Schlecker-Prozess:"Ich kann den Insolvenzgläubigern nur sehr wenig Hoffnung machen"

Plädoyers im Prozess gegen Schlecker

Geiwitz zu dem Geld, das die Familie Schlecker offenbar gezahlt hat, um das Gericht milde zu stimmen: "Vier Millionen Euro sind - ohne Wenn und Aber - sehr viel Geld. Wir haben die Beträge zugunsten der Gläubiger vereinnahmt und gebucht."

(Foto: dpa)

Am heutigen Montag wird das Urteil im Schlecker-Prozess gesprochen. Insolvenzverwalter Geiwitz spricht im "Interview am Morgen" darüber, wie es mit den Überresten der Drogeriekette nun weitergeht.

Von Stefan Mayr

Arndt Geiwitz, 48, ist Insolvenzverwalter der Drogeriemarktkette Schlecker. Im Auftrag des Amtsgerichts versucht der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater aus Neu-Ulm, aus den Überresten des Unternehmens möglichst viel Geld zusammenzusammeln und an die Gläubiger zu verteilen.

Zu diesem Zweck hat er auch mehrere Schadenersatzklagen gegen beteiligte Firmen diverser Kartelle eingereicht. In diesen Kartellen haben Kaffeeröster bis hin zu Herstellern von Drogerieartikeln die Preise miteinander abgesprochen - zum Schaden ihrer Kunden wie dem Schlecker-Konzern mit seinen Tausenden Filialen in ganz Europa.

Am Montag verkündet das Landgericht Stuttgart sein Urteil gegen den gefallenen Firmenchef Anton Schlecker und seine Kinder Lars und Meike. Ihnen werden Bankrott und Untreue vorgeworfen. Die Süddeutsche Zeitung sprach mit Geiwitz darüber, ob die mehr als 20 000 arbeitslos gewordenen Schlecker-Verkäuferinnen noch Chancen auf eine Entschädigung haben - und wie das Insolvenzverfahren weitergeht.

Herr Geiwitz, nach acht Monaten geht der Strafprozess gegen die Familie Schlecker zu Ende. Das Insolvenzverfahren läuft nun schon fast sechs Jahre. Wie lange wird es noch dauern?

Arndt Geiwitz: Ohne die Kartellverfahren wären wir in zwei Jahren durch. Aber mit dem Risiko, dass wir uns durch die Instanzen prozessieren müssen, könnte sich das Insolvenzverfahren deutlich verlängern. Ich gehe davon aus, dass es insgesamt noch vier bis fünf Jahre dauern wird.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Zuletzt haben Ihnen die Schleckers aus eigenen Stücken nochmals vier Millionen Euro überwiesen, nachdem sie bereits 2013 mehr als zehn Millionen Euro zurückerstattet hatten. Mit den vier Millionen wollen die Schleckers offenbar das Gericht milde stimmen. Wie groß ist der Einfluss dieser Summe auf die Insolvenzmasse?

Vier Millionen Euro sind - ohne Wenn und Aber - sehr viel Geld. Wir haben die Beträge zugunsten der Gläubiger vereinnahmt und gebucht. Insgesamt liegen die Forderungen aber bei 1,3 Milliarden Euro.

Wie viel Geld haben Sie insgesamt schon eingetrieben und weiterverteilt?

Die Einnahmen liegen in einem mittleren dreistelligen Millionenbereich. Die Ermittlung der Quote und die Verteilung vorhandener Gelder finden erst nach Verfahrensabschluss statt. Zahlungen gingen bislang an Gläubiger mit Sicherungsrechten - vor allem Lieferanten. Nach Verfahrensabschluss werden erst die Schlecker-Mitarbeiter und die anderen sogenannten Masseverbindlichkeiten entschädigt. Und nur, wenn dann noch Geld im Topf ist, kommen die mehr als 22 000 Insolvenzgläubiger zum Zug.

Wie viel Geld wird noch dazukommen?

Schlecker wurde durch Kartellabsprachen verschiedener Lieferanten massiv geschädigt. Wir gehen gegen die Beteiligten aus fünf Kartellen gerichtlich vor, darunter sind Hersteller von Kaffee, Zucker, Süßwaren, Drogerieartikeln und Waschmitteln. Insgesamt belaufen sich diese Forderungen auf mehr als 300 Millionen Euro.

Wie groß sind die Erfolgsaussichten dieser Klagen?

Die Kartelle sind eindeutig belegt, das Bundeskartellamt und die EU-Kommission haben bereits entsprechende Bußgelder verhängt. Fraglich ist also nicht die Schuld der Kartellteilnehmer, sondern nur noch die Schadenshöhe für Schlecker.

Sind die 300 Millionen Euro eine Maximalforderung - und man wird sich am Ende außergerichtlich einigen?

Die Schadenersatzforderungen beruhen auf sehr komplexen, aber im Kartellrecht absolut üblichen Berechnungsmodellen. Mit den beklagten Kartellteilnehmern haben wir schon vor Einreichung der Klagen Gespräche gesucht. Diese führten zu keiner Einigung, weshalb wir die Klagen überhaupt einreichen mussten. Diese laufen nach wie vor und unverändert. Es gab zwischenzeitlich umfangreiche Schriftsätze und Gutachten. Das ist bei Klagen dieses Ausmaßes auch völlig normal. Aber wir gehen davon aus, dass im Frühjahr 2018 die mündlichen Verhandlungen bei den Gerichten beginnen werden.

Wie viel Geld werden die ehemaligen Mitarbeiterinnen noch bekommen?

Durch die Kartellklagen besteht für sie die realistische Chance, zum Ende des Verfahrens Geld zu erhalten. Bei ihren Forderungen handelt es sich um Masseverbindlichkeiten. Und die muss ich als Insolvenzverwalter vorrangig vor den über 22 000 Insolvenzgläubigern bedienen.

Wie hoch ist der Anspruch der ehemaligen Mitarbeiter?

Auch das geht in den dreistelligen Millionenbereich. Detail-Summen zu Forderungen einzelner Gläubigergruppen veröffentlichen wir grundsätzlich nicht, solange die Vorgänge nicht abgeschlossen sind.

Woraus bestehen die Forderungen der Mitarbeiter?

Als Schlecker zu Ende Juni 2012 geschlossen werden musste, sind die Mitarbeiter freigestellt worden. Aber natürlich stand ihnen bis zu drei Monate Kündigungsfrist zu. In dieser Zeit bezahlte die Bundesagentur für Arbeit zwischen 60 und 66 Prozent des Arbeitsentgeltes, stellte das der Insolvenzmasse aber im Nachgang in Rechnung. Die verbleibenden 33 bis 40 Prozent sind der Anspruch der Mitarbeiter.

Wie wird die Quote für die anderen Gläubiger aussehen?

Das kann ich erst zum Abschluss des Verfahrens sagen. Seit 2011 sage ich aber ganz deutlich, dass ich den Insolvenzgläubigern nur sehr wenig Hoffnung machen kann. Denn nur wenn die Masseverbindlichkeiten vollständig befriedigt werden können und dann noch Geld im Topf sein sollte, werden die Insolvenzgläubiger quotal befriedigt.

Wie hoch sind deren Forderungen?

Zum Prüfungstermin im Juli 2012 hatten 22 738 Gläubiger Forderungen angemeldet. Die Forderungssumme belief sich bereits damals auf 1 074 791 544 Euro.

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