Interview mit Bernd Kundrun:"Youtube ist doch ein Klamauk-Dampfer"

Der Chef des Verlages Gruner + Jahr, über die Konkurrenz im Internet, die Entwicklung bei "Stern", "FTD" und "Brigitte" - und die Zukunft des Journalismus.

Interview: Caspar Busse

SZ: Herr Kundrun, die Konjunktur in Deutschland läuft rund. Wie sehr spürt das auch das größte Verlagshaus, G+J?

"Youtube ist doch ein Klamauk-Dampfer"
(Foto: Foto: AP)

Kundrun: Im vergangenen Jahr war die Anzeigenkonjunktur in Deutschland insgesamt sehr positiv. Januar und Februar 2007 verliefen dagegen verhalten, seit März spüren wir wieder eine Belebung. Mit einer Prognose für das Gesamtjahr bin ich aber vorsichtig.

SZ: Warum?

Kundrun: Eine Rolle spielt sicherlich die allgemeine Kaufzurückhaltung in Folge der Mehrwertsteuererhöhung. Aber das ist eine Momentaufnahme, kein langfristiger Trend. Das Anzeigengeschäft entwickelt sich insgesamt immer kurzfristiger.

SZ: Kein guter Start für 2007. Aber 2006 konnten Sie Umsatz und Gewinn steigern.

Kundrun: Wir haben ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis erreicht. Gruner + Jahr hat im vergangenen Jahr einen Umsatzsprung hingelegt, das größte Wachstum aller deutschen Verlagshäuser erzielt und seinen Marktanteil ausgebaut. Auch mit dem Ergebnisplus, das den Umsatzanstieg noch übertrifft, bin ich sehr zufrieden. Dabei sind Aufwendungen für neue Titel, die Ausgaben für unsere Multimediaoffensive und Anlaufverluste für eine Druckerei in Liverpool bereits enthalten. Gruner + Jahr ist in einer ausgezeichneten Verfassung.

SZ: Gab es auch Sondereinflüsse?

Kundrun: Es gibt eine ganze Reihe positiver und negativer Sondereffekte auf unser Ergebnis. Belastend wirkten Restrukturierungsaufwendungen in einigen Märkten und Abschreibungen. Dem gegenüber steht ein Sondererlös aus einem Immobiliengeschäft.

SZ: Aber die Zahl der neuen Titel ging 2006 zurück. Wurden die Investitionen zurückgefahren?

Kundrun: Nein, wir haben 2006 2,2 Prozent vom Umsatz in neue Titel investiert, 2005 waren es nur 1,9 Prozent. Gruner + Jahr hat damit seit 2003 weltweit fast 60 Titel auf den Markt gebracht, im vergangenen Jahr waren es elf.

SZ: Und wie sieht es 2007 aus?

Kundrun: Die verlegerischen Investitionen werden wieder bei etwa zwei Prozent liegen. Geld und Anstrengung werden wir jetzt aber weniger in neue Titel, sondern vor allem - im Rahmen unseres Expand your Brand-Programmes (Markenerweiterung, d.Red.) - in die Entwicklung unserer Marken investieren.

SZ: Wo lief es 2006 besonders gut?

Kundrun: In unseren beiden wichtigsten Märkten, Deutschland und Frankreich, haben wir zweistellige Renditen erwirtschaftet. Die Motorpresse Stuttgart erreichte ein Rekordergebnis. Viele unserer etablierten Titel waren sehr erfolgreich unterwegs. Der Stern erzielte das beste Ergebnis seiner Geschichte. Das freut uns sehr, denn der Wettbewerb ist gerade in diesem Segment scharf.

SZ: Wie gut war der Stern denn?

Kundrun: Ergebniszahlen zu Einzeltiteln nennen wir grundsätzlich nicht. Wir konnten aber angesichts der guten Marktposition des Stern Preiserhöhungen durchsetzen, sowohl beim Verkaufspreis als auch bei den Anzeigenpreisen. Wir hatten ein sehr gutes Anzeigenaufkommen.

SZ: Aber die Auflage des Stern entwickelt sich doch alles andere als gut?

Kundrun: Generell stagnieren die Auflagen aller aktuellen Magazine. Aber es ist eine Menge im Gang: Das Online-Angebot stern.de wird ganz neu aufgestellt. Hier investieren wir einige Millionen.

SZ: Also eine Art Revival des Stern?

Kundrun: Der Stern war wirtschaftlich immer stark. Jetzt gibt es für die Redaktionen aller Titel eine neue Herausforderung. Sie werden Inhalte nicht mehr nur für das gedruckte Blatt produzieren, sondern für alle medialen Kanäle.

SZ: Ist das neue Wochenmagazin Vanity Fair eine Gefahr?

Kundrun: Nein.

SZ: Wie sieht es mit einem anderen Klassiker aus - der Brigitte?

Kundrun: Brigitte ist eine unserer stärksten Marken. Der Wettbewerb bei Frauenzeitschriften ist groß. In den vergangenen zehn Jahren hat sich im Markt die Zahl der Frauen-Titel verdoppelt, bei konstanter Gesamtauflage. Brigitte hat sich sehr gut behauptet. Brigitte Woman zählt mittlerweile zu den größten Frauenzeitschriften. Derzeit bringen wir die Marke Brigitte auch multimedial voran.

SZ: Welche Strategie steckt dahinter?

Kundrun: Das Leistungsversprechen unserer vielen und gut eingeführten Marken darf beim gedruckten Heft nicht aufhören. Die Vitalität der Marken muss auf alle multimedialen Kanäle übertragen werden. Das veränderte Nutzungsverhalten der Leserinnen und Leser greifen wir auf, indem wir überall Angebote machen. Ziel ist eine enge Vernetzung mit der Zielgruppe. Ich empfinde das nicht als Bedrohung. Wir müssen den Wandel umarmen.

SZ: Wie kann das gelingen?

Kundrun: Unser Magazin Neon beispielsweise ist im Internet im ständigen Dialog mit den Leserinnen und Lesern. Damit können wir auf neue Themen und Stimmungen schnell reagieren. Es entsteht eine Symbiose. Der Effekt ist, dass die Auflage der gedruckten Version von Neon steigt.

SZ: Sie haben vor einem Jahr diese Strategie unter dem Slogan "Expand your Brand" gestartet. Wenn das ein 100-Meter-Lauf wäre: Wie weit sind Sie?

Kundrun: Wir haben bisher vielleicht 25 Meter geschafft. Das ist nicht einfach mal so eben umzusetzen. Wir müssen uns öffnen und dabei auch interne Widerstände und Bedenken überwinden. Es geht darum, die Qualität und die Relevanz der Marken in ein verändertes Medienumfeld zu übertragen.

SZ: Sind Ihnen Angebote wie die Videoplattform Youtube nicht überlegen?

Kundrun: Youtube ist doch ein Klamauk-Dampfer, der sicher faszinierendes Entertainment bietet - auf den ersten Blick. Mittelfristig - da bin ich sicher - wird sich ein Abnutzungseffekt einstellen. Die großen Communities werden schnell in kleinere, inhaltlich spezialisierte Einheiten zerfallen. Die Kunden wollen ein ernsthafteres, qualitatives Angebot. Dafür stehen unsere großen Marken.

SZ: Ist denn im Internet überhaupt Geld zu verdienen?

Kundrun: Ich glaube, das ist zunehmend möglich. Wir haben im Online-Geschäft bereits satte Umsatzsteigerungen, wenn auch von einem geringem Niveau ausgehend. Und die Entwicklungskosten sind relativ überschaubar. Nicht zu vergleichen etwa mit dem Start eines neuen Titels, dessen Start alleine oft einen zweistelligen Millionenbetrag kostet.

SZ: Was bedeuten die Veränderungen für die Journalisten?

Kundrun: Ich glaube, das Berufsbild des Journalisten wird sich neu definieren. Die journalistische "Toolbox", also der Werkzeugkasten, wird stark erweitert. Das hat es vorher nicht gegeben.

SZ: Wird Print ganz verschwinden?

Kundrun: Überhaupt nicht. Das ist kein Gegensatz, das Internet könnte die Printlandschaft sogar neu inspirieren. In den USA starten schon neue Magazine, die aus Internet-Communities entstanden sind. Gruner + Jahr plant beispielsweise jetzt ein Ebay-Magazin.

SZ: Wie viel investieren Sie in das Expand-your-Brand-Programm?

Kundrun: Das werden insgesamt 30 bis 50 Millionen Euro pro Jahr sein. Bis wir die 100 Meter erreicht haben, wird es aber noch drei bis vier Jahre dauern. Vielleicht legen wir aber auch einmal einen Zwischenspurt ein.

SZ: Sie spielen wohl auf Zukäufe an. Andere Verlage investieren, Holtzbrinck etwa hat das Studentenportal StudiVZ übernommen. Planen Sie Akquisitionen?

Kundrun: Ich schließe das nicht aus, wir haben das ja auch schon getan, wie der kürzliche Erwerb des Entertainment Media Verlag beweist. Zukäufe wird es aber nur geben, wenn unsere Strategie dadurch direkt unterstützt wird, also unsere starke Marken gefördert werden. Große Zukäufe wie zuletzt der Verlag Motorpresse in Stuttgart stehen zurzeit nicht an.

SZ: Gruner + Jahr ist auf Zeitschriften konzentriert. Bei Zeitungen sind Sie nur in Dresden mit der Sächsischen Zeitung und der Morgenpost sowie bei der Financial Times Deutschland (FTD) engagiert. Stehen die Zeitungen zur Disposition?

Kundrun: Nein. An unserem Zeitungsgeschäft halten wir fest. Die Zeitungen sind multimedial gut unterwegs, da können wir viel lernen.

SZ: Wie sieht es bei der Financial Times Deutschland aus, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat?

Kundrun: Die FTD hat sich im Markt voll etabliert. Natürlich werden bei allen Blättern auf mittlere Sicht Auflage und Anzeigen nicht in den Himmel wachsen. Darauf muss man reagieren, etwa indem man die Aufwandseite stetig im Blick be-hält. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Das Anzeigengeschäft der FTD war 2006 sehr gut, der Start ins Anzeigenjahr 2007 war verhalten. Seit März beobachten wir aber auch hier deutliche Aufwärtsbewegungen.

SZ: Wird das Konzept einer Wirtschafts-Tageszeitung überprüft?

Kundrun: Nein. Die FTD steht nicht in Frage. Da sind wir mit unserem Partner Pearson, der die andere 50 Prozent an der FTD hält, voll auf einer Linie. Die Partnerschaft ist sehr erfolgreich.

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