Cyberkriminalität:Wenn die Geldanlage direkt auf dem Konto krimineller Banden landet

Cyberkriminalität: Laut der Blockchain-Analyse-Firma Chainalysis standen im vergangenen Jahr 0,15 Prozent aller Kryptotransfers im Zusammenhang mit möglicherweise illegalen Geschäften.

Laut der Blockchain-Analyse-Firma Chainalysis standen im vergangenen Jahr 0,15 Prozent aller Kryptotransfers im Zusammenhang mit möglicherweise illegalen Geschäften.

(Foto: Fotostand / K. Schmitt /imago images)

Internationalen Ermittlern ist ein Schlag gegen den massenhaften Betrug über Internet-Tradingplattformen gelungen. Die Bande soll Anleger um mehrere Millionen Euro gebracht haben.

Von Uwe Ritzer, München

Sie hießen Trade Capital, Fibonetix, Nobel Trade, Forslab und Huludox. Internetseiten, auf denen Anleger ihr Geld angeblich besonders gewinnträchtig investieren konnten, etwa in Kryptowährungen. Solche Tradingplattformen mit Phantasienamen gibt es im Netz immer häufiger. Und die Zahl der Menschen, die sich dort registrieren und anfänglich meist kleinere, mit der Zeit aber auch größere Beträge einzahlen, geht allein in Deutschland in die Zehntausende. In Wahrheit allerdings finden auf solchen Tradingplattformen gar keine Handelsgeschäfte statt; die vermeintlichen Anlagen sind frei erfunden, die Einlagen fließen umgehend in die Kassen krimineller Banden. Im Kampf gegen diese zunehmende Form von Cyberkriminalität ist den Behörden nun abermals ein grenzübergreifender Schlag gelungen.

Auf Betreiben der bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg angesiedelten Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) wurden in der bulgarischen Hauptstadt Sofia sieben Büros und Privatwohnungen durchsucht, sowie vier Männer und eine Frau im Alter zwischen 30 und 43 Jahren festgenommen. Sie stammen aus Bulgarien, Tschechien und Montenegro. Ihnen wird "gewerbs- und bandenmäßiger Betrug" vorgeworfen. Gegen sie liegen europäische Haftbefehle vor. Die bei den Ermittlung federführende ZCB hat die Auslieferung der Beschuldigten nach Deutschland beantragt. Innerhalb der EU wird solchen Ersuchen in der Regel nachgekommen. Im Vorfeld der Aktion, die am vergangenen Dienstag stattfand, wurden auch drei Privatwohnungen in Berlin durchsucht.

Alle Beschuldigten sind nach den Erkenntnissen der Ermittler Teil einer Bande, "die vermutlich Tausende Anleger insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum um Dutzende Millionen Euro betrogen haben", wie die ZCB mitteilte. Bei der Aktion sei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden. Zuletzt waren bereits im Dezember 2020 mehrere mutmaßliche Mitglieder derselben Bande bei einer Razzia in der Ukraine festgesetzt worden. Dabei beschlagnahmten die Behörden damals Luxusautos, Bargeld und Immobilien im Gesamtwert von etwa 50 Millionen Euro. Zuvor hatte es im April 2020 eine ähnliche Aktion in der serbischen Hauptstadt Belgrad gegeben.

"Reibungslose und effektive" Zusammenarbeit über Grenzen hinweg

Bei den Durchsuchungen und Festnahmen diese Woche arbeiteten die bayerischen Ermittler mit Beamten des Bundeskriminalamtes, den örtlichen Polizei- und Justizbehörden sowie der europäischen Agentur für grenzübergreifende Zusammenarbeit der Justiz, Eurojust, zusammen. Dementsprechend würdigte die Bamberger Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag die "erneut reibungslose und effektive" Zusammenarbeit über Grenzen hinweg, noch dazu in Corona-Zeiten. Internationale Zusammenarbeit ist freilich ohne Alternative, will man den massenhaften Cyberbetrug erfolgreich bekämpfen. In den ersten Jahren, in denen das kriminelle Geschäftsmodell mit Internet-Tradingplattformen massiv aufkam, wurstelten zum Teil etwa Behörden in Deutschland allein vor sich hin, ohne jede Vernetzung.

Dabei ist der Betrug mit solchen Plattformen ein Paradebeispiel dafür, wie international Finanzkriminelle im digitalen Zeitalter agieren. Die ausgeklügelte Software, mit denen den Nutzern, Kursgewinne in Echtzeit vorgegaukelt werden, stammt von IT-Entwicklern in Israel. Die Callcenter, aus denen heraus angebliche "Broker" ihre Opfer telefonisch zu immer höheren Einsätzen überreden, sind in der Regel in Osteuropa angesiedelt. Bulgarien, Serbien, aber auch die Tschechische Republik und die Ukraine gelten - wie im aktuellen Fall - als bevorzugte Standorte, von denen aus die Banden operieren. Und die unübersichtlich ineinander verschachtelten Firmen, über die das Geld der Opfer in dunklen Kanälen landet, sind über Steuerparadiese rund um den Globus verstreut. "Ohne die Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden in anderen Ländern sind wir machtlos", sagt demzufolge ein deutscher Ermittler.

Die Opfer wiederum leben hauptsächlich in westeuropäischen Ländern, sehr viele davon in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Wiener Opferschutzorganisation Efri schätzt den durch Tradingplattformen verursachten Gesamtschaden auf europaweit jährlich zwölf Milliarden Euro. Im aktuellen Fall erwiesen sich die zwei vorangegangenen Razzien als hilfreich, um an neue Informationen über die Arbeitsweise der Täter und den Verbleib des Geldes zu kommen. Bisweilen packt auch der ein oder andere Beschuldigte aus. Nicht immer geht das für die Betroffenen gut aus. So starb vor einigen Monaten ein 34-jähriger Serbe wenige Tage, nachdem er deutschen Polizeibeamten gegenüber ausgepackt hatte, in seiner Heimat einen plötzlichen Herztod. Angeblich in Folge von Drogenmissbrauch. Und die Gründe für das plötzliche Ableben eines Hauptverdächtigen in einem anderen, ähnlich gelagerten Fall in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken konnten rätselhafterweise nie aufgeklärt werden.

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