Für die ganz harten Tifosi unter den AC-Mailand-Fans war es gewöhnungsbedürftig, als Klub-Eigentümer Silvio Berlusconi, 81, ihren Verein vor einem Jahr an einen chinesischen Investor weiterverkaufte. Schon mit dem Mailänder Polit-Zampano Berlusconi konnte man durchaus seine Probleme haben. Aber ein reicher Chinese, den kein Mensch kennt? Auch das noch.
Seit dieser Woche hat der AC Mailand wieder einen neuen Mehrheitseigner: Es ist der US-Hedgefonds Elliott mit seinem Milliardär und Gründer Paul Singer, 73, und der wiederum ist bekannt als aggressiver Aufkäufer von Unternehmen, Firmen-Zerfledderer, Brutal-Sanierer. Manche sagen sogar, zu seinen historischen Leistungen gehöre, Argentinien in die Pleite getrieben zu haben. Der Mann mit dem grauen Bart, den man auch den "Geier" nennt, ist einer der gefürchtetsten Investoren der Welt. Sein Fonds Elliott Management verwaltet die enorme Summe von 34 Milliarden Dollar.
Singer gehört zu jenen Investoren, die man "aktivistisch" nennt - was gut klingt, es aber nicht immer ist. Finanziers, die Namen haben wie Elliott, Cevian oder Cerberus, kaufen sich bei Unternehmen ein und drängen dann - mit mehr oder weniger harschen Methoden - auf eine Aufspaltung oder eine Neuorganisation. Das Muster ist immer dasselbe: Gesucht wird ein Unternehmen, das am Markt unterbewertet ist, dessen Aktien also nicht sehr viel kosten. Dann steigen sie ein, machen Druck, sanieren, zerlegen und filetieren, und ziehen dann wieder weiter - oft mit Milliardengewinnen. Die Idee: Die einzelnen Teile sind mehr wert als das Ganze. Tradition spielt da keine Rolle.
In Europa legen sie gerade erst richtig los, Geld ist genug vorhanden. Alle sind auf der Suche nach soliden, aber schlecht geführten Unternehmen, am liebsten aus Deutschland. Experten erwarten, dass der Ansturm erst noch kommt.
Was dann in der deutschen Wirtschaft passieren könnte, ist gerade in Essen zu besichtigen. Der schwedische Investor Cevian war bereits 2013 als Aktionär bei Thyssenkrupp eingestiegen, in diesem Jahr folgte dann Singer mit Elliott, zusammen haben die beiden etwa 20 Prozent und drängen auf eine neue Strategie. Der Druck wurde immer größer. In der vergangenen Woche hat Heinrich Hiesinger, 58, überraschend seinen Rücktritt als Thyssenkrupp-Chef erklärt. Er habe keinen Rückhalt, sagte er - und stürzte den Konzern in eine tiefe Krise. Dass interne Konflikte so offen zutage treten, ist ziemlich selten bei deutschen Dax-Firmen.
Man könnte meinen, Thyssenkrupp und der AC Mailand sind ziemlich weit auseinander. Doch es gibt Gemeinsamkeiten. Beide waren mal ganz groß, die guten Zeiten sind für beide aber lange vorbei. Die Fußballer aus Norditalien waren mal einer der erfolgreichsten Klubs Europas und haben viele Titel geholt. Doch schon lange läuft es nicht mehr. Thyssenkrupp entstand aus der Fusion zweier Konzerne, die einst den Aufstieg der deutschen Industrie begründeten. Die glorreichen Zeiten sind vorbei - wie in Mailand. Bei beiden versucht nun Singer sein Glück.
Wie die Dinge ausgehen können, zeigt der Fall Hiesinger. Er kam 2010 zu Thyssenkrupp, damals stand der Konzern nach verunglückten Milliardeninvestitionen in den USA und Brasilien beinahe vor dem Aus. Der ehemalige Siemens-Manager sanierte, verkaufte Teile, zuletzt legte er sogar den alten Kern, das Stahlgeschäft, mit dem des indisch-britischen Konkurrenten Tata zusammen. Am Prinzip des Mischkonzerns aber wollte er festhalten, lehnte es ab, auch Sparten wie das Geschäft mit Aufzügen aus dem Konzern zu schmeißen. Das fordern seine Kritiker.
So ganz falsch liegen sie vielleicht nicht, denn die Aktie von Thyssenkrupp ist in den vergangenen Monaten weit hinter der Entwicklung des Dax zurückgeblieben. Andere sagen: Wo kommen wir da hin, wenn Investoren Aktien an Traditionsunternehmen kaufen, öffentlichkeitswirksam Forderungen stellen und danach die Firmen einfach auseinandernehmen wie ein Grillhähnchen?
Der Fall Hiesinger mag das Ende einer Ära des alten Traditionskonzerns bedeuten, nicht aber das Ende der zunehmend aggressiv auftretenden Investoren. Sie könnten sich nun eher noch ermutigt fühlen, weitere Firmen zu attackieren. "Es herrscht gerade Goldgräberstimmung in der Branche", sagt ein Beteiligter. Die Attacken würden häufiger. Und stärker.
Diese Investoren beschäftigen Dutzende Analysten, die Firmen und Bilanzen unter die Lupe nehmen, auf der Suche nach Schwachstellen, die dann öffentlich angesprochen werden. So wird das Unternehmen destabilisiert und für den Umbau vorbereitet.
"Wenn sich die Aktienkurse abschwächen, dann ist das ein Einfallstor für diese Aktionäre", meint ein Insider. Das Spiel geht dann so weiter: Die Investoren berechnen die Konzernteile, eine sogenannte "Sum of the parts"-Analyse. Das lohnt sich vor allem dann, wenn sehr unterschiedliche Industriesparten unter einem Konzerndach vereint sind, die in der Summe mehr Geld bringen können als zusammen im Konglomerat. Bei Thyssenkrupp etwa geht es um die profitable Fahrstuhlsparte Thyssen-Aufzüge. Einige meinen, sie sei im Grunde sogar mehr wert als heute der gesamte Thyssenkrupp-Konzern.
Bei vielen Mischkonzernen geht die Rechnung auf. Würde man alles auseinandernehmen, profitabler machen und die Einzelteile einzeln verkaufen, hätte man oft einen Mehrwert von 30 bis 40 Prozent und mehr. Leicht verdiente Millionen oder sogar Milliarden, wenn man weiß, wie es geht. Und wenn man keine Skrupel hat, Traditionskonzerne aufzulösen und Manager an den Rand des Wahnsinns zu treiben. "Einzelne aktivistische Investoren sind dafür bekannt, dass jene Manager, die sie loswerden wollten, später in psychiatrische Behandlung mussten", sagte Ulrich Lehner, der Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssenkrupp, jetzt der Zeit. Harte Vorwürfe.
Und nicht immer geht es so weit wie bei dem US-Aluminiumkonzern Alcoa. Dort stand der damalige Chef Klaus Kleinfeld unter scharfem Beschuss von Paul Singer. Am Ende habe Kleinfeld den Investor in einem persönlichen Brief erpressen wollen - so deuteten es Singers Anwälte jedenfalls. Es ging demnach um ein angebliches Bad in einem deutschen Springbrunnen, um die Fußball-WM 2006 und um Indianerkopfschmuck - alles in allem eine ziemlich krude Mischung. Am Ende war Kleinfeld seinen Job los.
Es wird mit allen Mitteln gekämpft. Zurückhaltend treten die Investoren nicht auf. "Wir haben uns damals ziemlich in die Hose gemacht", erzählt ein Konzernmanager. Einer der Fonds war bei dem Unternehmen eingestiegen und forderte die Zerschlagung, wenn auch am Ende ohne Erfolg. "Die kamen kurzfristig vorbei und ließen sich erst einmal durch das Unternehmen führen", berichtet der Vorstandsvorsitzende eines anderen Dax-Konzerns. Dann habe es viele kritische Fragen gegeben, am Ende gingen sie wieder. "Aktionistische Investoren haben kein industrielles Interesse", meint ein Kenner. "Sie sind Trader, Händler." Erfolg haben sie auch deshalb, weil es immer mehr Indexfonds gibt, die nicht wirklich an den Unternehmen interessiert seien, sondern nur an der Nachbildung eines Aktienindex. Das gibt anderen Investoren mehr Einfluss.
Und die Firmen selbst? "Unternehmensvertreter gehen auch schon mal ohne ihre Anwälte in die Besprechungen mit den Fonds-Leuten, weil sie immer noch nicht verstanden haben, was das für Haifische sind", sagt ein Insider. Zu oft schalteten Manager von Anfang auf Konfrontation, und heizen so die öffentliche Auseinandersetzung noch an, statt auf die - teilweise berechtigte - Kritik einzugehen.
In der Schweiz hat es der Siemens-Rivale ABB immerhin geschafft, sich gegen einen Investor durchzusetzen. 5,3 Prozent der ABB-Anteile halten die Schweden von Cevian, ihr Mitgründer Lars Förberg sitzt im Verwaltungsrat und fordert: ABB-Chef Ulrich Spiesshofer solle sich auf das konzentrieren, was wichtig ist und zum Kerngeschäft gehört. Also könne man schon mal ruhig die Stromnetzsparte abspalten. Spiesshofer aber hat sich dem bislang hartnäckig widersetzt.
Im Unternehmen sei es derzeit ruhig, sagt einer in Zürich. Es sei richtig gewesen, Cevian-Mann Förberg in den Verwaltungsrat der ABB aufzunehmen. So nehme dieser an allen Diskussionen teil. Ohnehin gebe es in Zürich nicht mehr viel zu filetieren. "ABB ist kein Konglomerat, sondern ein Zusammenschluss von vier schlanken Geschäftssparten", meint ein Manager. Viel sei schon eingespart worden in der Schweizer ABB-Zentrale.
Der gemischteste aller deutschen Mischkonzerne - Siemens - macht seit Jahren vor, wie es geht: Ganze Geschäftsbereiche wie das Windgeschäft wurden in Gemeinschaftsunternehmen gepackt, die Leuchtentochter Osram und die Groß-Sparte Medizintechnik an die Börse gebracht - Siemens-Chef Joe Kaeser will keinen Förberg oder Singer. Er kommt ihnen zuvor - und erinnert damit an den früheren MAN-Chef Håkan Samuelsson. Der hatte vor zehn Jahren den damaligen Mischkonzern MAN, der sich rund um das Kerngeschäft mit Lkw und Bussen gebildet hatte, zerlegt und die Druckmaschinensparte an den Investor Allianz Capital Partners verkauft. Was Finanzinvestoren können, kann ich auch - so das Credo. Geholfen hat es am Ende auch nicht. Später dann wurde MAN von VW übernommen. So kann es gehen.
"Die Kunst besteht immer darin zu wissen, wie man den Elefanten zum Tanzen bringt", sagt Thyssenkrupp-Chefaufseher Lehner. Das tun auch die neuen Investoren: Sie bitten die Elefanten zum Tanz.