Süddeutsche Zeitung

Internationales Steuerrecht:Facebook zahlt mehr Boni als Steuern

  • Das soziale Netzwerk verdient Geld mit Werbung. Einnahmen aus Deutschland werden allerdings nicht hierzulande verbucht, sondern in Irland.
  • In Dublin hat Facebook seine Europazentrale. Das Land ist eine Steueroase.

Von Bastian Brinkmann

Eine britische Journalistin fasste es so zusammen: "Facebook zahlt weniger Steuern als ich." Die Londoner Niederlassung des weltgrößten sozialen Netzwerks zahlte im abgelaufenen Jahr 2014 nur 4327 Pfund (etwa 5829 Euro) Steuern. Die Mitarbeiter bekamen im Schnitt einen deutlich höheren Bonus. Der betrug 96 000 Pfund (129 300 Euro), wie der Guardian aus der britischen Firmenbilanz vorrechnet.

Wie kann das sein? Die Antwort liegt im Osten Dublins. Dort sitzt Facebooks Europazentrale, das zweitgrößte Büro des Konzerns nach dem Firmensitz in Kalifornien. Deutsche Nutzer tippen zwar "facebook.de" in ihren Browser, ihre Daten überlassen sie aber der Facebook Ireland Limited. So steht es im Kleingedruckten. Seine vielen Millionen Mitglieder sind für das Netzwerk wichtig, aber sie bringen nicht direkt Geld. Das verdient der Konzern mit Werbung. Wenn eine deutsche Firma deutsche Facebook-Nutzer erreichen will, schließt auch sie einen Vertrag mit dem irischen Unternehmen und bekommt eine Rechnung aus Dublin.

Auch Werbeeinnahmen aus Großbritannien fließen nach Irland. Die britische Facebook-Niederlassung dagegen hat mehr Kosten - etwa die 35 Millionen Pfund Boni - als Einnahmen, sodass sie unterm Strich Verlust macht. Wer nichts verdient, hat auch nichts zu versteuern - deswegen fällt nur die Mikrosumme von 4327 Pfund an.

In Deutschland funktioniert die Bilanz ähnlich. Die Firma mit Sitz in Hamburg hat für das Jahr 2013 Einnahmen und Ausgaben veröffentlicht. Die GmbH hat in jenem Jahr rund 9,3 Millionen Euro eingenommen. Das Geld kommt nicht von deutschen Werbekunden, sondern aus dem Ausland. Das ergibt sich aus dem Geschäftszweck, den Facebook im Handelsregister eingetragen hat: Die deutsche GmbH hilft der irischen Limited, Anzeigen zu verkaufen. Die deutschen Mitarbeiter machen Werbung für Werbeplätze. Für diese Hilfe bekommt die Hamburger Niederlassung Geld aus Dublin.

Zieht man die Ausgaben für die Gehälter der Mitarbeiter, für die Büros und weitere Kosten ab, blieben 670 000 Euro als Gewinn übrig. Darauf zahlte Facebook in Deutschland fast 220 000 Euro Steuern.

Für 2014 hat Facebook keine Details veröffentlicht, sondern nur einen groben Überblick. Das ist legal, weil die Politik kleinen Firmen Bürokratie ersparen will. Und im rechtlichen Sinne ist Facebook in Deutschland eine kleine Gesellschaft, obwohl es mehr als 20 Millionen deutsche Facebook-Nutzer gibt. Somit ist unklar, wie die jüngste Rechnung der Firma aussieht. Der Konzern hat knapp 300 000 Euro für Steuern in Deutschland zurückgelegt.

Die Gewinne in Dublin zu verbuchen, ist Facebooks gutes Recht, grenzüberschreitende Geschäfte sind der Kern der Europäischen Union. Irland lockt mit einem englischsprachigen Arbeitsmarkt - und mit einer sehr niedrigen Steuerrate. Sie beträgt 12,5 Prozent, künftig vielleicht sogar noch weniger. In Deutschland liegt die Rate bei rund 30 Prozent. Aber vor allem öffnet das irische Recht Hintertüren, um Gewinne außer Landes zu bringen und in Steueroasen zu parken, in Staaten, die noch weniger Steuern verlangen - nämlich bis zu null Prozent. Dann liegt der Profit steuerfrei auf den Cayman Islands.

"Wir halten uns in allen Ländern an die Steuergesetze, in denen wir Mitarbeiter und Büros haben", sagt ein Facebook-Sprecher auf Anfrage. Das Geschäftsmodell ist legal, doch mehr und mehr Konzerne geraten bei der Frage unter Druck, ob ihr Vorgehen auch legitim ist. Amazon hat vor kurzem für Aufsehen gesorgt, weil es seine Steuerstrategie radikal geändert hat. Der Konzern hat früher Rechnungen aus der Steueroase Luxemburg geschickt, mittlerweile verbucht er seine Einnahmen in Deutschland auch hierzulande.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat gerade einen Aktionsplan vorgestellt, der die Steuerflucht von Konzernen bremsen soll. Der erste Punkt behandelt Internetkonzerne, die anders als Friseure und andere Dienstleister auch aus großer Ferne ihre Kunden bedienen können. Viele große Staaten haben versprochen, die neuen Regeln umzusetzen.

Ziel der Reform: Gewinne sollen dort versteuert werden, wo sie auch erwirtschaftet werden. Facebook könnte dann aber argumentieren, dass die Arbeit hauptsächlich in Irland erledigt wird. In Dublin hat der Konzern tatsächlich keine Briefkastenfirma, sondern einen Bürokomplex. Dort arbeiten mehr als 1000 Menschen, in Hamburg sind es nur ein paar Dutzend.

Andererseits hat das irische Steuerrecht so viele Vorteile, dass es sich lohnt, viele Aktivitäten auf der Insel anzusiedeln. Doch ist eine Arbeitsteilung zwischen Dublin und Hamburg wirklich fair? Künftig sollen Konzerne zwar aufschlüsseln, was sie in einzelnen Ländern machen, um diese Frage zu beantworten. Das hat die OECD beschlossen. Doch das Steuergeheimnis schützt die Konzerne. Außenstehende haben keinen Zugriff auf die Informationen und können die Unternehmensangaben nicht überprüfen.

Und selbst für den Staat ist es schwierig, dem nachzugehen. Auch große Unternehmen bekommen nur alle vier bis fünf Jahre Besuch von einem Betriebsprüfer. Für mehr Kontrollen fehlt das Personal.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2691460
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/leja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.