Süddeutsche Zeitung

Interview: Opel-Chef Reilly:"Wir schließen kein Werk in Deutschland"

Opel-Chef Nick Reilly über sein schnelles Gewinnstreben, Kommunikationsprobleme mit General Motors - und die Krux mit dem ramponierten Image.

M. Beise, K.-H. Büschemann u. T. Fromm. Mit Video.

Nick Reilly hat sich Zeit genommen für das Gespräch mit der SZ. Er gibt seine Antworten ruhig, lässt sich kaum Regungen anmerken. Er zeigt sogar ein wenig Selbstkritik und bedauert, dass er kaum Deutsch spricht. Das wäre ein Vorteil im Umgang mit Mitarbeitern, räumt er ein. Erst kürzlich habe er in zwei Fabriken eine Rede auf Deutsch gehalten. Es sei sogar ganz gut gelaufen, meint er. Wo immer er war, habe er gute Kontakte zu den Arbeitnehmern aufgebaut.

SZ: Mister Reilly, Sie sind seit Januar Opel-Chef. Herr Brüderle hat die Bürgschaften abgelehnt, die Verhandlungen mit den Gewerkschaften waren zäh. Haben Sie die Nase voll von Deutschland?

Nick Reilly: Nein, überhaupt nicht. Verhandlungen sind immer ein Geben und Nehmen, unser Bürgschaftsantrag wurde abgelehnt. Das Schlimme war, dass sich alles so lange hinzog. Deutschland ist unser Zuhause, da kann ich nicht sagen, dass wir die Nase voll haben.

SZ: Eine diplomatische Antwort?

Reilly: Nein, es ist die Wahrheit. Aber ich gebe zu: Ich dachte, es wäre einfacher, die Bürgschaften aus Berlin zu bekommen.

SZ: Obwohl Sie keine Staatshilfen bekommen, wollen Sie in Deutschland keine Opel-Werke schließen und es bei den angekündigten 4000 Stellenstreichungen belassen. Wie soll das gehen?

Reilly: Der Plan steht und er wird nicht verändert. Es ist der beste Sanierungsplan für Opel. Und General Motors wird alles alleine finanzieren.

SZ: Opel hat im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Autos gebaut, ihre Kapazitäten liegen bei 1,6 Millionen Autos. Wie können Sie da sagen, dass Sie kein Werk schließen?

Reilly: Wir schließen ein Werk, nämlich in Antwerpen. Und wir reduzieren 30 Prozent unserer Kapazität in Bochum - und in anderen Werken, wie etwa in Spanien, reduzieren wir auch.

SZ: Können Sie garantieren, dass kein deutsches Werk geschlossen wird?

Reilly: Was passiert, wenn wir noch einmal in eine schwere Rezession rutschen, kann ich Ihnen heute nicht sagen. Aber wir gehen eher davon aus, dass die Märkte wieder anziehen. Wir planen in Deutschland keine Werksschließungen.

SZ: Das Problem ist, dass viele Opelaner der Konzernmutter General Motors nicht mehr vertrauen. Im vergangenen Jahr wollten Sie Opel zunächst an den Zulieferer Magna verkaufen, dann hieß es plötzlich, Sie wollten Opel behalten. Vor ein paar Wochen zogen Sie dann alle Anträge auf Staatshilfen in Europa zurück, nachdem Sie monatelang dafür getrommelt hatten. Mit Verlaub - man ist in Deutschland gewohnt, dass das Wort von GM nicht viel gilt.

Reilly: Widerspruch. GM wollte Opel nie verkaufen. Es gab eine Zeit, in der GM Opel zum Verkauf stellen musste, weil der Konzern insolvent war. Da hatten wir gar keine andere Wahl: Schließen oder abgeben. GM kam schneller als erwartet aus der Insolvenz heraus, so konnten wir Opel - zum Glück - behalten.

SZ: Und die Sache mit der Staatshilfe?

Reilly: Nach der Absage der Bundesregierung hätten wir mit den Bundesländern die ganze Sache noch einmal von vorne aufrollen müssen. Das hätte zu lange gedauert. Sie fragen mich, ob die Opelaner GM vertrauen können. Meine Antwort: GM investiert über dreieinhalb Milliarden Euro in Opel, die der Konzern auch für andere Dinge ausgeben könnte. Genügt das als Antwort?

SZ: Konnten Sie Ihren Kollegen in Detroit eigentlich erklären, wie die Dinge in Deutschland laufen?

Reilly: Nein, nicht wirklich. Magna sollte für den Fall einer Opel-Übernahme Bürgschaften bekommen, GM nicht. Das können Sie niemandem erklären.

SZ: Hat sich die Regierung auch deswegen so verhalten, weil Ihre Wettbewerber gute Lobbyarbeit gegen Opel gemacht haben?

Reilly: Das will ich nicht hoffen. Ich war überrascht, dass einige unserer Wettbewerber mit dem Thema Stimmung gegen uns gemacht haben.

SZ: Sie wollen 2011 wieder Gewinne mit Opel machen. Wird das ein nachhaltiger Erfolg sein?

Reilly: Vor 2011 wird es keine wirkliche Erholung am Automarkt geben. Und 2012 werden wir mit einer erneuerten Modellpalette am Markt sein. Immerhin investieren wir elf Milliarden Euro bis 2014 und erneuern damit 80 Prozent unseres Produktportfolios. Einfach wird es nicht, 2011 schwarze Zahlen zu schreiben, die Sanierung kostet viel Geld. Wir rechnen mit einer schwarzen Null vor Sondereffekten für das Gesamtjahr.

SZ: Ihre Wettbewerber in Deutschland erleben gerade wieder einen Boom, weil sie viele Autos in China und den USA verkaufen. Dort sind Sie aber nicht nennenswert vertreten. Steckt Opel in der Europa-Falle?

Reilly: Nein. Es ist eines meiner Ziele, Exportmärkte für Opel zu erschließen, etwa China, wo GM die Nummer Eins ist. Opel verkauft jetzt schon Autos dort, aber wir können richtig expandieren, wenn wir unser Angebot vergrößern. Das wollen wir tun. In den nächsten fünf Jahren bewegen wir uns noch vorwiegend auf dem europäischen Markt, und da werden wir uns behaupten.

SZ: Ihr Marktanteil in Europa ist von einst 17 Prozent auf nur noch sieben Prozent gesunken. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Reilly: Von unseren Produkten. Wir sagen den Leuten: kommt und testet uns. Ihr werdet überzeugt sein. Es gibt viele Opel-Kunden, die in den vergangenen Jahren die Seite gewechselt haben. Viele von denen möchten wir zurückholen. Natürlich kriegen wir nicht alle. Wir glauben an unsere Technologiekompetenz und werden Anreize für sie bieten.

SZ: Finanzielle Anreize?

Reilly: Ich kann da nicht näher ins Detail gehen, aber wir werden uns in den nächsten Wochen und Monaten einiges einfallen lassen. Lassen Sie sich überraschen.

SZ: Das wird richtig viel kosten. Ihr Hauptproblem ist doch das Image. Wie viel Zeit haben Sie, dieses zurückzugewinnen?

Reilly: Es geht schnell, ein Image zu zerstören. Aber es dauert lange, es wieder aufzubauen.

SZ: Haben Sie denn die Zeit dafür?

Reilly: Sie haben eine sehr deutsche Perspektive. Hier in Deutschland hat das Opel-Image sehr gelitten; außerhalb von Deutschland so gut wie gar nicht. Ich denke, wir werden vier bis fünf Jahre brauchen, um wieder dahin zu kommen, wo wir einst waren.

SZ: Es muss frustrierend sein: Sie haben gute Autos, können Sie aber nicht verkaufen, weil das Image so mies ist.

Reilly: Natürlich ist das so. Wir sind aber zuversichtlich, weil wir hart an uns arbeiten und die beste Produktpalette in der Opel-Geschichte haben.

SZ: Umfragen zeigen, dass vor allem junge Leute keinen Opel wollen.

Reilly: Das wird sich ändern. Ich bin überzeugt, dass unser neues Elektrofahrzeug Ampera mit seiner bahnbrechenden Technologie vor allem junge Leute anspricht, weil die ein ganz besonders ausgeprägtes Umweltbewusstsein haben. Außerdem wird es auch einen schicken Kleinstwagen und andere lifestyle-orientierte Produkte geben.

SZ: Betriebsratschef Klaus Franz hat vorgeschlagen, den Kultwagen Manta wiederzubeleben. Eine ernsthafte Idee?

Reilly: Bei Coupés haben wir noch eine Lücke im Portfolio. Die wollen wir schließen. Wie das Fahrzeug dann heißen wird, lassen wir noch offen.

SZ: Sind sie zum Opelaner geworden?

Reilly: Meine Philosophie ist: Da, wo ich arbeite, ist mein Lebensmittelpunkt. Mein Hauptaugenmerk liegt auf Opel. Das ist auch im Interesse von GM. Wenn ich nach Detroit fahre, bringe ich eine Opel-Perspektive mit.

SZ: Wie ist ihre Beziehung zum Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Franz?

Reilly: Am Anfang war es eine schwierige Beziehung, aber ich hatte immer viel Verständnis für ihn und seine Rolle bei Opel. Er spielt eine sehr wichtige Rolle. Im Laufe der Zeit haben wir ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Wir brauchen uns gegenseitig.

SZ: Klaus Franz verkörperte lange wie kein anderer das Misstrauen der Opelaner gegenüber dem US-Mutterkonzern. Steht er wirklich auf Ihrer Seite?

Reilly: Franz weiß, wie ich an anderer Stelle gearbeitet habe. Er weiß, dass ich für die Sache von Opel eintrete. Er hat das beobachtet und wir vertrauen uns gegenseitig. Das bedeutet im Übrigen nicht, gegen Detroit zu arbeiten, warum auch? Opel zieht großen Nutzen aus dem globalen Verbund mit GM.

SZ: Ist das hier Ihre bisher schwierigste Aufgabe?

Reilly: Es ist auf jeden Fall ein harter Job. Das alles hier ist kein Spaziergang und ich bin mir voll und ganz der Verantwortung für alle Opelaner bewusst.

SZ: Mit welchen Autos wollen Sie Opel in den nächsten Jahren wieder erfolgreichr machen?

Reilly: Das Wachstum wird auch in Zukunft von Corsa, Meriva, Astra und Insignia kommen. Es ist noch Platz für einen Opel unterhalb des Corsas, als modisches Auto für junge Leute. Das wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wir hätten auch gerne ein Fahrzeug oberhalb des Insignia. Aber das hat momentan sicher nicht die höchste Priorität.

SZ: Sie sind als Manager in der Welt weit herumgekommen. Wie schwierig ist es für Sie, mit der deutschen Mitbestimmung zurechtzukommen?

Reilly: Mir hilft, dass ich in vielen verschiedenen Kulturen gearbeitet habe. Ich habe gelernt, dass keine Kultur immer nur Recht hat und keine Kultur immer nur im Irrtum ist. Wenn man Gast ist, wird man nicht erwarten, dass der Gastgeber seine Kultur ändert. Ich versuche zu verstehen, wie die Deutschen ticken - und ein guter Mitbürger zu sein.

SZ: Wie viel Zeit haben Sie? Wann wird es aus der GM-Zentrale in Detroit heißen: Schluss jetzt!

Reilly: Schluss womit?

SZ: Schluss mit Opel.

Reilly: Ich kann Ihnen sagen, dass der Druck groß ist. Wir sind der einzige Teil von GM, der kein Geld verdient. Nachdem GM entschieden hat, die Zukunft von Opel selbst zu finanzieren, sind die Erwartungen hoch. Es ist keine Frage von zwei Jahren, eher von sechs bis neun Monaten, in denen Fortschritte erkennbar sein müssen.

SZ: Und wenn das nicht klappt?

Reilly: Dann suche ich mir einen neuen Job (lacht). Aber machen Sie sich keine Sorgen, wir schaffen das.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2010/hgn
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