Interview mit Viktor Vekselberg:Was ist schon dieses Silicon Valley?

Straßen, Gebäude, Universität - der russische Milliardär Viktor Vekselberg plant das Mammut-Projekt Skolkowo, eine ganze Stadt auf der grünen Wiese. Welche Konsequenzen der geplante Wechsel von Medwedjew zu Putin für das Projekt hat und welche Rolle der Freistatt Bayern spielt.

Hans-Jürgen Jakobs und Jennifer Lange

Das Wort "Oligarch" mag er gar nicht. Das klingt ihm zu sehr nach Macht, nach politischem Einfluss. Viktor Vekselberg, 54, sieht sich als Finanzinvestor, doch das ist untertrieben. Der gelernte Ingenieur und Computerexperte, im ukrainischen Drohobych geboren, war in der alten Sowjetunion Forschungsdirektor eines Instituts. Von Forbes wurde er im Jahr 2010 in der Hitparade der Superreichen mit mehr als sechs Milliarden Dollar als Nummer 113 gezählt. Er gehört zu den fünf reichsten Russen. Seine Beteiligungsfirma Renova mischt in der Schweiz, wo er lebt, bei Oerlikon und Sulzer mit. Auch hat Renova mit Aluminium, Erdöl, Strom, Immobilien und Nanotechnologie zu tun. Der Familienvater (zwei Kinder) baut derzeit für die Regierung in Moskau das Technologiezentrum Skolkowo auf.

Viktor Vekselberg

Viktor Vekselberg Viktor Vekselberg

(Foto: picture alliance / dpa)

SZ: Herr Vekselberg, Ihr großes Thema ist das russische Vorzeigeprojekt Skolkowo bei Moskau. Ende 2010 kündigten Sie an, immer zu liefern, was Sie versprechen. Der Baubeginn steht aber erst jetzt an. Liefern Sie pünktlich?

Vekselberg: Es gibt keine Verzögerung. Das virtuelle Skolkowo-Center wurde vergangenes Jahr eröffnet und auf dieser Plattform tut sich schon einiges. Im nächsten Jahr werden wir Straßen und Gebäude bauen. 2014 wird dann, wie geplant, ein Teil der Universität seinen Betrieb aufnehmen können. Natürlich gibt es da noch einige offene Fragen, es ist schließlich ein für uns komplett neues Projekt. Und nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt. Es gibt nirgendwo so etwas. Auch Silicon Valley in den USA kann man nicht damit vergleichen.

SZ: Der Plan ist, auf der grünen Wiese ein riesiges Forschungs- und Entwicklungszentrum aufzubauen mit vielen Firmen und Forschern, sozusagen eine kleine neue Wirtschaftsstadt für sich.

Vekselberg: Und da gibt es viele Herausforderungen. Das Wichtigste für uns ist, dass die Leute uns vertrauen. Dass sie an den Erfolg glauben. Wir wollen in zehn, zwanzig Jahren beweisen, dass junge Leute dank Skolkowo ein erfolgreiches Geschäft aufbauen können. Die besten Talente sollen im Land bleiben.

SZ: Noch träumen diese jungen talentierten Russen von Erfolgen in den USA, in Deutschland, in England.

Vekselberg: Wir wollen sie behalten. Schon jetzt kommen viele Start-up-Firmen zu uns, um die Zusammenarbeit zu suchen. Die Neugier liegt weit über meinen Erwartungen. Wir haben 10 000 Nachfragen und 1000 offizielle Anträge. 200 Firmen sind bereits registriert. Wir sind da sehr effizient. Vom Antrag bis zum Start vergehen oft weniger als zwei Wochen.

SZ: Und da sind die Erfolgsprodukte von morgen dabei?

Vekselberg: Wir arbeiten mit vielen Firmen und Experten zusammen. Diese Jungunternehmer haben vielversprechende Ideen. Mehr als 100 Unternehmen haben bereits offiziellen Teilnehmerstatus. Sie haben allein 2010 von uns 200 Millionen Euro Fördergelder für ihre Forschung und Entwicklung erhalten. Das Wichtigste ist das positive Umfeld, die Community, die wir schaffen. Schauen Sie, der Chef einer dieser Firmen kam direkt von seiner Hochzeitszeremonie mit seiner Braut zu uns, um wichtige Papiere in Empfang zu nehmen. Das ist Einsatz.

SZ: Ihr Enthusiasmus in allen Ehren. Aber ausgerechnet Ihr wichtigster Freund, Staatspräsident Dmitrij Medwedjew, wird sich künftig nicht mehr wie bisher für Skolkowo einsetzen können. Sein Nachfolger Wladimir Putin hat andere Projekte im Blick.

Vekselberg: Medwedjew hat bei uns eine offizielle Position, er ist der Chef des Aufsichtsrats unserer Stiftung. Ich bin absolut sicher, dass er in dieser Funktion bleibt, auch wenn er Ministerpräsident wird. Putin mag in diesem Projekt nicht so aktiv erscheinen, aber er unterstützt uns voll und ganz. Ich habe mehrfach mit ihm darüber gesprochen.

SZ: Viele, die das Projekt beobachten, zweifeln an Putins Hilfswillen.

Vekselberg: Putin hat vor sechs Jahren das Programm zur Modernisierung Russlands initiiert. Dazu gehört Skolkowo. Die Idee ist, wegzukommen von der Rolle als Lieferant von Öl und Gas und unsere Abhängigkeit von Rohstoffen zu reduzieren. Wir müssen eine neue Industrie aufbauen und die Chancen der Informationstechnologie und anderer Zukunftsmärkte nutzen. Russland ist mittendrin in diesem Wandel. Skolkowo ist das erste Projekt dieser Art. 20 000 Menschen werden dort einmal auf fast 400 Hektar arbeiten. In Zukunft wird es noch viele weitere solche Projekte geben.

"Wir müssen die russische Mentalität langsam ändern"

SZ: Wie viel Zeit stecken Sie in das Unternehmen Skolkowo?

Vekselberg:Viele Stunden. Ich schätze, 75 Prozent meiner Zeit. Ich habe eine Reihe von Posten aufgegeben, um mehr Zeit in Skolkowo investieren zu können.

SZ: Machen Sie das, weil Sie ein guter Russe sein wollen, ein echter Patriot?

Vekselberg: Für mich persönlich ist das sehr interessant. Skolkowo beschäftigt sich mit fünf Märkten: Energie, IT, Biomedizin, Raumfahrt und Nukleartechnologie. Sie dürfen nicht vergessen: Ich mache viel Geschäft in diesen Segmenten. Die Modernisierung der russischen Volkswirtschaft ist eine Riesenchance. Ich habe mich in dieses Projekt verbissen, selbst wenn Freunde manchmal zu mir sagen: "Bullshit!" Solche Herausforderungen liebe ich. Ich will zeigen, dass es geht.

SZ: Wie wichtig ist Deutschland für das Projekt?

Vekselberg: Sehr wichtig. Wir brauchen für Skolkowo die Expertise aus diesem führenden Industrieland. Wir wollen aus Fehlern lernen und schnell vorankommen. Eine besonders enge Beziehung haben wir zu Siemens, einem der großen, weltweiten Player.

SZ: Gibt es neben Siemens schon andere deutsche Partner?

Vekselberg: Es sollten möglichst viele sein, vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Wir können ihnen helfen. Skolkowo ist eine Plattform und keine Profit-Organisation. Ein Ziel ist, die Skolkowo Universität für Wissenschaft und Technologie groß zu machen. Wir kooperieren bereits mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), wünschen uns aber auch deutsche Lehrstätten als Partner, etwa das Max-Planck-Institut.

SZ: Und da soll der Freistaat Bayern helfen? Eine gemeinsame Arbeitsgruppe ist eingerichtet.

Vekselberg: Ja, ich verspreche mir viel davon. Natürlich ist Deutschland ein sehr demokratischer Staat und der öffentliche Einfluss auf Firmen, mit uns etwas zu machen, ist deshalb gering. Aber wir sehen die bayerische Regierung in der Rolle eines Koordinators, eines Brokers für Information. Sie kann Verbindungen anbahnen.

SZ: Was sind die größten Hindernisse aus Ihrer Sicht?

Vekselberg: Gute Frage. Das fehlende Geld ist es nicht. Das Wichtigste ist, dass Vertrauen zu dem Projekt entsteht, Vertrauen in das Umfeld und die politische Stabilität. Das ist eine Frage des kulturellen Systems. Nur wenn das stimmt, kommen junge Wissenschaftler und Unternehmen, um mit dem russischen Staat zusammenzuarbeiten. Es ist kein Problem, Labors und Firmengebäude physisch zu bauen. Das Schwierige ist, den richtigen Spirit, den richtigen Geist zu haben.

SZ: Und was soll das sein?

Vekselberg: Die russische Mentalität langsam zu ändern. Auf Dynamik zu setzen, Bürokratie und Korruption zu überwinden.

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