Investieren in Russland:Zwischen El Dorado und Casino

Russland will das Vertrauen ausländischer Investoren zurückgewinnen - doch die Vergangenheit verfolgt auch den neuen Präsidenten auf Schritt und Tritt

Michael Bauchmüller und Sonja Zekri

Ob er noch einmal in Russland investieren würde? Richard Moncrief lacht kurz auf. "Ich glaube nicht, dass man mich ließe", sagt Moncrief in breitem Texanisch.

Er hat nämlich, vereinfacht gesagt, Ärger mit Russland, seit über zehn Jahren schon, seit er Geld in ein Ölfeld des heutigen Gazprom-Konzerns steckte. "Wir sind Ölleute", sagt Moncrief, Chef der gleichnamigen texanischen Ölfirma.

"Wir wissen, wie ein ehrliches Abkommen aussieht." Nur hielt sich die andere Seite nicht daran, sagt der Ölmann. Um mittlerweile zwölf Milliarden Dollar habe man ihn betrogen, die Summe steigt mit dem Ölpreis. Nun klagt er das Geld ein, aber nicht in Russland, sondern vor dem Berliner Landgericht; parallel versucht Moncrief es in Texas. Die Erfolgsaussichten sind allem Anschein nach bescheiden.

Politischer Prozess

Russland, das ist offenbar vor allem für Energieinvestoren ein Zwischending zwischen El Dorado und Casino. Alle hofften auf die Rohstoffmilliarden - aber nur wenige ausländische Geldgeber kamen so weit. Manchen erging es wie Moncrief - sie flogen einfach aus dem Rennen. Moncrief hatte Mitte der Neunziger Millionen in die Erschließung des Erdgasfeldes von Juschno Russkoje gesteckt. Nach eigenen Angaben sagte ihm die Gegenseite, eine Gazprom-Tochter, dafür 40 Prozent an dem Feld zu.

Inzwischen ist die deutsche BASF an dem Ölfeld beteiligt, nicht aber Moncrief. "Gazprom hat nicht einmal versucht, ihn zu kündigen", sagt er. Moncrief gründete eine deutsche Tochterfirma. Erfolglos hat er schon BASF und deren Tochter Wintershall zu verklagen versucht. Jetzt wartet er darauf, dass seine Klageschrift Gazprom überhaupt einmal zugestellt wird. Zuständig ist das russische Justizministerium, ein Zeitlimit gibt es nicht. "Das ist ein politischer Prozess", sagt einer der deutschen Anwälte Moncriefs. "Und er wird von den Russen politisch geführt."

Glaubt man Igor Schuwalow, gehören solche Übergriffe der Vergangenheit an. Schuwalow, Erster Vizepremier von Ministerpräsident Wladimir Putin und einst G-8-Sherpa, trat auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsgipfel mit einer Botschaft auf, die die Wirtschaftswelt in milde Begeisterung versetzte: "Wieder und wieder" müsse man sich ins Gedächtnis rufen, dass "der Schutz des Eigentums die wichtigste Aufgabe des Staates" sei, so Schuwalow. Der Staat müsse seinen Einfluss beschränken, die Zahl der Beamten an der Spitze der Staatskonzerne und der gigantischen Staatskorporationen verringern. Das klang gut.

Schuwalow gehört zu jenen Wirtschaftsliberalen, die unter Dmitrij Medwedjew, dem neuen "Manager-Präsidenten", auftrumpfen. Sie wissen, dass Russlands Wirtschaft ohne ausländische Investoren und Experten keine neuen Öl- und Gasquellen erschließen, sich nicht modernisieren kann. Sie wissen, dass ein ächzendes Bildungssystem und eine marode Infrastruktur, Ämterwillkür und Korruption Investoren abschrecken.

Kein Tag ohne Attacken

Die unheimlichste Unbekannte aber ist der Staat. Nichts illustriert das derzeit besser als der Fall TNK-BP. Einst war das britisch-russische Joint-Venture TNK-BP ein Vorzeigeobjekt für die Zusammenarbeit mit Investoren: Eine Hälfte der Aktien gehört der britischen BP, die andere aber einem Konsortium aus den drei russischen Unternehmern Michail Fridman, Viktor Wekselberg und Leonard Blavatnik.

Inzwischen vergeht kein Tag ohne Attacken, ohne sonderbare Wendungen. Die russischen Aktionäre werfen TNK-BP-Geschäftsführer Robert Dudley die einseitige Begünstigung der britischen Aktionäre vor, kündigten eine Klage gegen BP an wegen einer "illegalen" Aktionärsversammlung. BP hingegen spricht von "räuberischen Methoden". Am vorigen Dienstag jedenfalls war Dudley fünf Stunden lang zu einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung verhört worden.

Der Ausgang wird viel über das Investitionsklima in Russland sagen. Sollte am Ende eines der großen Staatsunternehmen wie Gazprom oder Rosneft profitieren, wären die Versprechen der Liberalen nicht das Papier wert, auf dem sie verbreitet wurden. Ein Einstieg Gazproms sei "das Schlimmste, was passieren kann", sagt Schuwalow.

"Russland ist ein schwieriges Land, aber noch lange nicht das schwierigste unter den Transformationsländern", sagt der Vertreter eines großen deutschen Konzerns in Russland: "Man muss den Ansprüchen des Marktes gewachsen sein, den wirtschaftlichen und den politischen." Allerdings lautet auch sein größter Wunsch: ein besseres Justizwesen.

Wladimir Putin hatte die neue Wirtschaftsmacht genutzt, um Russland weltweit Geltung zu verschaffen - unter strenger Kontrolle des Staates. Als Präsident hatte er vor kurzem ein Gesetz über die Begrenzung ausländischer Investitionen in 42 strategischen Branchen unterzeichnet. Das sollte einerseits Rechtsklarheit schaffen. Andererseits war es so weit gefasst, dass selbst russische Politiker die Hände über dem Kopf zusammenschlugen.

Walentin Sawadnikow, der Vorsitzende des Ausschusses für Industriepolitik im Föderationsrat, spottete, zu dieser Liste gehörten ja nicht nur Sicherheitsunternehmen, sondern auch Branchen, die aus reiner "Psychologie" aufgenommen wurden: "Als strategisch gilt da ein Wirtschaftsobjekt, wenn es mehr als eine bestimmte Anzahl Fotokopien im Monat macht. So etwas können nur Leute schreiben, die zu Sowjetzeiten Kopierer verboten haben!" Schuwalow sprach in Petersburg von einer Anweisung des Präsidenten, die Liste zu "verkürzen". Und die Wirtschaft schöpft vorsichtig Hoffnung.

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Zwischen El Dorado und Casino

Russlands Führung lockt mit phantastischen Wachstumsraten und riesigen Gewinnspannen. Derzeit liegt Russlands Volkswirtschaft auf dem 10. Platz, noch in diesem Jahr, so die Losung, werde man Großbritannien auf dem sechsten Platz ablösen, es in den nächsten zwölf Jahren sogar unter die ersten fünf schaffen. Doch nicht alle halten dies für realistisch. Jim O'Neill, Chefökonom von Goldman Sachs, prophezeit einen achten Platz bis 2020. Mehr nicht.

Und die Vergangenheit ist düster. Im November wird der Ständige Schiedshof in Den Haag eine andere unangenehme Geschichte aufrühren: die zwangsweise Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos. Die Yukos-Nachfolgerin GML, inzwischen eine leere Hülle mit finanzkräftiger Unterstützung, will die Föderation dort in die Knie zwingen.

Streitwert nach vorsichtiger Schätzung: 50 Milliarden Euro. Kern des Streits ist die Europäische Energiecharta, die Russland zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert hat - und die eigentlich Investoren vor staatlichen Eingriffen schützen soll. "Russland hat die Charta gebrochen", sagt GML-Chef Tim Osborne. "Auch wenn sie sagen, sie hätten nur innere Angelegenheiten verfolgt." Damals sei es nur darum gegangen, ausländische Investoren aus dem Chodorkowskij-Unternehmen fernzuhalten. Doch selbst wenn GML Recht bekommt - es wäre der Auftakt einer Prozessflut, um überhaupt an Geld zu kommen.

Osborne selbst war übrigens länger nicht mehr in Russland zu Besuch. "Ich bewege mich nur noch durch Länder, die mir sichere Passage garantieren", sagt er. Denn in Russland ermitteln die Behörden gegen den GML-Chef wegen angeblicher Steuerhinterziehung - in manchen Dingen nehmen sie es eben doch sehr genau.

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