Internetverbindungen:Schnell und drahtlos in der Stadt

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Der Traum vom mobilen Internet nimmt Formen an: Bald kann man in einigen Städten so zügig drahtlos surfen wie mit den stärksten DSL-Leitungen.

Ben Schwan

Als die Bundesnetzagentur, die damals noch Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hieß, im Sommer 2000 die deutschen UMTS-Lizenzen versteigerte, herrschte ein wahrer Goldrausch.

Internetnutzer beim Frühstück: Die mobilen Breitbandverbindungen werden immer schneller (Foto: Foto: dpa)

Bald, so schwärmten die Mobilfunkanbieter, werde nahezu jeder Deutsche neue multimediale Dienste von unterwegs aus nutzen, Videotelefonie verwenden und ständig vom Handy auf das Internet zugreifen. Der Hype zahlte sich allerdings nur für die Bundesregierung aus, die bei der umkämpften Auktion satte 50,8 Milliarden Euro einnahm.

Bei den Netzbetreibern stellte sich dagegen sehr schnell Ernüchterung ein: UMTS funktionierte erst Jahre später richtig und anfangs interessierte sich kaum ein Nutzer für die Datendienste, telefonierte lieber auf normalem Wege weiter und schickte SMS. Neustarter gingen pleite, Firmen wie die France Telecom holten sich bei Mobilcom eine blutige Nase. Und was das mobile Internet anbetraf: UMTS bot in seiner Anfangsphase Kriechgeschwindigkeit, ein gutes Drittel von einem Megabit, wenn der Empfang denn ordentlich war.

Inzwischen hat sich die Mobilfunkbranche vom UMTS-Schock erholt. Die Technik funktioniert nun gut, wurde mit einem Erweiterungsverfahren, High Speed Packet Access (HSPA) genannt, in den letzten Jahren auf DSL-artige Geschwindigkeiten von bis zu 7,2 Megabit pro Sekunde aufgebohrt. Mobiles Breitband nennt man das nun.

Fluchen während der Zugfahrt

Aus Nutzersicht bietet die Technik bei guter Netzabdeckung tatsächlich ein ordentliches Surferlebnis mit Funk-USB-Sticks oder Datenkarten - auch wenn man manches Mal weiterhin flucht, wenn die Verbindung dann doch noch abbricht, beispielsweise im fahrenden Zug. Der Traum vom mobilen Internet scheint langsam wirklich wahr zu werden.

Doch die bislang verwendete Technik hat einige Nachteile. So bauen UMTS und HSPA letztlich auf Technologien auf, die noch aus einer Zeit stammen, in der vor allem Sprache über Mobilfunknetze vermittelt wurden. Hinzu kommt, dass mit den bestehenden Funkstandards in Sachen Bandbreitensteigerung bald Schluss ist.

Also muss eine neue Technik her - und natürlich hat auch die ein griffiges Kürzel: LTE - was für Long Time Evolution, also langfristige Entwicklung steht. Da Ausrüster und Netzbetreiber aus den Fehlern gelernt haben, soll sie sich verhältnismäßig leicht in bestehende Netze integrieren lassen. Am attraktivsten an LTE ist die mögliche Bandbreite: 100 Megabit sollen in wenigen Jahren erreicht sein, potentiell sogar mehr als 300. Das sind Datenraten, wie man sie bislang nur aus Glasfaser- oder digitalen Kabelnetzen kennt.

Möglich wird dies durch funktechnische Verbesserungen. Ein überarbeitetes Modulationsverfahren packt mehr Informationen in bestehende Frequenzen, zudem setzt LTE die sogenannte MIMOAntennentechnik ein. Dabei werden mehrere Empfangs- und Sendeeinheiten gleichzeitig genutzt und eine bessere, intelligente Ausrichtung zum Sender hin vorgenommen.

Wie LTE konkret aussehen könnte, wird aktuell in mehreren Testregionen überprüft - zum Beispiel im österreichischen Innsbruck, wo T-Mobile derzeit an 20 Basisstationen den Ernstfall probt. Die dabei eingesetzte Technik, die vom chinesischen Ausrüster Huawei stammt, wirkt hier jedoch noch recht provisorisch: So wird ein LTE-Empfangsprototyp, der in einem Auto verbaut wurde, mit sage und schreibe vier Fahrzeugbatterien betrieben.

Was über die Netze fließt, kann sich jedoch schon sehen lassen: Maximal 150 Megabit pro Sekunde sind drin, selbst im fahrenden Zustand lassen sich noch 30 bis 35 Megabit erzielen, ohne dass die Verbindung abbricht.

In der Industrie ist man optimistisch, dass schon im nächsten Jahr erste Städte ans LTE-Netz gehen können. Als Vorreiter gelten NTT DoCoMo aus Japan, wo in Versuchen bereits die Übertragung von 250 Megabit gelang, sowie TeliaSonera aus Skandinavien. In Stockholm und Oslo sollen denn auch die ersten europäischen LTE-Netze aufgebaut werden.

Noch ist unklar, wie schnell LTE in der Praxis wirklich sein wird. Experten rechnen aktuell mit rund 50 Megabit, die routinemäßig angeboten werden könnten - das entspräche dem, was derzeit in Deutschland mit der DSL-Nachfolgetechnik VDSL maximal machbar ist. Allerdings müssen, damit das auch wirklich funktioniert, die Mobilfunkanbieter nicht nur die Basisstationen auf LTE aufrüsten, sondern auch eine entsprechende Hintergrundinfrastruktur schaffen. Das bedeutet den Ausbau der eigenen Glasfasernetze, die in der jetzigen Verfassung kaum für 50-Megabit-Mobilsurfer geeignet sind.

Zudem ist das mobile Internet noch immer nicht so frei wie das im Festnetz. So ist O2 bislang der einzige Netzbetreiber, der sein Netz uneingeschränkt auch für potentiell die Sprachtelefonie gefährdende Internet-Kommunikationstechniken wie Skype geöffnet hat. Andere, wie T-Mobile, verlangen dafür Geld. Hinzu kommt, dass es Bandbreitenbremsen gibt.

Fünf Gigabyte, danach wird gedrosselt

Maximal fünf Gigabyte im Monat darf man bei den deutschen Mobilfunkanbietern mit deren sogenannten Flatrates verbrauchen, bevor der Anschluss gedrosselt wird. Das entspricht wenig mehr als einer einzigen einseitigen DVD. Wenn die Nutzer dank LTE wesentlich schneller mobil surfen können, werden sie auch mehr Bandbreite verbrauchen, was die Netzbetreiber zwingen würde, freigiebiger mit ihrer Infrastruktur umzugehen. Ob die hohe Profite gewohnte Branche dazu bereit ist, bleibt abzuwarten.

Als erster Schritt in Richtung LTE-Zukunft folgt nun aber erst in wenigen Monaten eine Versteigerung frei werdender Frequenzen durch die Bundesnetzagentur, die zuvor für analoges Fernsehen verwendet wurden. Große Teile davon könnten für den neuen Mobilfunkstandard genutzt werden.

Bei einem Versuch im Sauerland nutzt der Mobilfunkanbieter Vodafone in Zusammenarbeiten mit dem Westdeutschen Rundfunk sowie der Landesanstalt für Medien diese Frequenzen. Die vielen Milliarden, die einst die UMTS-Versteigerung einbrachte, werden aber wohl kaum erreicht werden. Die Mobilfunker haben zumindest aus ihrer Vergangenheit gelernt.

© SZ vom 23.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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