Es ist das bisher größte Projekt unter dem Dach des Internationalen Konsortiums für investigative Journalisten: Mehr als 140 Reporter auf der ganzen Welt recherchierten monatelang in internen Dokumenten der Schweizer Tochter der HSBC. Ihr Material ist das bisher größte Datenleck in der Bankenbranche, das von Ermittlern und Journalisten ausgewertet wurde. Betroffen ist die Schweizer Tochtergesellschaft HSBC Private Bank. Mehr als 100 000 Personen aus mehr als 200 Ländern und Territorien sind in den Unterlagen zu finden.
Französische Fahnder beschlagnahmten 2009 bei einem ehemaligen Mitarbeiter der HSBC, Hervé Falciani, die Unterlagen. Die Dokumente der Ermittler gelangten auch in den Besitz der französischen Zeitung Le Monde. Sie übergab die Daten an das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ). Die Organisation mit Sitz in Washington stellte die Daten 45 Medien weltweit zur Verfügung, darunter dem Guardian, der BBC - und in Deutschland der Süddeutschen Zeitung, dem NDR und dem WDR.
Den Anfang nahm die Recherche bei einem Treffen in Paris, im Sommer 2014. In den Redaktionsräumen von Le Monde kamen Reporter aus aller Welt zusammen, um das Projekt um die Falciani-Daten zu besprechen. In den folgenden Monaten recherchierten die Teams aus den verschiedenen Ländern teils zusammen, teils getrennt.
Das ist die Datenmenge
Das Swiss-Leaks ist 3,3 Gigabyte groß, das entspricht der Speichergröße von fünf CDs. Die Informationen verteilen sich auf 59 058 Dateien. Dabei handelt es sich vor allem um Excel-Tabellen. Rund 35 000 Stück erstellten französische Ermittler aus den digitalen Unterlagen, die sie bei Falciani gefunden hatten.
Recherche per Hand und per Computer
Aus den Tabellen lassen sich Listen mit Namen erstellen. Insgesamt sind 106 458 Personen in den Swiss-Leaks erwähnt: Kontoinhaber, Bevollmächtigte, Banker, Anwälte, Vermittler, Ehepartner. Diese Namen haben die Journalisten daraufhin überprüft, ob ein Fall gesellschaftliche Relevanz haben könnte. Dafür haben sie die Tabellen auch mit anderen Datenbanken abgeglichen, beispielsweise mit Politikerverzeichnissen, Wikipedia-Einträgen oder Most-Wanted-Listen. Dieser Abgleich erfolgte automatisiert mit Algorithmen. Im angelsächsischen Raum heißt diese Recherchemethode Computer-Assisted Reporting (CAR).
Viele Informationen stecken in den Protokollen, die die Bankberater über ihre Kundengespräche anlegen. Wollte der Kontoinhaber die Quellensteuer vermeiden? Wurde ihm vorgeschlagen, auf eine Briefkastenfirma auszuweichen? Hatte er ein Nummernkonto, und ließ er die Korrespondenz dazu im Schließfach - anstatt sich die möglicherweise verräterischen Dokumente schicken zu lassen?
Auch persönliche Beobachtungen notierten die Banker, etwa ob die Kunden verheiratet sind oder ohne Trauschein zusammenleben. Ein Berater besuchte mit seinen Kunden, einem Ehepaar, einen Skiort in den Bergen. "Frau leidet an der Höhe", heißt es in einem Protokoll. "Sie ist unter ständiger Beobachtung der Ärzte."
In den Kundenprofilen sind zudem viele Angaben zu persönlichen Daten einsehbar, um eine Person eindeutig zu identifizieren, etwa Name, Geburtsdatum und -ort. Dazu kommt in vielen Fällen der Kontostand. Mal liegen nur ein paar Hunderttausend Euro, Franken oder Dollar auf dem Konto, mal ist es ein dreistelliger Millionenbetrag. Alle gelisteten Einlagen summieren sich auf rund 75 Milliarden Euro.
Schweizer Polizei bestätigt Echtheit der Daten
Die französischen Behörden übergaben auch den Schweizer Ermittlern eine Kopie der Falciani-Daten. Ihnen ging es allerdings nicht um Steuerhinterzieher. Sie brauchten die Unterlagen für die Anklage gegen Falciani, die im Dezember erhoben wurde - unter anderem wegen Verletzung des Bankgeheimnisses und unbefugter Datenbeschaffung. Die Schweizer Bundeskriminalpolizei hat die Daten mit der HSBC analysiert. Sie urteilte: "Es sind echte und vertrauliche Daten, die in allen Punkten mit den Kundendaten übereinstimmen, wie sie bei der HSBC gespeichert wurden", zitiert der Tages-Anzeiger aus dem Bericht der Schweizer Polizei.