Süddeutsche Zeitung

Investmentfonds:Dividenden statt Zinsen kassieren

Wenn Unternehmen Gewinne ausschütten, können Anleger auch mit Fonds davon profitieren - eine sichere Sache ist das aber nicht.

Von Andreas Jalsovec

Würstchen statt Kalbsbraten, Mineralwasser statt Rotwein: Die Zeiten, in denen Aktionäre auf den Hauptversammlungen deutscher Unternehmen reichhaltig verkostet wurden, sind längst vorbei. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 wird auf den Aktionärstreffen kulinarisch eher karge Hausmannskost geboten. Dennoch ist die Saison der Hauptversammlungen, die vorwiegend von März bis Mai läuft, bei Anteilseignern beliebt. Denn zu den Treffen schütten die Unternehmen ihre Dividenden aus, also jenen Anteil des Gewinns, der an die Aktionäre geht.

Der ist mitunter stattlich - auch wenn er bei einigen Firmen in diesem Jahr ebenfalls nicht mehr so üppig ausfällt wie zuletzt. "Einen Zuwachs wie im vergangenen Jahr wird es diesmal nicht geben", meint Christian W. Röhl. Der Berliner Investor und Dividendenexperte erstellt einmal jährlich zusammen mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) eine Dividendenstudie für die deutschen Konzerne. "Viele Unternehmen treten auf die Bremse", sagt Röhl. Das gilt etwa für Daimler. Der Stuttgarter Autobauer senkt diesmal die Dividende deutlich: 90 Cent zahlt der Konzern pro Aktie, 2019 waren es noch 3,25 Euro.

Insgesamt dürften es aber immerhin noch fast 50 Milliarden Euro sein, die die rund 160 Firmen aus den deutschen Aktienindizes Dax, M-Dax und S-Dax in diesem Jahr an die Aktionäre weiterreichen. Wer davon profitieren will, kann Aktien der Firmen kaufen, die eine Dividende zahlen. Einfacher und weniger risikoreich ist es, auf Dividendenfonds zu setzen. Sie investieren in Unternehmen, die regelmäßig Dividenden zahlen.

Solche Fonds gibt es als aktiv gemanagte oder passive, an der Börse gehandelte Wertpapiere (ETF), die einen Index mit dividendenstarken Aktien nachbilden. Thesaurierende Fonds legen dabei die Dividende direkt wieder an und nutzen dadurch den Zinseszinseffekt: Auf die einbehaltenen Gewinne werden dabei erneut Dividenden fällig. Ausschüttende Fonds dagegen zahlen die Dividende regelmäßig aus. In beiden Fällen erhalten die Anleger jedes Jahr über die Dividende eine Rendite auf ihr Kapital. Bei einem Drittel der Firmen im Deutschen Aktienindex liegt diese Dividendenrendite, die sich aus der Dividende und dem Aktienkurs ergibt, derzeit bei mehr als drei Prozent.

Es gibt ein Kursrisiko - aber es ist geringer als bei anderen Aktienfonds

In Zeiten von Null- und Negativzinsen gilt die Dividende daher vielen Anlegern als "neuer Zins". Eine solche Sichtweise hält Experte Röhl aber für "brutal falsch". Zinsen, etwa auf Spareinlagen, werden immer in fester Höhe gezahlt, sagt Röhl: "Die Dividende hingegen ist eine unternehmerische Erfolgsprämie." Bleibe der Erfolg aus, gebe es unter Umständen auch keine Dividende. Dividendenfonds seien deshalb auch nicht mit einem Sparbuch zu vergleichen. "Sie sind Aktienfonds und haben als solche auch ein Kursrisiko."

Das hat sich auch in den vergangenen Wochen gezeigt. Als die Kurse an den Börsen weltweit wegen des Coronavirus einbrachen, verloren auch Dividendenfonds deutlich an Wert. Die Ratingagentur Scope hat für die SZ einige Fonds ausgewählt (siehe Tabelle). Vor allem wegen der Coronavirus-Krise weisen sie zum Teil negative Renditen auf. Langfristig ergibt sich aber ein anderes Bild. So erzielte der größte deutsche Dividendenfonds - der DWS Top Dividende - seit seiner Auflage im Jahr 2003 ein Plus von fast 150 Prozent. Aufs Jahr gesehen ist das eine Rendite von 5,6 Prozent.

Generell halten Experten Dividendenfonds für weniger risikoreich als herkömmliche Aktienfonds. "Die Kursentwicklung von Dividendenfonds schwankt meist weniger stark als der Gesamtmarkt", sagt Martin Fechtner, Analyst bei der Ratingagentur Scope. Ein Grund dafür seien die regelmäßigen Dividendenzahlungen. Sie können Kursschwankungen abfedern. "Über den Zinseszinseffekt haben Dividenden einen großen Anteil an der Gesamtrendite des Fonds", sagt Fechtner.

Hinzu kommt: In Dividendenfonds finden sich vorwiegend Unternehmen aus konservativen Branchen wie Konsum, Chemie, Versorger oder Versicherungen. Technologiefirmen sind weniger vertreten, weil sie selten Dividenden zahlen. Die Kurse der Technologieaktien geben jedoch gerade in Krisen oft stark nach. "In fallenden Aktienmärkten haben Dividendenfonds daher Vorteile", sagt Experte Fechtner.

Technologieaktien kommen zu kurz - das hat Vor- und Nachteile

Umgekehrt hinken solche Fonds bei einem Boom an den Märkten häufig hinterher - gerade weil Technologie- und Wachstumsaktien darin oft fehlen. So gewann der weltweite Index MSCI für Technologieaktien in den vergangenen drei Jahren gut 75 Prozent. Bei den weltweiten Dividendenfonds in der Tabelle sind es maximal 21 Prozent. Wer nur auf Dividendenfonds setze, schneide sich daher "ins eigene Fleisch", warnt etwa die Stiftung Warentest. Denn reine Dividendenanleger ließen Erfolgsmodelle am Aktienmarkt außer acht - wie zuletzt jene von Amazon oder Google.

Doch auch Dividendenjäger müssen nicht auf Wachstum verzichten. "Wer einen Dividendenfonds kauft, sollte sich genau ansehen, welche Aktien der Fonds enthält", rät Experte Röhl. Wichtig sei neben einer breiten Streuung der Aktien über verschiedene Länder auch ein ausgeglichener Branchenmix. So sollte etwa der Technologiebereich nicht zu stark unterrepräsentiert sein. Röhl hält außerdem nichts davon, bei den Unternehmen nur auf eine möglichst hohe Dividende zu achten. Stattdessen seien Firmen, die über lange Zeiträume zwar etwas geringere, dafür aber stetig steigende Dividenden auszahlen oft erfolgreicher. Das schlage sich dann auch im Aktienkurs nieder. "Bei solchen Firmen", sagt Röhl, "ist die Dividende ein Qualitätsmerkmal für die Entwicklung des Unternehmens."

Die Aristokraten unter den Aktien

Die Dividendenhistorie des Versicherungsriesen Allianz kann sich sehen lassen. Seit 2014 hat der Münchner Konzern jedes Jahr die Ausschüttungen an seiner Aktionäre erhöht. Und auch diesmal wird es wieder ein Plus geben: Von neun auf 9,60 Euro soll die Dividende steigen. "Die Allianz wird damit erstmals mehr als vier Milliarden Euro an die Aktionäre ausschütten", sagt Christian W. Röhl. Der Dividendenexperte listet auf seiner Internetseite dividendenadel.de jene Unternehmen auf, die ihren Anteilseignern dauerhaft Dividenden zukommen lassen. Auch die Allianz ist dabei. Sie gehört aber noch längst nicht zu den sogenannten "Dividenden-Aristokraten". Der Begriff kommt aus den USA. Gemeint sind damit Firmen, die mindestens 25 Jahre hintereinander die Dividende regelmäßig erhöht haben.

Eine solche Dividendenpolitik sei "ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für Aktionäre", meint Röhl. Ein Unternehmen zeige damit, dass es Wert darauf lege, die Anteilseignern kontinuierlich am Unternehmenserfolg teil haben zu lassen - auch wenn es einmal nicht so gut läuft.

In Deutschland gibt es derzeit nur ein Unternehmen, dass das Aristokraten-Kriterium erfüllt: der Pharma-Hersteller Fresenius Medical Care. In den USA finden sich dagegen alleine im Aktienindex S&P 500 mehr als 60 Dividenden-Aristokraten. Darunter sind prominente Firmen wie der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, dessen Dividende seit 63 Jahren kontinuierlich steigt. Beim Chemie-Konzern 3M sind es 62 Jahre. Bei Coca-Cola dürfen sich Aktionäre seit 58 Jahren über jährlich wachsende Ausschüttungen freuen. Andreas Jalsovec

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Quelle:
SZ vom 07.03.2020
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