Am Anfang ging es um eine Menge Geld. 1000 Euro sollte Elizabeth Katsch an Nebenkosten für die Miete nachzahlen. Katsch, damals noch Studentin, überwies das Geld, mit einem eher unguten Gefühl. Inzwischen weiß sie, dass sie viel zu viel bezahlt hat. Zum Beispiel hätte der Vermieter nicht die Kosten für das Fällen eines Baums auf seine Mieterin umlegen dürfen. Aber heute würde das der 26-jährigen Betriebswirtin auch nicht mehr passieren.
Katsch ist Mitgründerin der Internet-Plattform "Mieterengel". Wer hier Mitglied wird, kann sich bundesweit telefonisch oder per E-Mail von einem Rechtsanwalt beraten lassen, oft noch am selben Tag, spätestens innerhalb von 48 Stunden. Die meist wochenlangen Wartezeiten für einen Termin beim Mieterverein fallen weg. "Bei uns geht es schnell, und zu uns muss keiner laufen oder fahren", sagt Katsch.
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Zumindest wenn man eine von 135 000 Wohnungen bekommt, welche den Mitgliedern der Vereinigung Münchener Wohnungsunternehmen gehören.
Ein rotes Backsteingebäude in einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Über mehrere Etagen sitzen in Großraumbüros junge Mitarbeiter von Start-up-Firmen vor ihren Computern. Hier arbeiten auch Katsch und ihr Team. Der Markt, den sie aufrollen wollen, ist riesig: 2016 suchten etwa eine Million Mal Mieter den Rechtsrat von Mietervereinen in Deutschland, in etwa jedem dritten Fall ging es um die Nebenkosten. Knapp 250 000-mal stritten nach Angaben des Deutschen Mieterbunds (DMB) Mieter und Vermieter vor Amts- und Landgerichten.
Die Gründerin kam zu dem Thema eher durch einen Zufall: Zusammen mit dem anderen Mitgründer von Mieterengel, dem Politologen und Wirtschaftswissenschaftler Christian Kahl (34), baute sie eine Webseite für einen Mietrechtsanwalt und fand schnell heraus: Die Nachfrage ist groß, hier gibt es offenbar eine Marktlücke.
Der Sprung zur Unternehmerin fiel Katsch ohnehin leicht, sie hatte nach ihrem Studium in der Marketing-Abteilung des Berliner Müll- und Recyclingunternehmens Alba gearbeitet. "Ich sehe mich eher nicht bei einem großen Unternehmen. Ich wollte so arbeiten, dass ich selbst Entscheidungen treffen, etwas Neues machen und eigene Erfolge auch wirklich sehen kann", sagt Katsch. Dafür arbeitet sie oft zwölf Stunden am Tag: "Wir sind die ersten, die kommen, und die letzten, die gehen."
Für 59 Euro gibt es eine Flatrate für Mietrechtsfragen
14 Mitarbeiter hat ihr digitaler Mieterverein bereits, Entwickler, Marketingfachleute, Kundenbetreuer. Die Zahl der Mitglieder ist mit gut 1000 noch gering, soll sich aber bis Ende des Jahres auf 8000 bis 10 000 erhöhen. "Wir streben in den nächsten Jahren an, auf 300 000 Mitglieder zu wachsen", sagt sie. Eine Basis-Mitgliedschaft kostet derzeit 59 Euro im Jahr - eine Art Flatrate für Mietrechtsfragen. Jedes Mitglied wird einem Partneranwalt zugeteilt, der antwortet. Dazu gibt es Vorlagen und Musterbriefe für Schreiben an den Vermieter. Wer 129 Euro im Jahr zahlt, hat zusätzlich Anspruch auf bis zu zwei vom Anwalt verfasste Briefe. 98 Prozent der Fälle wurden bislang außergerichtlich gelöst. "Das Schreiben eines Anwalts bewirkt bei Vermietern oft Wunder", sagt Katsch.
Die Brandenburger Gründerin und ihr Mitstreiter Kahl halten die Mehrheit an dem Unternehmen. Als Investor haben sie Rheingau Founders gewonnen, der auf digitale Geschäftsmodelle spezialisierte Risikokapitalgeber ist bei Mieterengel mit einem sechsstelligen Betrag eingestiegen. Noch erwirtschaftet der digitale Mieterverein keine Gewinne, aber Katsch hat noch viel vor: "Wir wollen eine der großen Mieterschutzplattformen in Deutschland werden." Doch die Konkurrenz holt auf. Der Mieterbund, hinter dem gut 300 angeschlossene Mietervereine stehen, berät längst auch online. Der einfache Werbeslogan lautet: "Frage stellen, 25 Euro zahlen, schriftliche Antwort innerhalb von sechs Stunden."