Investition in Unruhe-Region:VW wagt sich in Chinas Nordwesten

Premierminister Wen Jiabao und Kanzlerin Angela Merkel sind dabei, als der Deal offiziell verkündet wird: Volkswagen will seine Position auf dem chinesischen Markt noch weiter steigern und baut ein weiteres Werk im Nordwesten Chinas. Der deutsche Konzern ist einer der ersten Autohersteller, der dort investiert - die Region gilt als unruhig.

Schon bisher war China der wichtigste Absatzmarkt: Knapp 1,4 Millionen Fahrzeuge hat Deutschlands größter Autokonzern mit seiner Marke VW im ersten Quartal dieses Jahres verkauft - mehr als 480.000 davon gingen nach China. Die Wolfsburger betreiben bereits jetzt zehn Werke in China, vier weitere sind in Bau.

China und die ausländischen Autobauer, das ist seit Jahren eine besondere Liaison. Ohne China und seine vielen Neureichen, die deutsche Autos ganz besonders schätzen, hätte es den jüngsten Aufschwung in der deutschen Autoindustrie so nicht gegeben. Jedes fünfte deutsche Auto wird inzwischen dort verkauft.

Jetzt weitet Volkswagen sein Engagement in der Volsrepublik aus: Im Nordwesten des Landes soll ein neues Werk entstehen. In Anwesenheit von Chinas Premierminister Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben VW-Chef Martin Winterkorn und Vertreter des chinesischen Partners SAIC Motor Corporation ein Abkommen unterzeichnet und damit den Weg für den Bau der neuen Fabrik frei gemacht.

Das Werk mit einer Investitionssumme von etwa 170 Millionen Euro soll in Ürümqi in der Region Xinjiang gebaut werden. Die geplante Fabrik ist mit einer Jahreskapazität von anfangs 50.000 Fahrzeugen zwar vergleichsweise klein, doch der Konzern will in dem von der Branche bislang kaum erschlossenen Gebiet in den kommenden Jahren mehrere Fabriken errichten.

Die neue Fabrik entsteht in einer Unruheprovinz

Der Schritt ist Teil der von Konzernchef Martin Winterkorn zu Jahresanfang auf der Automesse in Detroit angekündigten Strategie, den Westen Chinas für die Automobilindustrie zu erschließen. Zugleich verlängerte der Wolfsburger Konzern den Vertrag mit dem chinesischen Gemeinschaftsunternehmen FAW (First Automotiv Works) um weitere 25 Jahre. Dabei sollen die gemeinsame Forschung und Projekte zur Elektromobilität im Fokus stehen.

Zuvor hatten Wen Jiabao und Merkel auf der Hannover Messe einen Rundgang absolviert. China ist in diesem Jahr Partnerland der weltgrößten Industrieschau. In Peking findet gleichzeitig die Automesse statt.

Politisch ist der Bau eines Autowerkes in der Provinz Xinjiang durchaus heikel, denn dort gibt es Unruhen und ethnische Konflikte. Die mehrheitlich von den Uiguren, einem islamisch-türkischstämmigen Volk, bewohnte Region ist zwar das flächenmäßig größte autonome Gebiet Chinas. Die Uiguren fordern jedoch mehr Unabhängigkeit gegenüber Peking.

Beobachter sehen das verstärkte Engagement von VW auch als Entgegenkommen an die chinesische Führung, notierte das Handelsblatt: Demnach soll VW-Chef Winterkorn zusammen mit einer Handvoll weiterer Wirtschaftsführer der Bundeskanzlerin schon vor Monaten bei einem BDI-Treffen angekündigt haben, dass die Chinesen von seinem Konzern mehr Investitionen forderten. Ansonsten müsse man mit Schwierigkeiten rechnen. Lizenzen für den Bau von Autos könnten entzogen oder Baugenehmigungen nicht erteilt werden.

Wie schnell sich die Dinge in China ändern können, zeigte jüngst das Vorhaben der Regierung in Peking: Staatsbedienstete sollen demnach künftig einheimische Wagen fahren - zum Schutz der chinesischen Autoindustrie. Die Zeiten, in denen Parteikader mit ihrem bevorzugten Modell - der Langversion des Audi A6 - umherfahren und damit die Quartalszahlen des VW-Konzerns verbessern, könnten irgendwann vorbei sein.

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