Robert Habecks Schatztruhe hat in der Wirtschaft Anhänger und Gegner. Die Fans finden den Klima- und Transformationsfonds (KTF) des grünen Wirtschaftsministers gut, weil sie Geld vom Staat bekommen. Das berühmteste Beispiel ist Intel, auch wenn der Chip-Hersteller seine Fabrik in Magdeburg erst mal nicht bauen wird, diese KTF-Subventionen fließen daher vorerst nicht. Die Kritiker sehen genau darin das Problem des Habeck-Fonds: Der Minister wähle aus, wer Staatsgeld bekäme und wer nicht – als würde die Regierung besser wissen als der Markt, welche Firmen und Produkte sich im Wettbewerb durchsetzen.
Nun hat Habeck einen neuen Fonds vorgeschlagen, der etwas Entscheidendes anders machen will als der KTF: Alle Unternehmen sollen profitieren können, ohne dass der Minister das steuert. Ein „Deutschlandfonds für Investitionen“ soll Firmen zehn Prozent erstatten, wenn sie investieren. Je höher die Ausgabe, desto größer das Geschenk vom Staat. Habeck rechnet vor: „Für eine Investition von 100 000 Euro zahlt der Staat eine Prämie von 10 000 Euro. Die restlichen 90 000 kann das Unternehmen dann immer noch wie üblich von der Steuer abschreiben.“ Der Wirtschaftsminister spricht von einer „Investitionsprämie“, die als Steuergutschrift und somit über die Finanzämter abgerechnet werden soll.
„Aus anderen Ländern wissen wir, dass das gut wirkt.“
Ökonomen finden diesen Ansatz gut. „Aus anderen Ländern wissen wir, dass das gut wirkt. Unternehmen investieren dann mehr“, sagt Dominika Langenmayr, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums. Und Deutschland habe einen massiven Bedarf an Investitionen. SPD und Grüne sehen hier oft den Staat in der Pflicht, mehr Geld auszugeben. Allerdings sehe die Realität anders aus: „Der größte Teil der Investitionen sind privat, nicht staatlich“, sagt Langenmayr. „Wenn wir das mit Digitalisierung und Klimaschutz hinbekommen wollen, brauchen wir massive private Investitionen. Staatliche Ausgaben allein können das unmöglich schaffen.“ Positiv findet sie zudem, dass auch Firmen die Prämie erhalten sollen, die keinen Profit machen. „Das ist ein Vorteil. Ungefähr ein Drittel der Unternehmen machen keine Gewinne, die erwischt man damit auch.“
Auflagen sieht das Papier für die Investitionen nicht vor, nur Gebäude sind ausgenommen. Es gibt keine Vorgaben, dass ausschließlich vom Ministerium als klimafreundlich zertifizierte Maschinen gekauft werden dürften. Das macht die Sache verhältnismäßig unbürokratisch und verzerrt die Entscheidungen der Firmen nicht. Wer unbedingt will, könnte sich mit der Habeck-Prämie auch eine kohlebefeuerte Verbrenner-Fabrik fördern lassen.
Finanzieren möchte Habeck das alles per Kredit. Damit das trotz der Schuldenbremse möglich ist, bräuchte es ein neues Sondervermögen wie für die Bundeswehr, die so zu 100 Milliarden Euro gekommen ist. Habecks „Deutschlandsfonds“ für die Prämie wäre von dieser Summe nicht weit entfernt, auch wenn der Minister auf Nachfrage keine konkrete Größe nennen will. Er verweist auf den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der von einer mittleren dreistelligen Milliardenzahl als Investitionssumme ausgehe. Um 500 Milliarden Euro private Ausgaben mit zehn Prozent zu prämieren, bräuchte der neue Staatsfonds 50 Milliarden Euro als Sondervermögen. Das Programm soll nach Habecks Vorstellungen auf fünf Jahre befristet sein.
Generell die Steuern für Unternehmen zu senken, sieht Habeck skeptisch. Davon würden auch Firmen profitieren, die gerade nicht investieren. Das sei sehr anfällig für Mitnahmeeffekte. Das sieht Ökonomin Langenmayr allerdings anders. Die im Vergleich hohen Unternehmenssteuern hierzulande spielten im internationalen Wettbewerb eine Rolle, sagt sie: Ausländische Konzerne würden häufiger in Deutschland investieren, wenn der Steuersatz geringer wäre.
Eine Glaskugel ist nicht notwendig, um festzustellen, dass die Habeck-Prämie nicht in der kommenden Woche vom Bundeskabinett beschlossen wird. Die Reaktionen der Koalitionspartner sind aussagekräftig genug. „Mit dem Kanzler ist das nicht abgestimmt“, sagt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Es sei aber „sehr sinnvoll“, dass sich alle Beteiligten Gedanken machen würden, wie Deutschlands Wirtschaft wieder besser laufen würde.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich auch schon Gedanken gemacht. Die sind aber eher auf die Industrie gerichtet, angesichts der dort von der Sozialdemokratie vermuteten Wählerpotenziale wohl nicht ganz ohne Eigennutz. In der Industrie gehen derzeit viele Arbeitsplätze verloren. Bei einem Treffen im Kanzleramt möchte Scholz mit Branchenvertretern in kleiner Runde besprechen, was aus ihrer Sicht helfen könnte. Die Habeck-Prämie richtet sich dagegen ausdrücklich nicht nur an große Unternehmen der Industrie, sondern auch an Handwerker, Dienstleister, kleine Firmen, Start-ups. „Es geht um die Wirtschaft in der Breite“, sagt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.
Die FDP wäre zwar für Steuersenkungen immer zu haben, aber auf Pump ist natürlich nicht ihre Lieblingsvariante. Die FDP will stattdessen die Regeln für Unternehmen insgesamt derart verbessern, dass sie mehr investieren. Steuersenkungen sollten aus Sicht der FDP im Haushalt gegengerechnet werden. Andere Ausgaben müssten also gestrichen werden, aus Sicht der Liberalen am liebsten im Sozialetat. Das wiederum ist mit SPD und Grünen nicht zu machen.
Die Ampel bräuchte die Zustimmung der Union für ein neues Sondervermögen
Doch dass der grüne Minister überhaupt eine Art Steuersenkung fordert, bezeichnet FDP-Chef Christian Lindner als „Hammer“. Der Wirtschaftsminister habe nicht einfach einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, Habeck fordere eine fundamental andere Wirtschaftspolitik für Deutschland, sagt Finanzminister Lindner während seiner USA-Reise in New York. Er lasse jetzt in seinem Haus prüfen, was davon theoretisch umsetzbar wäre, bevor man in der Sache diskutieren könne.
Klar sei aber schon, dass „genau diese Unsicherheit über die weiteren Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft selbst Teil der Probleme unseres Landes geworden ist“. Auch müsse geprüft werden, ob solche Investitionsprämien mit dem Beihilferecht und den Schuldenregeln der EU vereinbar wären. „Wir können schlicht nicht so viel Geld ausgeben, wie manche wollen“, so Linder.
Habeck selbst spricht sicherheitshalber nur von einem „Impulspapier“, das er den „befreundeten“ Ministerien zugeschickt habe. Ein Impuls, das klingt wuchtig. Aber ein Impuls kann auch so klein ausfallen, dass eine andere Masse nicht in Bewegung gesetzt wird. Falls die Ampelregierung trotzdem an einer größeren Steuerreform arbeitet, versteckt sie es meisterhaft. Zumal die Regierung ein Sondervermögen nicht allein aufsetzen kann, sie bräuchte dafür eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. CDU-Chef Friedrich Merz und seine Fraktion müssten zustimmen und der Regierung somit ein Jahr vor der angesetzten Bundestagswahl helfen, während unklar ist, ob die Ampel überhaupt den Herbst überlebt. Die Habeck-Prämie wird es wohl auch übernächste Woche nicht ins Kabinett schaffen.