Internetkonzern:Hochladen bei Google

Google-Datenzentrum

Blick in ein Google-Rechenzentrum in den USA. Die Energie für alle Rechenzentren des Konzerns kommt aus erneuerbaren Quellen.

(Foto: dpa)

Der Konzern eröffnet sein erstes Rechenzentrum in Deutschland. Die Cloud-Technologie soll Milliardengewinne bringen.

Von Helmut Martin-Jung

"Nein", sagt Urs Hölzle und hat sofort eine passende Analogie parat. Ein Beispiel, das erklären soll, warum seine Firma, der Weltkonzern Google, den Trend zur Cloud keineswegs verschlafen habe. Noch, sagt er, der 1999 als Mitarbeiter Nr. 8 zu Google kam, noch seien mehr als 90 Prozent der Unternehmen nicht in der Cloud. Sie würden also immer noch auf ihrem Firmengelände aufwendig Rechenzentren betreiben, obwohl das in den meisten Fällen nicht ihr Kerngeschäft ist.

Das Beispiel, es geht so: Die Entwicklung beim Thema Cloud sei heute etwa auf dem Stand wie 2007 die Entwicklung der Smartphones. 2007, das war das magische Jahr, in dem Apple das iPhone auf den Markt brachte. "Viele dachten damals, die Technologie sei doch schon ausgereift." Doch dann, in den fünf Jahren, die auf das erste iPhone folgten, seien enorm viele Innovationen entstanden. Und heute steht Googles Betriebssystem Android bei einem Marktanteil von mehr als 85 Prozent.

Bei der Cloud-Technologie, sagt Hölzle, sehe er heute dieselben Trends wie damals. "Die kritische Masse kommt zusammen", sagt er, was viel daran liege, dass Open-Source-Software im Spiel sei - Software also, die jeder kostenfrei nutzen kann. Und noch, sagt der gebürtige Schweizer, "noch hat keiner das Smartphone der Cloud". Es komme also auf die Innovationsrate der nächsten Jahre an. Wer den Unternehmen das beste Angebot mache, der werde am Ende den Großteil des Marktes gewinnen. Das will Google nun auch verstärkt in Deutschland tun. Am Dienstag verkündete das Unternehmen den offiziellen Start von Googles deutscher Cloud - mit dem deutschen Software-Konzern SAP als Partner.

Der Cloud-Markt ist riesig, die größten Anbieter sind bisher Amazon (Web Services) und Microsoft. Hölzle spricht von zwei Billionen Dollar - ein Vielfaches des Online-Werbemarktes. Den beherrscht Google sehr klar. Aber diese Einnahmequelle ist auch die bei weitem wichtigste des Internet-Unternehmens. Zwar werden das Hardware-Geschäft, etwa die Pixel-Smartphones oder die sprachgesteuerten Home-Lautsprecher, immer wichtiger. Doch die Werbeeinnahmen machen immer noch weit mehr als 80 Prozent des Umsatzes aus. Hölzle, der die gesamte technische Infrastruktur Googles und damit auch das Cloud-Geschäft verantwortet, weiß, dass er einen wichtigen Job hat und dass er in dem Rennen um die Cloud-Kunden gut abschneiden muss, auch weil das eben wichtig für Googles Zukunft ist.

"Jeder einzelne Zugriff wird protokolliert und kann überprüft werden."

"Der Cloud-Markt ist zehnmal so groß wie der der Online-Werbung. Wenn wir nur ein Zehntel davon bekommen, ist das schon mehr, als wir mit Werbung verdienen", sagt Hölzle. Cloud könne also durchaus Googles zweites Standbein werden, "oder sogar das erste", gibt er sich selbstsicher. Das Umfeld sei da, die Chance riesig.

Aber werden die deutschen Unternehmen Schlange stehen, um ihr wertvollstes Gut, ihre Daten nämlich, ausgerechnet Google anzuvertrauen, dem Konzern, der hierzulande so gerne als Datenkrake gescholten wird? Hölzle beunruhigt das nicht. Die rechtlichen Vereinbarungen mit den Kunden seien ja ganz andere als bei Googles bekannten Dienstleistungen wie Suche oder Mail. Während diese für den Kunden scheinbar kostenlos sind, in Wahrheit aber mit der Preisgabe vieler Daten bezahlt werden, müssen die Kunden für die Clouddienste ganz normal zahlen.

Dafür verspricht das Unternehmen aus Mountain View, Kalifornien, dann aber auch höchste Sicherheitsstandards. Um das Vertrauen in die Google Cloud zu erhöhen, hat das Unternehmen zusätzlich eine Vereinbarung mit dem deutschen Software-Konzern SAP getroffen. SAP stellt dafür eine Technologie bereit, mit der Zugriffe auf die Google Cloud zu jedem Zeitpunkt und bis ins Detail überwacht werden können. Hölzle: "Wenn die Cloud nicht die beste Sicherheit und Compliance bietet, wird sie nicht erfolgreich sein." Compliance, also die Konformität mit den jeweiligen Datenschutz-Bestimmungen eines Landes, wird in der EU vom nächsten Jahr an noch für viel Gesprächsstoff sorgen. Im Mai nämlich tritt die Datenschutzgrundverordnung in Kraft, welche die Unternehmen beim Datenschutz stärker als bisher in die Pflicht nimmt. Google verspricht, man werde mit seinen Cloud-Angeboten die neuen Anforderungen erfüllen.

Für das größte Risiko hält Hölzle dabei die Endgeräte von Nutzern. Der klicke einmal auf den falschen Anhang, und schon könnten Hacker womöglich mit dessen Zugangsdaten ins Unternehmensnetzwerk eindringen. Durch die SAP-Lösung werde mehr Transparenz und Kontrolle geschaffen, auch im eigenen Unternehmen oder bei Partnern, die auf das Firmennetz zugreifen. "Jeder einzelne Zugriff wird protokolliert und kann überprüft werden." Etwas Vergleichbares lasse sich bei eigenbetriebenen Rechenzentren nur sehr schwer realisieren, ist sich Hölzle sicher.

Googles Vorteil in seinen Augen: Die langjährige Erfahrung mit Rechenzentren und die starke Position bei Zukunftsthemen wie künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Und es ist auch nicht so, dass Google bei Null anfängt. Unternehmen wie Airbus, Airbnb oder Spotify zählen bereits zu den Cloud-Kunden, Partner wie die großen Unternehmensberatungen PwC oder Accenture, aber auch kleinere lokale Dienstleister sollen dabei helfen, die Kunden von Google als Cloud-Anbieter zu überzeugen.

Um die Zugriffszeiten so kurz wie möglich zu halten, hat Google ein Rechenzentrum in Frankfurt eingerichtet. In diesem Jahr sollen nahezu in jedem Monat neue Regionen dazu kommen - der Internetkonzern meint es also offenbar sehr ernst mit seiner Cloud-Initiative. Der Zeitpunkt sei nun genau richtig, sagt Urs Hölzle, "die Nachfrage explodiert überall geradezu". Michael Korbacher, Googles Mann für die Cloud in den deutschsprachigen Ländern, sekundiert: "Endlich setzt der Hockeystick ein" - also die steile, nach oben zeigende Wachstumskurve. Mit seinem Team, das neu aufgebaut wird, versucht er nun, die als zurückhaltend verschrienen deutschen Mittelständler in die Cloud zu bringen.

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