sich Cook auf die Apple Watch und das iPhone. Über neue iPads, Macbooks, Airpods oder das drahtlose Ladegerät, das bereits im vergangenen Jahr angekündigt worden war, verloren er und die anderen Apple-Manager (insgesamt durften ein Dutzend Männer, aber nur zwei Frauen sprechen) kein Wort. Das sind die wichtigsten Eckpunkte der beiden neuen Geräte:

iPhone Xs und Xs Max

Apple bietet zwei Versionen seines Premium-Smartphones an: Das normale iPhone Xs mit 5,8-Zoll-Bildschirm und die größere Xs-Max-Version mit 6,5 Zoll. Beide besitzen ein Oled-Display, das - man kennt das - natürlich "amazing" und besser, brillanter und farbechter als je zuvor sein soll. Abwarten und selbst in die Hand nehmen.

Die neuen iPhones sollen bruchsicherer und wasserdichter sein als der Vorgänger. Angeblich überstehen sie auch Bierduschen und längere Tauchgänge.

Wie beim iPhone X verzichtet Apple auf den Fingerabdrucksensor. Das Gesicht ist Passwort und biometrisches Merkmal zugleich: Mit der Face-ID-Technologie entsperren Nutzer das Gerät, indem sie es anschauen. Das soll noch zuverlässiger funktionieren als beim Vorgänger.

Der A12-Bionic-Prozessor soll 15 Prozent schneller sein, die Grafikleistung soll gar um die Hälfte gestiegen sein. Angeblich verbraucht er dennoch 50 Prozent weniger Energie als der A11-Chip. Die Akkulaufzeit des iPhone Xs erhöht sich trotzdem nur geringfügig: Eine halbe Stunde mehr beim Xs, das Xs Max soll 90 Minuten länger durchhalten als das iPhone X.

"Eine neue Ära der Fotografie" will Apple mit dem iPhone Xs einleiten. Immer wieder lobte Marketing-Chef Phil Schiller auf der Bühne die Kamera des iPhone X, tatsächlich aber können Google, Samsung und Huawei bei der Bildqualität längst locker mithalten. Insofern ist es aus Apples Sicht dringend nötig, dass das iPhone Xs den Vorgänger überflügelt.

Der "Smart-HDR-Modus" soll brillante Farben in einem bislang nie gesehen Spektrum liefern. Die Kamera mit zwei Objektiven ermöglicht angeblich noch schönere Porträtfotos mit Bokeh-Effekt. Die Tiefenschärfe lässt sich nachträglich stufenlos regeln. Schiller zufolge sei das bislang bei keinem anderen Gerät möglich. Das ist falsch, Lytro hat vor Jahren eine (mittlerweile eingestellte) Kamera angeboten, die das ebenfalls konnte. Auch andere Smartphone-Hersteller bieten diese Möglichkeit. Gut möglich, dass Apple es am besten macht - aber wie so oft sind sie nicht die ersten.

Zum ersten Mal bietet Apple die Möglichkeit an, zwei Sim-Karten zu nutzen. Das wird insbesondere Menschen freuen, die dasselbe Gerät privat und beruflich nutzen wollen. Im Gegensatz zu anderen Dual-Sim-Smartphones nimmt das iPhone Xs aber nicht zwei physische Karten auf. Vielmehr muss die zusätzliche Sim als sogenannte eSim genutzt werden. Dafür muss auch der Provider mitspielen.

Die beiden Xs-Versionen lösen das iPhone X als teuerstes Apple-Smartphone ab. Die Preise beginnen bei 1149 Euro (Xs), die größere Max-Variante ist 100 Euro teurer. Für das iPhone Xs Max mit 512 GB verlangt Apple 1649 Euro. Wer bereit ist, so viel Geld auszugeben, kann die neuen iPhones in den gewohnten drei Farben (Silber, Space Grau, Gold) ab Freitag, den 14. September vorbestellen. Sie sollen eine Woche darauf ausgeliefert werden.

iPhone Xr

Das iPhone Xr ist der kleine Bruder der Xs-Serie. Statt Oled-Kristallen setzt Apple beim Display auf die günstigere LCD-Technologie ohne HDR und mit geringerer Auflösung. Außerdem müssen Nutzer auf 3D-Touch verzichten, und das iPhone Xr ist nicht ganz so wasserdicht wie die beiden Xs-Varianten.

Apple verzichtet auf die Dual-Kamera, verbaut nur ein Weitwinkelobjektiv und spart sich das zusätzliche Tele. Dementsprechend gibt es keinen optischen, sondern nur digitalen Zoom. Trotzdem sollen Fotos mit Tiefenschärfe und Bokeh-Effekt möglich sein, weil Software die Berechnungen übernimmt und den Hintergrund verschwimmen lässt. Google hat beim Pixel gezeigt, dass das funktionieren kann. Ob Apple das genauso gut umsetzt, müssen die ersten Tests zeigen.

Die Preise für das iPhone Xr mit 6,1-Zoll-Display beginnen bei 849 Euro. Die Version mit 256 GB Speicher kostet 1019 Euro. Apple bietet das iPhone Xr in sechs Farben an: Weiß, Schwarz, Blau, Gelb, Rot und Koralle. Ungewöhnlich für Apple: Es dauert noch mehr als einen Monat, bis das iPhone Xr vorbestellt werden kann. Das ist ab 19. Oktober möglich, die Auslieferung soll am 26. Oktober beginnen.

Apple Watch

Die Apple Watch wird nie so erfolgreich werden wie das iPhone. Muss sie aber auch nicht, Apple verdient damit trotzdem Milliarden. Die vierte Auflage kommt mit neu gestaltetem Display, das mehr als ein Drittel größer ist als das der bisherigen Uhr. Das Gehäuse ist indes kaum gewachsen. Der Zugewinn an Bildschirmfläche kommt durch schmalere Ränder zustande.

WatchOS 5 kommt mit neuen Watch-Faces, die sich besser personalisieren lassen sollen. Der Drehknopf an der Seite bietet haptisches Feedback, die Lautsprecher sind 50 Prozent lauter, Telefongespräche sollen besser verständlich sein. Außerdem soll die Series 4 dank neuen Prozessors schneller sein als die Vorgänger-Uhr.

Erstmals verbaut Apple einen Bewegungssensor, der Stürze erkennen soll. Dann kann die Apple Watch automatisch einen Notruf absetzen, den Standort senden und Notfall-Kontakte alarmieren. Angesichts der Tatsache, dass allein in Deutschland jedes Jahr knapp 10 000 Menschen bei Unfällen im Haushalt sterben, die meisten davon bei Stürzen, scheint das eine sinnvolle Funktion zu sein.

Neu hinzugekommen ist auch ein Sensor, der den Herzschlag genauer misst als bislang. Er kann Elektrokardiogramme (EKG) aufzeichnen und erstellen. Nutzer können diese Informationen mit ihrem Hausarzt oder Kardiologen teilen. Apple verspricht, dass die Gesundheitsdaten privat und sicher gespeichert werden.

Die Series 4 kostet mindestens 429 Euro, für die Versionen mit LTE-Modul werden 100 Euro mehr fällig. Je nach Armband steigen die Preise auf bis zu 899 Euro. Die Design-Variante, die Apple in Kooperation mit Hermès anbietet, liegt je nach Ausführung bei etwa 1500 Euro. Alle Uhren gibt es in Silber, Space Grau und Gold. Sie können von kommendem Freitag an vorbestellt werden.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2018
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