Interview Lanxess-Chef:"Vergleiche die Situation mit einem Tsunami"

Der Lanxess-Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann bereitet seine Mitarbeiter auf harte Zeiten in der Chemieindustrie vor.

Karl-Heinz Büschemann und Caspar Busse

Axel Heitmann, 49, muss die Bayer-Ausgliederung Lanxess durch die tiefe Wirtschaftskrise führen und stimmt die Mitarbeiter nun auf harte Einschnitte ein. Der promovierte Naturwissenschaftler hat vor 20 Jahren bei Bayer angefangen. Seit vier Jahren führt er Lanxess, hat den Konzern in dieser Zeit umgebaut und Sparprogramme umgesetzt.

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(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Herr Heitmann, BASF macht ein Viertel der Chemieproduktion dicht und führt Kurzarbeit ein, der US-Chemiekonzern Lyondell-Basell ist pleite, Dow schließt 20 Werke, Lanxess muss Investitionen verschieben. Was ist los in der Chemieindustrie?

Axel Heitmann: Wir sind über Nacht abgestürzt. Das gilt nicht nur für die Chemie, sondern auch für andere Branchen, zudem auch noch weltweit und in einem noch nie dagewesenen Maße. Die Verbraucher sind in einen kollektiven Käuferstreik getreten. Sie verschieben den Kauf von Autos oder Möbeln. Dieser Trend wird sich vielleicht noch verschärfen. Ich würde die Situation mit einem Tsunami vergleichen, auch in der Chemieindustrie.

SZ: Wie lange wird das noch dauern?

Heitmann: Das wissen wir nicht. Wir haben es mit einem Stau zu tun, wie man ihn auf der Autobahn vor einer Engstelle erleben kann. Der baut sich derzeit auf. Der Verkehr fließt aber nicht sofort wieder normal, sobald die Verengung der Fahrbahn beendet ist. Der Rückstau wird noch einige Zeit nachwirken.

SZ: Muss der Staat jetzt auch Chemieunternehmen wie Lanxess retten?

Heitmann: Nein. Dieses Unternehmen ist vor vier Jahren als Ausgliederung aus dem Bayer-Konzern in schwierigen Zeiten angetreten und hat ganz bewusst Strukturen geschaffen, die es ihm erleichtern, diese Krise zu meistern. Wir haben unsere Ergebnisse Jahr für Jahr verbessert. Und wir sind solide finanziert. Lanxess ist krisenerprobt.

SZ: Dafür ist Ihr Aktienkurs aber reichlich stark abgestürzt.

Heitmann: Wir können uns dem Sog des gesamten Kapitalmarktes nicht entziehen, obwohl wir auch gute Nachrichten haben: Wir haben unsere Gewinnziele für 2008 aus heutiger Sicht erreicht. Und es wird auch wieder aufwärts gehen. Davon bin ich fest überzeugt: Ich habe gerade für zwei Millionen Euro Lanxess-Aktien gekauft und dafür sogar einen Kredit aufgenommen.

SZ: Sie haben immer gesagt: ,Das Dach soll ausgebessert werden, wenn die Sonne scheint.‘ Ist das Unternehmen ausreichend geschützt gegen das, was noch kommen mag?

Heitmann: Wir haben in den vergangenen vier Jahren einiges getan, doch das wird sicher nicht ausreichen. Wir haben deshalb gerade einen Krisenstab gegründet, der sich mit den Auswirkungen des Nachfragerückgangs auf unser Geschäft auseinandersetzt. Diesen Krisenstab leite ich. Er erarbeitet jeden Tag Vorschläge, wie auf die Veränderungen der Nachfrage zu reagieren ist, diese liegen in einigen Bereichen bei bis zu minus 50 Prozent. Wir dürfen keine Zeit verlieren.

Auf der nächsten Seite: Wie viel Kapazitäten bereits stillgelegt wurden

SZ: Wie viel Kapazität haben Sie bei Lanxess schon stillgelegt?

Heitmann: Wir haben in einigen Bereichen die genutzte Kapazität um bis zu 80 Prozent reduziert, in anderen Bereichen um etwa ein Viertel.

SZ: Das muss doch zu Personalabbau führen.

Heitmann: Wir werden erst mal in einigen Bereichen Kurzarbeit einführen. Wir suchen gerade im Gespräch mit den Arbeitnehmervertretern nach Lösungen. Wo es keine Nachfrage gibt, gibt es keine Produktion, also keine Arbeit. Das kann man für eine gewisse Zeit überbrücken, zum Beispiel durch Abbau von Überstunden.

SZ: Was muss noch kommen?

Heitmann: Weil davon auszugehen ist, dass die schwache Nachfrage anhält, müssen wir aber weitere Instrumente nutzen. Da hat Lanxess Erfahrung: Wir haben in der Vergangenheit die wöchentliche Arbeitszeit für alle reduziert. Wir haben die variablen Anteile der Bezahlung gekürzt. Auch ich als Vorstandsvorsitzender habe über drei Jahre auf 20 Prozent meines variablen Gehalts verzichtet. Dieser Solidarpakt hat uns zusammengeschweißt und den Umbau von Lanxess erleichtert.

SZ: Schließen Sie Arbeitsplatzabbau aus?

Heitmann: Es geht darum, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten und die Last, die 2009 ohne Zweifel bringen wird, auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Ich will aber nicht ausschließen, dass es notwendig ist, zu härteren Maßnahmen zu kommen, wenn sich diese Krise weiter verschärft. Ich kann keine Garantien geben, wenn es auch für Aufträge keine Garantien gibt. Betriebsbedingte Kündigungen sind das letzte Mittel.

SZ: Ist es richtig, dass der Staat taumelnden Unternehmen unter die Arme greift?

Heitmann: Alles ist zu begrüßen, was in den Märkten wieder Vertrauen schafft.

SZ: In Krisenzeiten sind Unternehmen billig. Lanxess wollte sich immer verstärken. Könnten Sie sich vorstellen, jetzt Firmen zu kaufen?

Heitmann: Wir sind gut beraten, in dieser Situation sehr vorsichtig zu sein. Jetzt müssen wir unsere Wettbewerbsposition erhalten. Dazu müssen wir uns auf die eigenen Kräfte konzentrieren. Sollte sich eine günstige Gelegenheit ergeben, würden wir zugreifen.

SZ: An der Börse ist Lanxess gerade mal eine Milliarde Euro wert. Sind Sie ein Übernahmekandidat?

Heitmann: Eine erfolgreiche Geschäftspolitik ist das beste Mittel, Übernehmer abzuwehren. Im Übrigen haben wir einen soliden Aktionärskreis, manche Investoren halten bis zu zehn Prozent der Aktien. Die denken langfristig.

SZ: Die Bundesregierung hat ein Konjunkturprogramm von 50 Milliarden Euro aufgelegt. Hilft Ihnen das, oder ist das Verschwendung von Steuergeld?

Heitmann: Das Programm enthält eine Reihe von Maßnahmen, die der deutschen Industrie zugute kommen werden. Investitionen in die Infrastruktur und den Straßenbau nutzen gerade der chemischen Industrie. Investitionen in Verkehrswege oder Telekommunikation und Ausbildung helfen der gesamten Industrie. Das ist genau das richtige Mittel zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

SZ: Derzeit plant Lanxess den Umzug der Zentrale von Leverkusen nach Köln. Können Sie sich das noch leisten?

Heitmann: Der Umzug wird um ein Jahr auf 2012 verschoben. Ich will, dass sich jetzt alle Mitarbeiter um das Geschäft kümmern und nicht um einen Umzug oder Neubau.

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