Süddeutsche Zeitung

Interview:"Höchstmaß an Autonomie"

Tobias Warweg baut eine Holding für Versicherungsmakler auf.

Von Marc Beise und Herbert Fromme, Köln

SZ: Herr Warweg, Sie waren bis April 2020 Vorstand beim Versicherer HDI. Das hätten Sie weitermachen können. Stattdessen haben Sie ein neues Unternehmen gegründet und müssen sich mit den egomanischen Eignern kleiner und mittlerer Maklerfirmen rumschlagen, die Sie übernommen haben. Warum?

Warweg: Ich teile Ihre Einschätzung keineswegs. Ich höre seit Jahren von Maklern, Kunden und Versicherern immer wieder die Frage, wie heute ein Maklerunternehmen aufgestellt sein müsste. Mich hat fasziniert, dass niemand ein Modell hatte, wie es mit den Maklern weitergeht.

Da sind Sie selbst aktiv geworden. Was ist Ihre Vision?

Wir bauen den führenden inhabergeführten Versicherungsmakler für den deutschen Mittelstand auf, nicht mehr und nicht weniger.

Was unterscheidet Sie von Marktgrößen wie Aon, Marsh oder Ecclesia, die ja auch Firmen übernehmen?

Wer von ihnen gekauft wird, gibt seine unternehmerischen Freiheiten auf, er muss sich in ein Korsett klemmen.

Ist das bei Ihnen wirklich anders?

Wir haben eine Holding, der alle Maklerfirmen gehören. Unternehmer, die ihre Firmen einbringen, bleiben dort Geschäftsführer un werden gleichzeitig Gesellschafter der Holding. Ihnen gehört ein Teil der gesamten Firma, und das dauerhaft.

Kann das funktionieren?

Das sind alles erfolgreiche Unternehmer. Von ihren Qualitäten soll die gesamte Gruppe profitieren. Das schafft einen Mehrwert für alle.

Worüber können sie denn noch bestimmen in ihren Unternehmen, die jetzt zum großen Verbund gehören?

Wir fällen strategische Entscheidungen auf Holding-Ebene, aber wir garantieren den Unternehmern ein Höchstmaß an Autonomie. Sie können zum Beispiel ihre IT behalten oder eine bessere wählen. Es gilt: so viel Freiheit wie möglich, so viel Gemeinsamkeit wie nötig.

Wo liegen die Vorteile?

Wir habe als fünftgrößtes Maklerunternehmen einfach mehr Gewicht bei den Versicherern, also mehr Einkaufsmacht. Das ist gerade in der heutigen Situation von großer Bedeutung, schließlich erhöhen die Versicherer die Preise drastisch und kürzen Kapazitäten. Außerdem kann man sich gegenseitig unterstützen.

Sie haben gerade den Hamburger Traditionsmakler Gossler, Gobert und Wolters gekauft, in der Branche als GGW bekannt. Jetzt heißt Ihre Firma GGW Holding. Wollen Sie von dem guten Namen profitieren?

Tatsächlich hat Gossler, Gobert und Wolters einen ausgezeichneten Ruf bei Kunden, Versicherern und Maklern. Davon profitieren wir.

Der Private-Equity-Investor HG Capital finanziert Sie. Die Summe nennen Sie nicht.

Weil wir Verschwiegenheit vereinbart haben. Nur soviel: Wir haben uns nicht auf eine feste Summe geeinigt, das würde uns ja extrem einschränken. Wir arbeiten mit HG Capital, weil dies eine ideale Kombination ist.

Aber solche Investoren wollen doch irgendwann aussteigen, so ein Zyklus dauert meist fünf Jahre.

Nicht bei uns. HG Capital finanziert uns dauerhaft. Wir reden nicht über Zyklen, sondern über Generationen.

Warum ist das Geschäftsmodell attraktiv für die Investoren?

Ein Makler hat wiederkehrende Einnahmen, und wenn er gut ist, behält er auch seine Kunden. Das gibt einen stetigen Einnahmestrom.

Sie wollen die IT in Ihrer Gruppe nicht vereinheitlichen. Ist das in Zeiten der Digitalisierung nicht ein grober Fehler?

Wir denken vom Kunden her. Was hilft ihm wirklich, was braucht er tatsächlich, wovon profitiert er? Es gibt für mich keinen Nachweis, dass es irgendeinen Vorteil gibt, die IT zu vereinheitlichen. Im Gegenteil, es ist teuer und keineswegs besser für Makler und Kunden.

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