Investor Lars Windhorst:Monopoly mit den großen Jungs

Annäherung an ein Phänomen, das Lars Windhorst heißt und von Helmut Kohls Wunderkind zum Angeklagten in Berlin wurde.

Uwe Ritzer

Irgendwo da oben muss er sein. An die hundert Meter ragt das Internationale Handelszentrum am Bahnhof Friedrichstraße in die Höhe. Dort oben befindet sich ein feines, geräumiges Büro mit wohldosierter moderner Kunst, weichen Ledersesseln und einem großen Schreibtisch mit drei Flachbildschirmen. Der Ausblick durch die Fensterfront ist überwältigend. Die Hauptstadt liegt einem da oben förmlich zu Füßen, zuvörderst Berlin-Mitte, das Zentrum dieser Republik mit all seinen Glitzerfassaden; Besucher sind fasziniert.

Investor Lars Windhorst: Wunderkind und Stehaufmännchen: Investor Lars Windhorst ist häufig gefallen - und weich gelandet.

Wunderkind und Stehaufmännchen: Investor Lars Windhorst ist häufig gefallen - und weich gelandet.

(Foto: Foto: dpa)

Lars Windhorst kann hinüber zum Reichstag blicken: Er ist also wieder ganz weit oben und mitten drin. Aber müsste er nicht eigentlich ganz unten und weg vom Fenster sein? Seit mehr als einem Jahrzehnt kassiert der Mann in der großen Wirtschaftswelt Nackenschläge; heute ist er gerade mal 32 Jahre alt.

In Zeitungsarchiven muss man sehr tief graben, um halbwegs freundliche Zeilen über Lars Windhorst zu finden. In der Regel ist abschätzig vom gescheiterten Zögling Helmut Kohls die Rede, vom abgestürzten Wunderkind aus der westfälischen Provinz, das viele Geschäftspartner um viele Millionen Euros gebracht habe. Ein Blender soll er sein, ein Hochstapler, auf den selbst Hollywoodstar Michael Douglas hereinfiel. Erwiesenermaßen ist Windhorst ein Pleitier. Vor ein paar Wochen erst musste er erneut eine Insolvenz anmelden, diesmal für seinen neuen Arbeitgeber Vatas. Nun hat ihn die Berliner Staatsanwaltschaft des Betruges, der Untreue und der Insolvenzverschleppung angeklagt. Es geht um sehr viel für eine der schillerndsten Figuren der deutschen Wirtschaft.

Ein Stehaufmännchen, das auf die Füße fällt

Dabei lief es eine Zeit lang gar nicht schlecht für Lars Windhorst. Dort oben, im repräsentativen und gut abgeschirmten Hochhausbüro am Bahnhof Friedrichstraße, residiert er als Geschäftsführer der Vatas GmbH, einem Ableger des britischen Finanzinvestors Sapinda, hinter dem wiederum der südafrikanische Multimillionär Robert Hersov steckt. Er hat Windhorst zurückgeholt ins Monopoly der großen Jungs, die nicht nur mit ein paar hunderttausend, sondern ein paar hundert Millionen Euros spielen.

Mancher rieb sich verwundert die Augen, als im September 2007 in Finanzblättern stand, Windhorst habe mit dem geschickten Handel von Aktien des Mobilfunkanbieters Freenet binnen drei Monaten sagenhafte 108 Millionen Euro für Vatas verdient. Die Berichte waren überzogen, aber auch ein Signal: Windhorst mischt wieder mit. Und als er dann noch an Weihnachten 2007 einen Flugzeugabsturz in Kasachstan überlebte, formte sich das Bild vom Stehaufmännchen, das immer wieder auf die Füße fällt.

Normalerweise ist jemand, der mit 80 Millionen Euro Schulden Privatinsolvenz anmeldet, weg vom Fenster. Man munkelt, nach dem Gang zum Insolvenzgericht Berlin-Charlottenburg im Januar 2005 habe Windhorst einige Wochen weder Auto noch Kreditkarte besessen und kein Mobilfunkanbieter habe ihm einen Vertrag geben wollen. Telefoniert hat er trotzdem ununterbrochen und dabei geschickt ausgespielt, was ihm selbst seine schärfsten Kritiker nicht streitig machen: Überzeugungskraft. Er könne andere um den Finger wickeln, heißt es.

Im zweiten Teil: Aufstieg und Fall des Wunderkindes.

Aufstieg und Fall des Wunderkindes

Binnen Sekunden analysiere er präzise die Befindlichkeit seiner Gegenüber, ziehe daraus für sich die richtigen Schlüssen und reiße ihn mit. "Der leiert dir auch dann noch Geld raus, wenn du dir geschworen hast, dass du nie mehr etwas mit ihm zu tun haben willst", sagt einer, dem es genau so ging. Erstaunlich schnell gaben sich Windhorsts Gläubiger damit zufrieden, dass er ihnen - mit geliehenem Geld - ganze zwei Prozent ihrer 80 Millionen Euro zurückzahlte. Vielleicht auch deshalb, weil es für die großteils renommierten Unternehmen und Banken hätte peinlich werden können, wenn bei jahrelangen juristischen Streitigkeiten Details öffentlich geworden wären. Bei manchen sei "eine schier unglaubliche Fahrlässigkeit gegenüber Windhorst" im Spiel gewesen, sagt einer, der bei Gläubigerversammlungen mit am Tisch saß.

Erstaunlicherweise machen einige, die damals viel Geld verloren haben, heute wieder Geschäfte mit Windhorst. Ganz diskret, versteht sich. Hersov, bei dem er mit etwa vier Millionen Euro in der Kreide stand, heuerte ihn für Vatas an. Windhorst arbeite seine Schulden ab, lästern manche. Womöglich ist alles viel banaler. "In diesen Kreisen", erklärt einer, der selbst dazugehört, "ist es normal, dass man heute viel verliert und morgen viel gewinnt. Da lässt man die Emotionen raus." Dabei weckte die Achterbahnkarriere des Lars Windhorst von Anfang an genau dies: Emotionen.

Aufstieg mit Hilfe von Helmut Kohl

Die Nähe und das Wohlwollen des Kanzlers Kohl verhalfen ihm zum Aufstieg. Viele Türen öffneten sich und Windhorst knüpfte ein geschicktes Netzwerk aus Kontakten weit über Deutschland hinaus. Immer gigantischere Projekte kündigte er an, die sich als Luftschlösser erwiesen. Der Teenager hob ab; von den guten Kontakten aus der Kohl-Zeit zehrt er bis heute. Zwischen Dezember 2003 und Juni 2004 meldete er für seine Windhorst Electronics GmbH, die Windhorst AG und die Windhorst Capital Holding Insolvenz an. Viel zu spät, wirft ihm nach fünfjährigen Ermittlungen nun die Berliner Staatsanwaltschaft vor. Eine Million Euro soll er obendrein veruntreut und für sich privat abgezweigt haben. Ferner sind die Ankläger überzeugt, dass Windhorst den Hamburger Klinikunternehmer Ulrich Marseille um zehn Millionen Euro geprellt hat. Sie sollten angeblich eine Zwischenfinanzierung sein, ehe andere Investoren wie der Clan des nigerianischen Diktators Abacha in seine Firmen investierten. Das taten sie nie.

Sein Rechtsanwalt Robert Unger weist die Anklagevorwürfe zurück. Marseille sei nicht betrogen worden weil Windhorst die feste Absicht gehabt habe, das Geld zurückzuzahlen. Bereichert habe sich sein Mandant auch nicht, sondern sogar mehr Privatmittel in seine Firmen gepumpt, als er dies hätte tun müssen. Und nach heutigem Recht habe er auch keine Insolvenzen verschleppt, weil die Fortführungsprognosen für seine Firmen positiv gewesen seien. Der Prozess vor dem Landgericht Berlin dürfte kontrovers geführt werden.

Würde er am Ende verurteilt, wäre der Ruf des Lars Windhorst wohl endgültig ruiniert. Die Insolvenz hingegen, die er für Vatas im Januar anmeldete, scheint sich für ihn positiv aufzulösen. Vatas wird abgewickelt, eine Nachfolgefirma übernimmt das operative Geschäft. Gut möglich, dass Windhorst Geschäftsführer bleibt. Im Glashochhaus Friedrichstraße 95 in Berlin-Mitte.

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