Investmentbank:Goldman Sachs leiht plötzlich auch Normalbürgern Geld

Investmentbank: Das Foyer von Goldman Sachs in New York: Die Bank will jetzt auch mit Privatkunden Geld verdienen.

Das Foyer von Goldman Sachs in New York: Die Bank will jetzt auch mit Privatkunden Geld verdienen.

(Foto: AP)
  • Die Investmentbank Goldman Sachs bietet nach 147 Jahren erstmals auch Finanzdienstleistungen für Normalverdiener an.
  • Der Grund: Das Investmentbanking wirft nicht mehr genug Rendite ab. Die Zeiten, in denen die Milliarden verlässlich flossen, sind vorbei.

Von Kathrin Werner, New York

Sonst gibt sich Goldman Sachs nicht so locker. "Zwischen Alltagsausgaben und unerwarteten Unkosten kann es schon vorkommen, dass man etwas hinterherhinkt", schreibt die schillernde Investmentbank auf ihrem neuen Internetportal Marcus, mit dem sie seit wenigen Tagen um Privatkunden wirbt. "Schulden können halt passieren." Das klingt nicht nach Goldman, dieser Elite-Bank voller Anzugträger. Marcus steht für eine Neuerfindung bei Goldman Sachs. Gewöhnliche Bürger können ab sofort über das Online-Kreditportal Marcus ein Darlehen zum Beispiel über 10 000 Dollar bekommen, damit sie ihre Küche renovieren oder ihr Haustier operieren lassen können.

147 Jahre lang hatte Goldman Sachs jeden Kontakt zum Kleinsparer und Normalverdiener vermieden. Die Bank arbeitete mit den Reichsten der Reichen, wer sein Privatvermögen von ihr verwalten lassen wollte, musste mindestens zehn Millionen Dollar anlegen. Das traditionsreiche Geldhaus half Unternehmen bei internationalen Fusionen und Übernahmen und handelte mit Papieren, die niemand sonst verstand und die mit Ausbruch der Finanzkrise zum Inbegriff der Zockerei wurden. Und nun Kredite für Waschmaschinen?

Die Zeiten, in denen die Milliarden verlässlich flossen, sind vorbei

Der so lange verschmähte Kleinsparer und Normalverdiener gilt bei Goldman Sachs plötzlich als lukrativer Kunde. "Die Firma hat digitale Bankdienstleistungen für Verbraucher und kleine Unternehmen als Gebiet mit Chancen identifiziert", schrieb Goldman-Chef Lloyd Blankfein schon im Mai 2015 in einer internen Mitteilung. Das läutete eine strategische Wende ein, die in der neuen Kreditplattform besonders deutlich sichtbar wird.

Ein Treiber des Wandels ist schlichte Not: das Investmentbanking wirft seit der schärferen Regulierung nicht mehr so viel Rendite ab. Viele Geschäfte, mit denen die Banker einst legendäre Profite einstrichen, sind heute nicht mehr erlaubt. Am Dienstag legte Goldman zwar gute Quartalszahlen vor, der Gewinn stieg um 47 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar. Aber die Zeiten, in denen die Milliarden verlässlich flossen, sind vorbei, der Jahresanfang war schwierig für Goldman. Andere Banken wie JPMorgan Chase, die den Fokus mehr auf Privatkunden legen, standen besser da.

Auch Goldman will jetzt im Internet Geld verdienen

Es ist auch der technische Fortschritt, der das Privatkundengeschäft interessant für Goldman macht. Es ist es heute einfacher und billiger, mit den Normalverbrauchern ins Geschäft zu kommen: über das Internet. In den vergangenen Jahren sind Finanz-Start-ups mit reinen Online-Vertriebsmodellen in die Finanzwelt vorgedrungen und verdienen dort gutes Geld, ohne ein teures Filialnetz zu unterhalten. So gutes, dass Goldman ihnen jetzt dorthin folgt.

Dafür hat die Bank vor eineinhalb Jahren jemanden angeheuert: Harit Talwar. Der 55-Jährige ist einer, der gern mal normalen Leuten die Hände schüttelt. In seinem alten Job als Chef der US-Kreditkartensparte beim Finanzdienstleister Discover Financial durfte er ab und an Preise überreichen, an glückliche Gewinner. Dann strahlte er neben Luftballons, einen riesigen Scheck unterm Arm, drückte die Siegerin an sich, eine überwältigte Omi in Sandalen, die der Zufallsgenerator ausgewählt hatte. Um ihn herum applaudierende Menschen in irgendeiner Autowerkstatt in Florida. So war sein alter Job.

Goldman hat ihn abgeworben und gleich zum Partner gemacht - eine Art Ritterschlag. Talwar soll Goldmans Millionärsspezialisten erklären, wie man mit den Omis in Sandalen umgeht. Er ist verantwortlich für Marcus, benannt nach dem Gründer der Bank, Marcus Goldman. Marcus bietet Kredite ohne Gebühren, bis zu 30 000 Dollar können sich Amerikaner bei Goldman leihen, mit einem festen Zinssatz zwischen 5,99 und 22,99 Prozent und Laufzeiten von zwei bis sechs Jahren. Das Ganze lässt sich komplett online abwickeln. Bislang können allerdings nur Menschen mit guter Bonität Darlehen bei Marcus beantragen, Goldman lädt sie dazu persönlich ein, die Bank hat nach eigenen Angaben Einladungsbriefe mit Zugangscodes an Millionen potenzieller Kunden geschickt, die in den Datenbanken als kreditwürdig vermerkt sind.

Bereits seit April bietet Goldman auch Sparkonten ohne Mindesteinlage für Verbraucher an. Goldman hatte das Geschäft inklusive Kundengeld 2015 vom US-Mischkonzern General Electric übernommen. Die Bank kann die von GE übernommenen Kundeneinlagen online zu im Vergleich zu Kreditkarten günstigen Zinsen weiter verleihen, selbst aber noch günstiger verzinstes Geld von der Zentralbank holen und so von der Politik des billigen Gelds der amerikanischen Notenbank Federal Reserve profitieren. Das ist ein großer Vorteil in gegenüber den Finanz-Start-ups ohne Banklizenz, die mühsam Geld aus anderen Quellen besorgen müssen.

Als Investor ist Goldman schon seit einigen Jahren an diesen Firmen beteiligt. Die Bank hat unter anderem in den Bezahldienstleister Square investiert, Goldmans Ex-Finanzchef David Viniar sitzt dort im Aufsichtsrat. Goldman-Geld ging unter anderem auch an Bluefin Payments, eine Firma, für Sicherheitstechnik für Online-Zahlungen und an den Big-Data-Auswerter Dataminr. Vielleicht hat Goldman Sachs die ungewöhnlich lockere Sprache bei Marcus von den Start-ups gelernt.

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