Süddeutsche Zeitung

Internetkonzerne:Kampf um die Digitalsteuer

Deutschland und Frankreich wollen eine Einigung in Europa erreichen. Doch während Paris aufs Tempo drückt, fürchtet man in Berlin eine Vergeltungsaktion der USA.

Von Helmut Martin-Jung und Alexander Mühlauer

Sie verdienen Milliarden, doch Steuern zahlen sie nur wenig in Europa: Konzerne wie Google, Facebook, Amazon oder Apple. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron ist schon länger nicht mehr bereit, das so hinzunehmen. Er fordert eine EU-Digitalsteuer für solche Unternehmen - und zwar bereits in den kommenden Monaten. Macron will noch vor der Europawahl im kommenden Frühjahr ein klares Signal an die Bürger senden, dass die EU sich die Steuerpraktiken großer Digitalkonzerne nicht mehr bieten lässt.

Doch nicht bloß EU-Steuerparadiese wie Irland oder die Niederlande wollen da nicht mitmachen, auch Exportweltmeister Deutschland bremst. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Warum kann sich die EU bislang nicht auf eine gemeinsame Linie einigen?

Es ist wie so oft in Europa: Jedes Mitgliedsland verfolgt seine eigenen Interessen. Und weil bei Steuerfragen alle EU-Staaten zustimmen müssen, ist es besonders schwer, eine Lösung zu finden. Deutschland und Frankreich haben sich in ihrer Erklärung von Meseberg darauf verständigt, "eine EU-Einigung über eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft bis Ende 2018 herbeizuführen".

Genau darauf pocht Paris. Beim Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel forderte Bruno Le Maire seinen deutschen Kollegen Olaf Scholz (SPD) erneut auf, sich endlich zu entscheiden. Um ihm die Zustimmung zu erleichtern, schlug Le Maire einen Kompromiss vor. Noch im Dezember soll sich die EU auf eine Richtlinie zur Digitalsteuer einigen, die Ende 2020 in Kraft treten soll. Wenn es bis dahin eine globale Lösung auf OECD-Ebene geben sollte, dem Verbund von 36 industriell entwickelten Staaten, wäre die europäische Steuer obsolet.

Scholz ließ immerhin ein bisschen Sympathie erkennen. Es müsse versucht werden, eine weltweite Regelung zu finden, sagte der Bundesfinanzminister. Wenn dies bis zum Sommer 2020 nicht gelinge, solle es eine europäische Antwort geben, so Scholz. Offen ist allerdings, ob er sich mit dieser Position in der Bundesregierung durchsetzen kann, zumal Kanzlerin Angela Merkel nach der Wahl eines neuen CDU-Vorsitzenden auch europapolitisch nur eingeschränkt handlungsfähig sein dürfte. Zwischen Paris und Berlin geht es deshalb derzeit weniger um die Sache als um eine politische Lösung, die für beide Seiten gesichtswahrend ist.

Wie soll die Digitalsteuer eigentlich funktionieren?

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, für Digitalunternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro in Europa eine Steuer von drei Prozent zu erheben. In einem zweiten Schritt soll eine digitale Betriebsstätte definiert werden, um eine Körperschaftsteuer erheben zu können.

Warum zahlen die Konzerne so wenig Steuern?

Sie nutzen diverse Möglichkeiten zur Steuervermeidung ganz legal aus. So gründen sie etwa Holdings, die zwar nur auf dem Papier existieren, an die aber die europäischen Niederlassungen Gebühren für die Nutzung geistigen Eigentums zahlen müssen. Diese Lizenzgebühren werden so hoch angesetzt, dass die Konzerne nur noch auf einen Bruchteil ihrer tatsächlichen Gewinne Steuern zahlen. Die Gewinne werden in Offshore-Steuerparadiesen gehortet. Das Problem dabei ist: manche EU-Länder verlangen für die Überweisung solcher Lizenzgebühren an Steuerparadiese keine Quellensteuer. Diese Tricks haben sogar Namen, darunter so blumige wie "Dutch Sandwich", "Double Irish" oder "Single Malt". Warum aber öffnen manche EU-Länder solche Schlupflöcher? Sie bekommen dadurch zwar weniger Steuern, doch profitieren sie von gut bezahlten Jobs, die dadurch geschaffen werden. Alleine in Irland zum Beispiel beschäftigen ausländische Unternehmen mehr als 150 000 Menschen.

Warum ist Deutschland bei der EU-Digitalsteuer zurückhaltend?

Deutschland exportiert von allen Ländern Europas am meisten Güter und Dienstleistungen. Es steht daher schon länger unter besonderer Beobachtung der USA. Würde sich Deutschland für den Vorschlag einer EU-Digitalsteuer stark machen, könnte das US-Präsident Trump dazu bringen, seine Drohung mit höheren Zöllen etwa auf Autos aus der EU doch noch wahr zu machen.

Die meisten der Tech-Konzerne stammen schließlich aus den USA. Von einer Steuer auf Autos wäre wiederum vor allem Deutschland betroffen. Andererseits steht Deutschland aber auch unter Druck, sich mit dem wichtigen europäischen Partner Frankreich zu einigen. Berlin ist mit seiner vorsichtigen Haltung nicht allein. So warnte Dänemarks Finanzminister Kristian Jensen in Brüssel davor, dass mit einer amerikanischen Vergeltung zu rechnen sei. "Natürlich wird es eine Reaktion der USA geben", sagte er. Daher sei die Steuer keine gute Idee für Europa. Andere Staaten wie Italien, Spanien und Großbritannien planen jedoch bereits nationale Maßnahmen. Italiens Finanzminister Giovanni Tria sagte, sein Land werde alleine voranschreiten, sollte es nicht bis zum Jahresende eine gemeinsame Linie geben. Frankreichs Finanzminister Le Maire warnte, dies könne den europäischen Binnenmarkt schwächen.

Was sagen Wirtschaft und Forschung zur Idee einer Digitalsteuer?

Das Münchner Ifo-Institut rät der Politik, es nicht auf einen Konflikt mit den USA ankommen zu lassen. "Da die USA die Digitalsteuer mutmaßlich als Importzoll interpretieren, sollte die Einführung der Digitalsteuer vermieden werden", heißt es in einer Studie zu dem Thema. So könnten "weitere Eskalationen im Handelskonflikt und daraus resultierende Verluste für Wirtschaft und Fiskus" vermieden werden.

Die Digitalsteuer würde nach Ansicht der Ifo-Forscher zudem zu einer "erheblichen steuerlichen Mehrbelastung der Digitalwirtschaft" führen. Das könne die Entwicklung dieser Sparte in der EU hemmen. Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, hält die Digitalsteuer für "kontraproduktiv": "Der BDI ist gegen die Einführung einer Digitalsteuer. Sie ist für die deutsche Industrie ein Bärendienst, weil unsere Unternehmen derzeit mitten im Prozess der digitalen Transformation ihrer Geschäftsmodelle stehen." Eine Digitalsteuer, argumentiert er, "würde diesen Prozess beeinträchtigen und birgt die Gefahr einer Doppelbesteuerung".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4198751
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.11.2018/hgn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.