Interview: Beiersdorf-Chef Quaas:"Die Haut ist doch überall gleich"

Beiersdorf-Chef Thomas-Bernd Quaas über Nivea, teures Marketing - und Nationaltrainer Jogi Löw.

C. Busse u. K. Läsker

Die Beiersdorf-Zentrale liegt mitten in einem Hamburger Wohngebiet. Hier, an der heutigen Unnastraße, stand vor mehr als hundert Jahren schon die Apotheke von Paul C. Beiersdorf. Vorstandschef Thomas-Bernd Quaas hat sein Büro im obersten Stock, man kann den Michel und schemenhaft im Regen die Kräne des Hafens sehen. Quaas ist ganz Verkäufer, in einem Glasschrank stehen die wichtigsten Produkte seines Hauses. Die bekannteste Marke ist Nivea. Während des gesamten Gesprächs spielt Quaas mit einer kleinen blau-weißen Nivea-Dose. Der Fußballfan ist Anhänger des FC Bayern.

Beiersdorf, Foto: dpa

Thomas-Bernd Quaas:

Jogi Löw ist sehr bekannt, wir halten ihn als Typ für authentisch.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Quaas, die Fußball-WM in Südafrika steht vor der Tür. Wer wird Weltmeister?

Thomas-B. Quaas: Ich bin Oberpatriot, natürlich muss Deutschland ins Finale kommen. Deutschland ist eine Turniermannschaft, die steigert sich von Spiel zu Spiel.

SZ: Sie sind ja wirklich ein Optimist. Aber das wäre ja auch im Interesse von Beiersdorf, Bundestrainer Joachim Löw ist Werbeträger für die neue Nivea-Kampagne, Sie zahlen ihm angeblich mehr als eine Million Euro. Warum gerade Löw?

Quaas: Jogi Löw ist sehr bekannt, wir halten ihn als Typ für authentisch. Er steht für ein gepflegtes Äußeres. Das ist ein überzeugender Faktor in der einmaligen Werbekampagne für die Männerprodukte von Nivea. Außerdem finde ich es toll, wenn ein Trainer oder Vorgesetzter jungen Leuten etwas zutraut und wenn er nicht gleichzeitig alle erfahrenen Leute aufs Altenteil schiebt.

SZ: Das könnte schnell umschlagen, wenn zum Beispiel das deutsche Team früh ausscheidet und Löw dafür verantwortlich gemacht wird.

Quaas: Das glaube ich nicht. Der Erfolg der Nationalmannschaft bei der WM wird Nivea nicht beeinflussen. Unser Ziel ist, die Männerpflege von Nivea nach vorne zu bringen.

SZ: Pflegen sich Männer zu wenig?

Quaas: Beiersdorf hat die Männerpflege genau genommen erfunden. Wir wussten aus Befragungen, dass Männer sich, wenn überhaupt, mit Nivea eincremen. Oder sie greifen am Wochenende in die teuren Tiegel der Partnerin. Deshalb haben wir Nivea for Men entwickelt, so ist ein neuer Markt entstanden.

SZ: Welche Creme benutzen Sie eigentlich am Morgen?

Quaas: Ich probiere natürlich alles aus, nehme aber auch sehr gern die ganz klassische Nivea-Creme.

SZ: Die blaue? Die ist doch zäh und fettig im Gesicht.

Quaas: Das stimmt nicht. Diese Creme bietet maximale Pflege, nach einem langen Flug mit trockener Luft beispielsweise ist eine Maske mit dieser Creme ein besonderes kosmetisches Vergnügen.

SZ: Sie nutzen die Basiscreme für ein paar Euro und die anderen Männer sollen teure Antifalten-Cremes kaufen?

Quaas: Jeder soll das Nivea-Produkt benutzen, das er will. Nehmen Sie das Aftershave Balsam, das hinterlässt ein angenehmes Gefühl. Da gibt es nicht mehr dieses Brennen, das der Cowboy der Vergangenheit so gerne hatte.

SZ: Die Marke Nivea gilt als solide, aber unspektakulär. Sie ist in die Jahre gekommen und langweilig. Warum?

Quaas: Das Unspektakuläre der Marke Nivea ist gerade das Spektakuläre. Das muss man erst mal hinkriegen. Nivea soll nicht irgendetwas Glamouröses sein. Die Marke steht seit 99 Jahren für Verlässlichkeit, das schafft Vertrauen, weltweit. Das ist für mich spektakulär.

SZ: Wollen Sie keine coolen Cremes und Duschgele verkaufen?

Quaas: Natürlich wollen auch wir frisch und modern sein. Kontinuität und Innovation immer wieder auszubalancieren, das ist das Geheimnis der Marke.

SZ: Es fällt auf, dass nur noch wenige Nivea-Produkte blau-weiß sind, die Packungen sind bunter geworden und gleichen denen der Konkurrenz. Hat Nivea die Unverwechselbarkeit verloren?

Quaas: Wir ändern das gerade wieder. Wenn Sie unsere neuen Produkte und unsere Werbung anschauen, dann sehen Sie, dass wir uns auf unsere Kernwerte konzentrieren. Die Dosen und Tiegel werden wieder blau und weiß sein.

SZ: Wie viel Geld stecken Sie in Marketing?

Quaas: Wir investieren 36 Prozent des Umsatzes in unsere Marken, auch und gerade in wirtschaftlich etwas turbulenteren Zeiten.

SZ: 2009 war für Beiersdorf ein sehr schlechtes Jahr, Anfang 2010 haben Sie Ihre Erwartungen auch nicht erreicht. Wann geht es wieder aufwärts?

Quaas: 2009 war ein Krisenjahr für Beiersdorf, das habe ich in meinen 30 Jahren im Konzern noch nicht erlebt. Insgesamt haben wir uns im Marktumfeld gut gehalten. Auf dem deutschen Markt hatten wir sogar noch eine positive Entwicklung - auch dank einer offensiven Werbekampagne für das gesamte Nivea-Sortiment.

SZ: 2010 soll der Konzernumsatz wieder steigen, stärker als der Markt. Was haben Sie sich vorgenommen?

Quaas: Ich erwarte ein Marktwachstum zwischen zwei und drei Prozent, das werden wir übertreffen. Aber es gibt eine Menge von Unwägbarkeiten. Letztes Jahr ist eine große globale Verunsicherung entstanden, die Griechenland-Krise belastet, hoffentlich gibt das keinen Flächenbrand.

SZ: Als Sie vor fünf Jahren als Chef angetreten sind, haben Sie versprochen, bis 2010 wird der weltweite Marktanteil bei 5,5 Prozent liegen. Warum haben Sie das nicht erreicht?

Quaas: Durch das Krisenjahr 2009 ist vieles durcheinander geraten. 2009 hatten wir schon einen Marktanteil von etwa fünf Prozent, damit haben wir einen Riesenschritt vorwärts gemacht. 5,5 Prozent bleiben für mich ein Ziel.

SZ: Das zweite kleinere Geschäft von Beiersdorf ist Tesa, der Bereich hat zuletzt besonders gelitten und sich nun wieder erholt. Ist der Verkauf für immer vom Tisch?

Quaas: Die entscheidende Maßnahme war vor einigen Jahren, die Geschäfte völlig voneinander zu trennen. Tesa ist seitdem eigenständig, hat eine eigene Struktur, einen eigenen Vorstand und konzentriert sich auf industrielle Kunden. Es war frappierend, wie sofort nach der Trennung die Erfolgsgeschichte von Tesa wieder begann. Natürlich war das vergangene Jahr schwer - aber Tesa ist schon wieder auf Erfolgskurs. Wir haben keinen Grund, uns von Tesa zu trennen.

SZ: Müssen Sie weitere Arbeitsplätze streichen - bei Tesa oder im Rest des Konzerns?

Quaas: Wir haben eine vernünftige Struktur. Aber natürlich werden immer Möglichkeiten geprüft, die Effizienz zu steigern. Wir zeichnen uns auch dadurch aus, nicht Ewigkeiten zu warten, sondern früh genug zu handeln. Im Moment steht aber nichts an.

Wann kommt die erste Frau in den Nivea-Vorstand

SZ: Zurück zu Nivea: In Europa, dem mit Abstand wichtigsten Markt für Sie, läuft es besonders schlecht. Was tun Sie dagegen?

Thomas-Bernd Quaas, Foto: dpa

Thomas-Bernd Quaas: Durch das Krisenjahr 2009 ist vieles durcheinander geraten.

(Foto: Foto: dpa)

Quaas: Die gute Nachricht ist: Die Haut ist überall gleich. Aber die Gewohnheiten der Verbraucher sind weltweit, auch in Europa, viel unterschiedlicher als vermutet. Wir werden jetzt jeden einzelnen Markt speziell angehen. In England etwa setzen wir in unserer Werbung wieder auf die klassischen Nivea-Produkte. In Spanien bewerben wir wegen der starken Konkurrenz durch billige Handelsmarken lieber unsere günstigen Produkte.

SZ: Als Reaktion auf die Probleme haben Sie die Führungsspitze umgebaut, es soll demnächst einen eigenen Europa-Vorstand geben. Bis wann wollen Sie fündig werden?

Quaas: Zum Zeitpunkt gebe ich keinerlei Kommentar, Qualität geht vor Hektik.

SZ: Was macht die Suche so schwierig?

Quaas: Ich habe nicht gesagt, dass die Suche schwierig ist, wir sind nur mitten im Umbau.

SZ: Beiersdorf ist ein Kosmetikkonzern, die Produkte werden meist von Frauen gekauft. Haben Sie denn schon mal daran gedacht, eine Frau in den Vorstand zu holen?

Quaas: Ich würde gerne eine Frau im Vorstand sehen, das ist eine Frage der Kandidatenliste. Es gibt wunderbare Managerinnen auf der ganzen Welt. Bei uns im Haus gibt es in der Führungsebene unterhalb des Vorstands 24 Prozent Frauen. Es ist eigentlich nur ein Zufall, dass im Vorstand noch keine sitzt.

SZ: Angeblich hat Großaktionär Michael Herz, der mit seiner Holding Maxinvest die Mehrheit an Beiersdorf besitzt, sehr auf den Umbau gedrängt. Wir groß ist der Druck?

Quaas: Es gibt bei Beiersdorf einen intensiven Dialog zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Und wenn sich aus diesen Gesprächen wie zuletzt die Idee entwickelt, die strategischen Maßnahmen mit organisatorischen Veränderungen zu begleiten, umso besser.

SZ: Wie oft treffen Sie sich mit Vertretern der Familie Herz?

Quaas: Wir sehen uns allein für die Beiersdorf AG bei Aufsichtsratssitzungen vier Mal im Jahr, dann gibt es verschiedene Ausschüsse und weitere Gremien; man trifft sich sehr häufig, es ist ein intensiver Gedankenaustausch.

SZ: Es heißt, Sie müssten einmal die Woche zum Rapport bei Michael Herz antreten?

Quaas: Das ist Blödsinn. Wir haben einen entspannten und intensiven Dialog. Herz ist ein echter Geschäftsmann, der persönlich tief in den Geschäften seiner Unternehmen steckt, und der sich aktiv in die Diskussionen einbringt.

SZ: Ist die Familie Herz angenehmer als etwa ein Finanzinvestor?

Quaas: Ich habe noch nicht viel anderes erlebt. Ich sehe aber, wie es bei anderen Firmen zugeht. Bei uns gibt es eine grundsätzliche Übereinstimmung, die lautet: Macht das Unternehmen wertvoller und peitscht nicht einfach die Rendite hoch.

SZ: Aber Gewinn ist wichtig. Die Umsatzrendite sollte auf 15 Prozent steigen, das ist in weiter Ferne. Was planen Sie?

Quaas: Für 2010 wollen wir im Beiersdorf-Konzern eine Rendite von deutlich über elf Prozent erreichen.

SZ: Das klingt sehr zurückhaltend. Im ersten Quartal lagen Sie schon bei zwölf Prozent.

Quaas: Wir betrachten nicht die einzelnen Quartale, sondern das ganze Jahr. Quartalsergebnisse hängen zu stark davon ab, wann welche Marketingaktion läuft und wann welche Produkte eingeführt werden.

SZ: Die Familie Herz gilt als sparsam. Die Folge ist: Sie sind einer der am schlechtesten bezahlten Dax-Chefs. Wurmt Sie das?

Quaas: Das ist eine sehr persönliche Frage. Auch ich kenne die Zahlen und weiß, was anderswo möglich ist. Aber ich mache meine Arbeit einfach gerne - und wir sind ja noch ein junger Dax-Wert.

SZ: Zurück zum Fußball - fiebern Sie als Hamburger eigentlich für den HSV oder für St. Pauli?

Quaas: Weder noch, ich bin Bayern-Fan. Die sind frisch, dynamisch und professionell. Als Hamburger freue ich mich aber, dass wir jetzt mit zwei Clubs in der Bundesliga sind. Ich habe mir einen Riesen-Bildschirm gekauft, und davor sitzen wir jetzt mit meinen Söhnen und ihren Freunden am Samstag und schauen Fußball.

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