Internetnutzung:Vor uns die Datenflut

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Filmen, bis der Speicher glüht: Handynutzer in den USA. (Foto: Alex Wong/AFP)

Mobile Netze müssen schon in wenigen Jahren erheblich mehr Bits bewältigen als heute, sagen Forscher.

Von Helmut Martin-Jung, München

Es sind Zahlen, nichts als Zahlen. Sie sind in Balkendiagrammen und Tortengrafiken dargestellt oder stehen einfach für sich. Doch die Zahlen, die der Netzwerkausrüster Ericsson in seinem vierteljährlich aktualisierten Mobility Report aufführt, sie sind auch Ausdruck einer gewaltigen Veränderung, die sich gerade ereignet. Mehr und mehr Menschen bekommen über vergleichsweise günstige mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets erstmals Anschluss ans Internet. Und in den industrialisierten Ländern lässt sich beobachten, wie der Siegeszug der mobilen Computer Wirtschaft und Gesellschaft verändert.

Schon 2014 gab es auf der Welt mehr als sieben Milliarden Mobilfunk-Verträge, bis 2021 sollen es neun Milliarden sein. Das ist eine für diese Industrie eher moderate Steigerung. Doch interessant ist, wie die Geräte genutzt werden. Immer mehr davon - im Durchschnitt 15 Prozent pro Jahr - werden mit ihrem Handy nicht mehr nur telefonieren und SMS verschicken, sondern Zugriff auf mobiles Breitband haben. Davon wiederum wird es in den kommenden fünf Jahren das größte Wachstum bei der schnellen 4-G-Technologie geben, auch als LTE bekannt. In absoluten Zahlen: Die Zahl der Mobilfunkverträge, die eine Datenverbindung einschließen, wird von 2014 bis 2021 von 2,9 auf 7,7 Milliarden steigen. Interessant dabei: Die größte prozentuale Steigerung im mobilen Internet wird es Ericsson zufolge in Westeuropa geben. Liefen dort über ein Smartphone im Jahr 2015 pro Monat noch durchschnittlich 1,9 Gigabyte an Daten, sollen es sechs Jahre später bereits 18 sein. Absolut gesehen soll den Schätzung des Netzwerkausrüsters zufolge Nordamerika vorne liegen, mit dann 22 Gigabyte pro Gerät und Monat. Dort lag die Zahl im Jahr 2015 aber auch schon bei 3,7 Gigabyte, also knapp doppelt so hoch wie in Westeuropa. Der asiatisch-pazifische Raum kann trotz enorm bevölkerungsreicher Staaten wie Indien und China nicht mithalten. Die Datenmenge pro Smartphone wird auch 2021 erst bei 6,5 Gigabyte pro Monat liegen. Dennoch werden die Datennetze in diesen Ländern sehr viel Verkehr bewältigen müssen, ganz einfach, weil es so viele Mobilfunknutzer gibt.

Teenager schauen viel mehr Videos auf Smartphones und sehen gleichzeitig weniger fern

Den größten Zuwachs erwarten die Forscher in der Region Osteuropa, Naher Osten und Afrika. Dort werden den Vorhersagen zufolge pro Monat insgesamt 13 Exabyte an Daten durch die Netze rauschen. Ein Exabyte, das ist eine Eins mit 18 Nullen, ein Datenspeicher dieser Größe könnte rund eine Million einstündige HD-Filme aus einer Online-Mediathek aufnehmen. In der asiatisch-pazifischen Region sollen es elf Exabyte sein, in Westeuropa immer noch zehn Exabyte.

Aber wo kommen alle diese Daten her? Geht es um Inhalte, die von Menschen hergestellt werden, nehmen wie heute auch schon Videos den größten Platz ein. An zweiter Stelle folgen soziale Netzwerke, bei denen Bewegtbilder auch eine ständig wachsende Rolle spielen. An die damit erzeugten Datenmengen kommen von Maschinen erzeugte Daten noch lange nicht heran. Aber: Die Zahl der Maschinen, die Daten versenden, wird der Vorhersage von Ericsson zufolge schon in zwei Jahren die von Handys übersteigen.

Maschinen sind zum Beispiel Autos, die in Neuwagen schon bald verpflichtend eine Sim-Karte enthalten müssen. Sie meldet bei Unfällen automatisch den Standort des Wagens an die Notrufzentrale.

Doch zu den vernetzten Geräten zählen auch kleine Sensoren, die nur winzige Datenmengen produzieren, von denen es aber viele gibt. Von der Industrieproduktion - Stichwort Industrie 4.0 - bis hin zu Brücken, deren eingebaute Sensoren messen können, ob sich von außen noch unsichtbare Risse im Beton auftun.

Eine besondere Rolle beim mobilen Datenverkehr kommt Smartphones zu. In den industrialisierten Staaten gibt es kaum noch Jugendliche, die kein Smartphone besitzen.

Teenager haben zwischen 2011 und 2015 ihren Videokonsum um 85 Prozent gesteigert, in der gleichen Zeit aber ihren Fernsehkonsum nahezu halbiert. Ältere Smartphone-Nutzer dagegen verbringen noch immer genauso viel Zeit vor der Glotze.

Der Netzausbau wird aber nicht nur zur Folge haben, dass Menschen mehr lustige Youtube-Videos ansehen und über soziale Netze weiterverbreiten können. Auch die Wettervorhersage könnte dank der weitgehend flächendeckenden Verbreitung von Mobilfunkmasten präziser werden - vor allem in Ländern, in denen es derzeit noch zu wenige der herkömmlichen Messstationen gibt.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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