Schuldenkrise:Portugal spart vorbildlich - zu Lasten der Schwachen

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Aufgeschreckt in Lissabon: Die Kreditfähigkeit Portugals verfällt seit vielen Jahren, zeigt eine neue Berechnung. (Foto: Jörg Buschmann)
  • Portugals Regierung wird heute schon hartes Sparen angelastet, das vor allem Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger betrifft.
  • Linke Gruppierungen, die das gesamte Gesellschafts- und Wirtschaftssystem umbauen möchten, haben dennoch bei der Wahl im Oktober wenig Chancen.

Von Thomas Urban, Madrid

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die portugiesische Regierung gemahnt, weiter am Sparkurs festzuhalten und weitere Strukturreformen durchzuführen. Andernfalls drohe das Land in Stagnation zu verharren. IWF-Experten stellten in ihrem zweiten Bericht nach Ende des internationalen Stützungsprogramms für das vom Staatsbankrott bedrohte Land fest, dass die Grundlagen für einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung nach der großen Krise der letzten Jahre gelegt seien. Doch müssten nach den Parlamentswahlen, die für den 4. Oktober angesetzt sind, die Sanierung der Staatsfinanzen sowie die Liberalisierung des Arbeitsmarktes fortgesetzt werden.

Portugal war 2011 dank der Garantien für ein Kreditpaket über insgesamt 78 Milliarden Euro, das der IWF, die Europäische Zentralbank und die EU gemeinsam zur Verfügung stellten, vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet worden. Als Gegenleistung sicherte die damalige sozialistische Regierung harte Sparmaßnahmen zu, verlor deshalb aber wenige Monate später die Parlamentswahlen.

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Die im Herbst 2011 ins Amt gekommene Mitte-rechts-Koalition unter Pedro Passos Coelho setzt seitdem auf eine Verkleinerung des öffentlichen Dienstes, eine Kürzung von Renten und Sozialleistungen bei gleichzeitigen Investitionsanreizen vor allem für kleine und mittlere Betriebe. Eine Troika aus Vertretern der Kreditgeber kontrollierte nicht nur die Finanzpolitik der Regierung, sondern nahm auch auf deren Entscheidungen Einfluss. Im Mai 2014 wurde das Programm beendet, Portugal kehrte an die Finanzmärkte zurück. Dennoch beobachten die Vertreter der Kreditgeber weiterhin die Lage und veröffentlichen dazu Berichte.

Viele der neuen Jobs sind prekär

Die IWF-Experten setzen die Wachstumsaussichten des Landes allerdings geringer an als die Regierung in Lissabon: Für 2016 sei nicht mit mehr als 1,5 Prozent zu rechnen, das Wirtschaftsministerium gab um zwei Prozent an. Immerhin erwarten beide Seiten übereinstimmend für das laufende Jahr ein Wachstum von 1,6 Prozent. Die IWF-Experten warnen allerdings: Die Überwindung der Rezession, in die das Land vor sieben Jahren stürzte, sei nicht nur Folge der Reformanstrengungen, sondern auch des geringen Ölpreises und der niedrigen Zinsen.

Die Erholung der Wirtschaft sei noch überaus fragil. Auch werde in diesem Jahr die angepeilte Marke von 2,7 Prozent Haushaltsdefizit vermutlich verfehlt, es würden mindestens 0,5 Punkte mehr werden. Schließlich sei die Arbeitslosigkeit nach wie vor unvertretbar hoch. Sie liegt bei 13 Prozent, immerhin fünf Punkte weniger als im Krisenjahr 2012. Allerdings sind viele der neuen Arbeitsplätze prekär und befristet. Dass das Land erstmals seit Jahrzehnten eine positive Leistungsbilanz aufweist, ist nach Ansicht der Experten auch eine Folge der verringerten Kaufkraft eines großen Teils der Bevölkerung, die sich Importgüter nicht mehr leisten will oder kann.

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Lob bekam Premier Coelho dafür, dass Lissabon die ersten Raten der Kredite vorzeitig zurückgezahlt und außerdem ein Polster von 17 Milliarden Euro angesammelt hat, um starke Konjunkturausschläge abfedern zu können. Allerdings stelle die hohe Verschuldung nahezu aller öffentlichen Körperschaften sowie der Privathaushalte nach wie vor ein großes Risiko für die Erholung der Wirtschaft dar. Auch ein Großteil der Banken sei noch nicht stabilisiert. 2015 ist der Anteil der faulen Kredite weiter leicht gewachsen.

Die Kritik und die Mahnungen des IWF kamen nicht überraschend. Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva hatte sich erst kürzlich ähnlich geäußert. Cavaco hat den von Premier Coelho forcierten Kurs der Austerität grundsätzlich verteidigt, er war dessen Vorgänger an der Spitze der Sozialdemokratischen Partei (PSD), die trotz ihres Namens liberal-konservative Positionen vertritt.

Coelho hat für den Fall eines Sieges der jetzigen Mitte-rechts-Koalition bei den Wahlen im Oktober eine Fortsetzung seines Kurses angekündigt. Auch die oppositionellen Sozialisten (PS) verhehlen nicht, dass sie dessen Richtung im Prinzip für unausweichlich halten, doch würden sie sozialpolitisch andere Akzente setzen. Auch wollen sie die Mehrwertsteuer für die Gastronomie wieder senken sowie begrenzte Konjunkturprogramme für einzelne Wirtschaftszweige auflegen. Beide Gruppierungen würden nach den jüngsten Umfragen jeweils etwa ein Drittel der Stimmen erreichen, würde am kommenden Sonntag gewählt.

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Der Regierung werden Härten beim Sparprogramm angelastet, die vor allem Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger betreffen. Den Sozialisten hängt dagegen noch an, dass sie mit einem milliardenschweren Konjunkturprogramm, das wirkungslos verpuffte, zunächst die Krise verschlimmert haben. Der dafür verantwortliche damalige Premierminister José Sócrates befindet sich wegen Steuerhinterziehung und Korruption seit vergangenem Herbst in Haft. In Lissabon wird nicht damit gerechnet, dass er vor den Wahlen freikommt.

Entlassungen im öffentlichen Dienst

Im Gegensatz zum benachbarten Spanien haben in Portugal linksextreme und linksalternative Gruppierungen, die das gesamte Gesellschafts- und Wirtschaftssystem umbauen möchten, nach den Umfragen keine Chance, an der künftigen Regierung beteiligt zu werden. An den letzten Protestkundgebungen gegen das Sparprogramm nahmen nicht mehr als 5000 Demonstranten teil, meist Gewerkschafter und Aktivisten linksradikaler Gruppierungen. Die Umfragen belegen auch, dass die große Mehrheit von Beschäftigten der Privatwirtschaft die Sparmaßnahmen befürwortet.

Sprecher der Händler- und Handwerkerverbände begrüßten die Entlassungen im öffentlichen Dienst. Sie sehen sie als Voraussetzung für künftige Steuersenkungen und somit Neueinstellungen der Privatwirtschaft. Das Heer der öffentlich Bediensteten war in den Boomjahren vor der 2008 ausgebrochenen Krise bei neun Millionen Einwohnern auf 900 000 angewachsen, im Verhältnis doppelt so viel wie in der Bundesrepublik. Ihre Gehälter und Pensionen machten rund 14 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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