Investitionen:Deutschland spart sich schwach

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In Deutschland wird zu wenig investiert - obwohl das nötige Geld da wäre. (Foto: dpa)
  • Deutschland geht es wirtschaftlich gut. Die Löhne steigen, die Arbeitslosigkeit ist niedrig - und auch die Einnahmen des Staates sind auf einem hohen Niveau.
  • Das Problem: Es wird viel zu wenig investiert. Nicht nur der Staat, sondern auch die Privatwirtschaft zögert mit Investitionen.

Von Catherine Hoffmann

Deutschland geht es gut. Die Wirtschaft läuft, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht, die Löhne steigen, die Exporte boomen. Dank der guten Konjunktur und niedriger Zinsen kann Finanzminister Wolfgang Schäuble sogar auf neue Kredite verzichten: Die schwarze Null steht.

Alles gut also? Leider nein. Die Bilanz der deutschen Wirtschaft ist nicht makellos: Es wird zu wenig investiert. Es gibt kaum einen Ökonomen, der diesen Befund bestreitet. Straßen und Schienen, Bildungseinrichtungen oder Breitbandnetze sind nicht auf dem Stand, den man in einem wohlhabenden Land erwarten würde. Die öffentliche Hand gibt seit Jahren nur jeden zehnten Euro für Investitionen aus.

Was noch schwerer wiegt: Auch die Unternehmen zögern, ihren Maschinenpark in Deutschland zu erneuern - und legen ihre Gewinne lieber im Ausland an. Das lässt für die Zukunft nichts Gutes erwarten. "Die Investitionen sind nach historischen Maßstäben bescheiden. Das wird langfristig zu einem schwächeren Wachstum der deutschen Volkswirtschaft führen", sagt Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), besser bekannt als die Wirtschaftsweisen. "Diese Wachstumsschwäche wird sich aber nur schleichend zeigen."

Warum also wird nicht mehr investiert in Deutschland? Und was lässt sich dagegen tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wird wirklich zu wenig investiert?

Die Wirtschaftsleistung dürfte in diesem Jahr um 1,9 Prozent zunehmen, heißt es im aktuellen Jahresgutachten des Sachverständigenrates. Allerdings tragen die Investitionen wenig zu diesem Wachstum bei. Es werden wohl nur 0,5 Prozentpunkte sein, rechnet man alle Ausgaben für Maschinen und Geräte, Wohnbauten und Büros, Forschung und Entwicklung, Software und Datenbanken zusammen. Dabei fallen gerade die Unternehmensinvestitionen im Vergleich zu früheren Aufschwüngen schwach aus. "Ohne den Segen der niedrigen Zinsen würde die Investitionstätigkeit in Deutschland wohl kaum mehr als stagnieren", sagt Schmidt.

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Auch im internationalen Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab. Das zeigt die Investitionsquote. Sie misst das Verhältnis von Investitionen zur Wirtschaftsleistung und liegt in Deutschland bei rund 20 Prozent. In vielen anderen Länder ist sie deutlich höher: In Irland, Schweden und der Schweiz sind es zum Beispiel rund 24 Prozent, in Norwegen 23 und in Österreich 22 Prozent.

Von 1999 bis 2012 war diese Investitionsquote in Deutschland um rund vier Prozentpunkte niedriger als im Durchschnitt aller 35 Mitgliedsstaaten der OECD. Die Zahlen sind für ein Industrieland, das technologisch Spitze sein will, besorgniserregend. "Wir haben ausgerechnet, dass Deutschland knapp 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung mehr investieren müsste, um seinen Rückstand aufzuholen", sagt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. "Das entspricht rund 100 Milliarden Euro jährlich, die der Staat und vor allem Unternehmen aufbringen müssten."

Warum sind Investitionen so bedeutend?

Investitionen sollen die Menschen in Zukunft produktiver und innovativer machen. Eine gut ausgebaute Infrastruktur ist die Grundlage dafür, dass sich Unternehmen ansiedeln und wachsen. Wer in die Bildung künftiger Generationen investiert, fördert die Fähigkeiten von jungen Menschen, die dem Land sonst fehlen würden. Forschung und Entwicklung machen die Unternehmen langfristig leistungsfähiger. Moderne Maschinen stärken die Wirtschaftskraft eines Landes. So will man sicherstellen, dass der Standort Deutschland auch in zehn oder 20 Jahren noch begehrt ist.

Für Deutschland geht es vor allem darum, die Nachteile des demografischen Wandels wettzumachen. "Da wir eine alternde Gesellschaft sind, werden wir künftig nur mit klugen Köpfen punkten können. Doch damit sie ihre Wirkung tatsächlich entfalten können, müssen wir dafür sorgen, dass es attraktiver wird, in Deutschland Produktionsstätten und Forschungseinrichtungen aufzubauen, vielleicht in der Nähe einer gut ausgestatteten und erfolgreichen Universität", sagt der Wirtschaftsweise Schmidt. So können die Investitionen von heute das Wachstum von morgen sichern. Zudem stoßen Investitionen auch kurzfristig die Konjunktur an: Wer eine Brücke baut, braucht Stahl, Beton und Arbeiter. Wenn der Staat heute Milliarden ausgibt, um Straßen zu verbessern, Brücken zu sanieren und mehr Lehrer einzustellen, wirkt sich das alsbald positiv auf das Wachstum aus. Denn diese Menschen haben dann eine Beschäftigung und sie können mehr Geld ausgeben.

Was ist wichtiger - öffentliche oder private Investitionen?

Allzu große Wunder sollte man sich von öffentlichen Investitionen nicht erhoffen: Der Staat investiert in diesem Jahr 68,2 Milliarden Euro, die gesamten nominalen Bruttoanlageinvestitionen privater Unternehmen werden sich dagegen wahrscheinlich auf 627,9 Milliarden Euro belaufen. Staatliche Investitionen machen also nur rund ein Zehntel aller Investitionen aus. Von einer Ausweitung der öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur, Bildung und anderes sind allein schon deshalb nur begrenzte Wachstumsimpulse zu erwarten.

Wieso investieren die Unternehmen so wenig in Deutschland?

Der Standort Deutschland ist anziehend: Die Rechtssicherheit ist hoch, die Menschen sind gut ausgebildet, die Infrastruktur ist - bei aller Kritik - noch immer gut in Schuss. Und doch ist das Land nicht attraktiv genug für private Investitionen: Allein in diesem Jahr macht der Kapitalexport 290 Milliarden Euro aus; er ist das Spiegelbild des gewaltigen Leistungsbilanzüberschusses. Die große Frage ist, warum die Unternehmen ihre Gewinne lieber im Ausland investieren als in Deutschland. "Dafür gibt es eine Fülle von Gründen, eigentlich erfreuliche, wie beispielsweise die Absicht, neue Märkte zu erschließen, aber auch weniger erfreuliche, wie etwa die abschreckende Wirkung hoher Energiekosten", sagt der Sachverständigenrats-Chef Schmidt. "Hier ist die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu verbessern." Wer in Deutschland nur unter Schwierigkeiten Gentechnik erforschen darf, geht in die USA. Und wer keinen Programmierer findet, der lässt die neue Software eben im Ausland entwickeln. Dort geht das oft günstiger. Das bedeutet, dass viele Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern. "In den vergangenen 15 Jahren haben die 20 größten Dax-Unternehmen im Ausland fast 50 Prozent Beschäftigung aufgebaut, im Inland aber zehn Prozent Beschäftigung abgebaut", sagt DIW-Ökonom Fratzscher.

Wie lassen sich Betriebe zu mehr Investitionen in Deutschland ermuntern?

Alle Maßnahmen, die Investitionen rentabler machen, sind geeignet. "Es ist Aufgabe des Staates, Unternehmen nicht höhere Hürden in den Weg zu legen als es im Ausland gibt", sagt Fratzscher. Es geht etwa um Genehmigungsverfahren, Regulierung, Steuern, digitale Netze, Verkehrswege, die Energiewende: Ohne eine kostengünstige Umstellung auf erneuerbare Energien und ohne einen schnellen Ausbau des Breitbandinternets wird sich Deutschland als Produktions- und Investitionsstandort nicht weiterentwickeln können.

Entscheidende Impulse können auch junge Unternehmen geben, die den technologischen Wandel beschleunigen und etablierten Konzernen Beine machen. Doch Start-ups fällt es oft schwer, ihr Wachstum zu finanzieren. "Wir haben ein riesiges Potenzial in Deutschland, das nicht gehoben wird, weil die steuerlichen Rahmenbedingungen es für Investoren unattraktiv machen, mit Eigenkapital in Start-ups zu gehen", sagt Fratzscher. "Die Politik tut hier deutlich zu wenig." Das Resultat? In andern Ländern gibt es deutlich mehr erfolgreiche Unternehmensgründungen als in Deutschland.

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Beklagt wird auch ein Mangel an Fachkräften: Viele Unternehmer fürchten, dass es künftig aufgrund der demografischen Entwicklung nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte geben wird; in einigen Branchen fehlen sie schon heute. Es muss also gelingen, mehr Frauen und älterer Arbeitnehmer für das Erwerbsleben zu begeistern. Helfen könnte auch die Stärkung naturwissenschaftlicher und technikorientierter Fächer im Schulsystem. Oder qualifizierte Zuwanderer.

Umstritten sind dagegen staatliche Subventionen für ganz bestimmte Zukunftsbereiche - wie etwa die Elektromobilität. Denn es ist fraglich, ob der Staat besser weiß als die Unternehmen, welche Technik morgen gefragt ist und welche nicht. Überhaupt sollte man eine Volkswirtschaft nicht mit einem Unternehmen verwechseln: Der Staat kann nur die Rahmenbedingungen setzen und darauf hoffen, dass die Unternehmer ihr Geld so investieren, dass am Ende alle davon profitieren.

Warum tut der Staat nicht mehr?

An Steuereinnahmen mangelt es bestimmt nicht, die sind hoch wie nie zuvor. Die öffentlichen Haushalte nehmen in diesem Jahr rund 20 Milliarden Euro mehr ein als erwartet. "Damit ließe sich ein Teil des Investitionsstaus locker beheben", sagt Fratzscher. "Leider wird jetzt aber über Steuersenkungen und Rentenerhöhungen geredet, was Wählerstimmen kauft, aber nicht der Zukunft hilft." Ein Hindernis für sinnvolle Investitionen ist die föderale Struktur Deutschlands: Mehr als die Hälfte der öffentlichen Investitionen werden von den Kommunen getätigt, von denen knapp 40 Prozent in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Zudem gibt es große Unterschiede in der Finanzausstattung zwischen den Ländern. Eine Reform des Länderfinanzausgleichs könnte die Voraussetzungen für mehr öffentliche Investitionen schaffen.

Schmidt mahnt allerdings an, dass mehr öffentliche Investitionen nicht zu mehr staatlicher Verschuldung führen dürften: "Der demografische Wandel kommt erst noch - und mit ihm weniger Wachstum und große Ausgabensprünge in den Sozialversicherungen", sagt der Chef der Wirtschaftsweisen und Präsident des RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Zudem dürften die Zinsen nicht ewig so niedrig bleiben und der Aufschwung, der die Staatskassen gerade füllt, geht auch irgendwann zu Ende.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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