Internet-Branche:Das Problem mit dem Trichter

Working at home office with laptop smartphone and digital tablet model released Symbolfoto PUBLICAT

Vom Start-up wie hier bis zur etablierten Weltfirma wie SAP: Die deutsche Internet-Branche ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

(Foto: imago stock&people)

Der deutschen Internet-Wirtschaft geht es gut - trotz der Industriepolitik. Der Ausbau des Glasfasernetzes ist überfällig.

Von Helmut Martin-Jung

Erfolg, so ließe sich die Entwicklung der deutschen Internetwirtschaft in Kurzform darstellen, Erfolg ist, wenn man's trotzdem macht. "Es geht ihr sehr gut", resümiert der Geschäftsführer des Branchenverbandes Eco, Harald Summa, eine neue Studie zum Thema, "in manchen Bereichen wächst sie um bis zu 40 Prozent". Doch Summa weiß auch um das Trichter-Problem: Am Ende kommt unten nur heraus, was durch die enge Öffnung passt. Und diese Engstelle ist - der Ausbau der Infrastruktur, sprich: der Mangel an schnellem Internet.

"Wir sind bei der Infrastruktur nicht an führender Stelle", gesteht Verbandschef Summa ein, "die USA sind im Bereich Glasfaser viel weiter." Man habe schon überlegt, einen Negativ-Preis für die deutsche Politik zu vergeben, die bestehenden Kupferkabel auszureizen. Das spare zwar momentan Geld, doch schon bald stoße diese Technik, genannt Vectoring, an Kapazitätsgrenzen. "In fünf Jahren können Sie das im Museum anschauen", sagt Summa.

Das Problem dabei, sagt Michael Opitz vom Beratungsunternehmen Arthur D. Little, das die Studie angefertigt hat, das Problem sei, dass meist vom privaten Verbraucher her gedacht werde. Es gehe aber gar nicht darum, ob Privatpersonen mit 50 oder 100 Megabit pro Sekunde ans Netz angebunden seien, sondern um die Wirtschaft. "Keiner weiß, um wie viel zu klein der Trichter ist", greift er das Bild wieder auf, "klar ist nur: Das wird uns überrollen." Immerhin werde nun wenigstens beim kommenden Mobilfunkstandard 5G auch an die Infrastruktur gedacht. Das sei auch nötig, sagt Opitz, "wir wissen zwar nicht genau, was da kommt mit dem Internet der Dinge, aber wir wissen, dass da etwas kommt."

Das weiß auch Harald Summa nur zu gut, denn er leitet auch ein deutsches Erfolgsunternehmen, den Internetknoten DE-CIX in Frankfurt. "Allein in den vergangenen zehn Monaten haben unsere Kunden etwa das Doppelte der Kapazität von davor bestellt." Die Spitzenlast im Datenverkehr in dem Knotenpunkt stößt bald an die Grenze von fünf Gigabit - pro Sekunde. Am Anfang des Jahres waren es noch vier. Ein Rechenzentrum zu betreiben, sei daher ein gutes Geschäft, sagt Summa, in den nächsten zehn Jahren erwarte man in diesem Sektor der Internetwirtschaft ein Wachstum von 300 Prozent. Frankfurt könne sich dabei als Datenzentrum etablieren und viele Firmen anziehen, die mit großen Datenmengen hantierten.

Doch wie soll der Netzausbau substanziell vorankommen? Summa sieht den Staat in der Pflicht. Der müsse, vor allem beim Ausbau der neuen 5G-Technik für den Mobilfunk, vorangehen und Impulse setzen, sagt der Verbandschef: "In den USA kommen die ersten großen Investitionen auch vom Staat." In Deutschland und Europa habe man das bisher anders gehandhabt.

Defizite sehen der Verband und die Experten von Arthur D. Little aber auch in der Herangehensweise von Unternehmen, vor allem solcher aus dem Mittelstand. "Die meisten versuchen nur, ihr Geschäftsmodell in die digitalen Kanäle zu bringen", sagt Berater Opitz, "aber sie fragen sich nicht, wie sie ein datengetriebenes Unternehmen werden können." Viele Zukunftspläne im Mittelstand griffen daher zu kurz. "Man muss als Mittelständler nicht zu einem IT-Unternehmen werden", ergänzt Opitz' Kollege Lars Riegel, aber man müsse schon überlegen, wo das eigene Geschäft durch disruptive Techniken oder Geschäftsmodelle zerstört werden könnte.

Alles was mit dem Thema Cloud zu tun hat, wächst rasend schnell

Die Internetbranche ist inzwischen zu einem wichtigen gesamtwirtschaftlichen Faktor geworden, der sich auch nicht mehr isoliert betrachten lässt. Denn die Infrastruktur des Netzes ist eine Grundlage für nahezu alle übrigen Wirtschaftszweige. In den nächsten vier Jahren, also bis 2019, soll der Umsatz der Branche in Deutschland von heute 72,6 auf 114 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Zum Vergleich: Im Maschinenbau werden derzeit etwa 120 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt, die Branche wächst mit etwa zwei Prozent pro Jahr aber erheblich langsamer als die Internetwirtschaft, die bis 2019 jährlich um zwölf Prozent zulegen soll.

Die größten Umsätze - etwa 43 Milliarden Euro - macht die Internetbranche derzeit im E-Commerce, dort vor allem im Handel der Unternehmen untereinander (B2B). Der Handel mit Endkunden (B2C) folgt an zweiter Stelle. Das größte Wachstum aber gibt es woanders. Alles rund um Cloud-Dienste wächst rasend schnell - daher auch die hohe Nachfrage nach Rechenzentren. Aber auch Spiele, Online-Wetten und bezahlte Inhalte im Netz haben weiter überdurchschnittliche Wachstumszahlen. Die Zahl der Beschäftigten steigt zwar auch, aber nur um vergleichsweise moderate 8,1 Prozent pro Jahr. Der Grund: Viele der modernen Dienstleistungen benötigten zum Wachstum nicht zwingend mehr Personal.

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