Interview am Morgen: Luftfahrt:"Alle kämpfen heute um jeden Passagier"

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Flugzeuge der insolventen Fluggesellschaft werden jetzt genau wie frühere Germania-Routen unter den ehemaligen Konkurrenten aufgeteilt. (Foto: dpa, Bearbeitung SZ)

Nach Air Berlin ist nun auch Germania pleite. Luftfahrt-Experte Ulrich Schulte-Strathaus erklärt, warum in der Luft so extremer Wettbewerb herrscht - und ob die Flugpreise jetzt steigen.

Interview von Jens Flottau

Die Fluggesellschaft Germania ist pleite, obwohl der Markt an sich wächst. Ulrich Schulte-Strathaus, Chef der Unternehmensberatung Aviation Strategy and Concepts, erklärt, ob die Großen die Kleinen am Flugmarkt verdrängen und ob die Preise für Flüge jetzt steigen.

SZ: Germania ist Pleite - was sind die wirklichen Ursachen?

Ulrich Schulte-Strathaus: Der Markt von Germania wurde von Wettbewerbern billiger oder besser bedient. Germania hat sich nicht der neuen Marktstruktur angepasst. Der Erfolg von Airlines hängt heute von finanzieller Robustheit, Größe, operationeller Flexibilität und niedrigen Kosten ab. Der Kostendruck ist wiederum durch den gestiegenen Kerosinpreis gewachsen.

Es gab eine Zeit, da hatte Germania eine Nische, und konnte quasi unbehelligt von Wettbewerbern gedeihen. Aber Germania hat sich nicht rechtzeitig umgestellt. Alle kämpfen heute um jeden Passagier auf jeder Strecke. Auch Lufthansa schaut inzwischen auf die Kosten einer jeden Strecke, nicht nur auf die Rentabilität des Netzwerkes.

Und die Germania tat sich schwer, weitere Investoren zu finden, eben weil es hierzu eines robusten Geschäftsmodells bedarf, das diesen Veränderungen Rechnung trägt - und das hatte Germania nicht.

Insolvente Fluggesellschaft
:Pleite von Germania hat bittere Auswirkungen

Nicht nur die Passagiere und Gläubiger der Fluggesellschaft haben nun das Nachsehen, sondern auch zahlreiche Flughäfen, für die Germania wichtig geworden ist.

Von Jens Flottau

Es scheint so, als würden derzeit viele Airlines vom Markt verschwinden. Warum eigentlich, der Markt wächst doch?

Und etliche Fluggesellschaften kommen neu dazu, von denen manche recht schnell wieder verschwinden. Hinzu kommt eben jene "operationelle Flexibilität", von der ich sprach. Also, die Fähigkeit, schnell von einer weniger rentablen Strecke auf eine profitablere umzusteigen. Der Markt ist also nicht statisch, sodass man gewissermaßen ablesen kann, wie viele Fluggesellschaften nun weniger fliegen. Einige Märkte in Europa werden von europaweit aufgestellten Airline-Gruppen massiv bedient; etliche Strecken werden von europaweit operierenden Billiganbietern bedient. Ryanair befördert pro Jahr immerhin über 130 Millionen Passagiere in Europa. Sieht man von diesen pan-europäischen Großen ab, stehen etwa 120 Airlines im Wettbewerb um die verbleibenden 39% des gesamten europäischen Marktes. Das heisst also, eine Germania scheidet aus, ihre Strecken werden von neuen Anbietern übernommen und gerade weil der Markt wächst, haben viele Anbieter weiteres Fluggerät gekauft oder geleased. Der Preisdruck steigt also. Da relativiert sich der Marktaustritt von Germania recht schnell.

Wer profitiert von den Pleiten? Werden die Großen immer mächtiger?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Sind die Strecken zum Beispiel im Prinzip rentabel, aber es wurde ein für die Streckenlänge oder die Marktgröße ungeeignetes Fluggerät eingesetzt, dann wird ein Wettbewerber mit geeignetem Gerät die Strecken aufnehmen; oder zu einem marktgerechteren Preis. Waren die Strecken nicht rentabel, weil die Kosten zu hoch waren, dann wird der Wettbewerber, ob groß oder klein, weiterhin die Strecke profitabel bedienen. Es muss aber nicht zwangsläufig immer ein "Grosser" sein; Strecken können durchaus interessant sein für einen Nischenanbieter, der sein - kleineres - Netz eben gerade durch die neuen Strecken hervorragend ergänzen kann.

Richtig ist aber, dass auf Dauer die Großen Skaleneffekte erzielen: Nachlässe beim Kauf von Flugzeugen, beim Kauf von Kerosin erhalten und Finanzreserven haben, um auch Wirtschaftsflauten abfedern zu können, sodass auf Dauer ein funktionierender Markt effiziente Nischencarrier, Billiganbieter und Netzwerkbetreiber überleben lässt.

Problematisch wird es dann, wenn Strecken unterbedient sind, weil es sich um periphere, kleine Märkte handelt. So ähnlich wie Autobahnen gebaut werden, die an Dörfern vorbeiführen, so konzentriert sich der Wettbewerb auf ertragreiche Strecken. Cyprus Airways, oder die estnische Fluggesellschaft Estonian Airlines gingen pleite; was passiert nun, wenn weder die "Großen", noch die kleineren sich für diese Strecken interessieren? Souveräne EU Staaten haben dann keine direkte Fluganbindung mehr?

Müssen die Verbraucher höhere Flugpreise fürchten, wenn immer weniger Anbieter einen immer größeren Marktanteil haben?

Ja, ich denke schon, dass die Preise dort ansteigen, wo es der Markt erlaubt. Aber gegen echten Missbrauch der Marktmacht gibt es ja recht strenge Wettbewerbsregeln.

Aber bedenken Sie bitte, dass die Liberalisierung der Märkte zu erheblichen Preissenkungen geführt hat. 1992, als die Liberalisierung losging, kostete ein Flug von Milan nach Paris mindestens 400 Euro, heute mindestens 25. Also für eine Familie von vier Personen ging der Preis von 1600 auf 100 Euro.

Für Passagiere ist besonders ärgerlich, dass sie gegen Airline-Insolvenzen nicht geschützt sind. Was spricht eigentlich gegen eine Versicherung wie bei den Reiseveranstaltern üblich?

Na ja, bieten Sie mal ein Ticket an und sagen dazu, als Verkaufsargument, dass Sie gegen Insolvenz versichert sind. Wenn das nicht üblich ist, kommt das nicht so gut rüber. Wenn sich alle Airlines versichern müssten, würde ich mich als solides, gut finanziertes Unternehmen fragen, was denn der Mehrwert einer solchen Versicherung für meine Kunden sein soll. Es gibt allerdings durchaus solche Versicherungsprodukte im Markt, die vom Kunden gekauft werden können. Und was den gestrandeten Passagier angeht, so werden diese von Wettbewerbern, sofern Plätze verfügbar sind, wieder nach Hause geflogen.

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