Interessensvertretung:Die Mauer hält

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Einen wie ihn hatten sie in Hamburg noch nie gesehen: Tobias Bergmann. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Revolution durch Chaos: Der krawallige Bayer Tobias Bergmann wollte die noble Hamburger Handelskammer verändern. Jetzt tritt er zurück. Woran ist er gescheitert?

Von Angelika Slavik, Hamburg

Den Begriff "aufregend" kann man ja positiv oder negativ interpretieren, er könnte "energiegeladen" bedeuten - oder "chaotisch". Wenn man auf die Ära von Tobias Bergmann als Präsident der Hamburger Handelskammer zurückblickt, dann ist aufregend wohl genau die richtige Charakterisierung.

Am Wochenende hat Bergmann, 47, seinen Job als Handelskammer-Präses hingeschmissen, mit sofortiger Wirkung, wie er sagt. "Es war mir eine Ehre, Freude und Bürde", twitterte Bergmann, dazu stellte er einen Screenshot seiner E-Mail an das Präsidium der Handelskammer. Sein Ziel sei eine "transparente, demokratische und sparsame Handelskammer" gewesen, heißt es darin. Vieles sei "trotz Widerständen" gelungen. Nun müsse die Reform konsequent weitergeführt werden, schreibt Bergmann. "Für diese Aufgabe fehlt mir jedoch der notwendige Rückhalt."

Es ist das nüchterne Ende einer gescheiterten Revolution.

Als Bergmann und seine Liste "Die Kammer sind Wir!" Anfang 2017 die Macht in der Handelskammer an sich rissen, erschütterte das diese Institution nachhaltig. Einen Mann wie ihn hatten sie hier noch nicht gesehen: Bergmann ist Unternehmensberater und Hobbyboxer, er ist laut, rhetorisch gewitzt, er ist ein Fantast. Und er ist Bayer. Man könne nicht immer nur nobel und zurückhaltend sein, sagte er damals. "Sonst ändert sich ja nichts."

Schon kurz nach dem krawalligen Wahlkampf zeigte sich, dass seine Pläne nicht finanzierbar sind

Die Hamburger Handelskammer aber ist in der Hansestadt eine standesbewusste Institution. Noblesse wird hier erwartet, das Haus hat seine Macht in der Stadt seit der Gründung 1665 stetig und diskret ausgebaut. Den Einfluss der Kammer sieht man auch im Machtzentrum der Stadt: Zwischen der Handelskammer und dem Rathaus gibt es einen Verbindungsgang. Ob der offen oder geschlossen ist, kann man allerdings nur von einer Seite aus bestimmen - nämlich von jener der Kämmerer. Bergmann aber hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ihn dieser Standesdünkel befremdet, er warf der Kammer Verschwendung vor und empörte sich über das Gehalt des langjährigen Kammergeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz, der zuletzt eine halbe Million Euro im Jahr verdient haben soll. Vor allem aber wetterte Bergmann gegen die Zwangsgebühren, mit der die Unternehmen die Kammer finanzieren. Die Gebühren müssten fallen, forderte Bergmann in einem krawalligen Wahlkampf. Der brachte seiner Liste schließlich den Sieg bei den Handelskammer-Wahlen und ihm den Job als Präses.

Doch schon kurz nach Amtsantritt musste Bergmann einräumen, dass die üppigen Pensionsverpflichtungen der Kammer seiner Idee von der Gebührenabschaffung zuwiderliefen. Bergmann verschlankte die Struktur, scheiterte aber auch an komplexen Regularien: Er könne rechtlich niemanden aus dem Präsidium "entfernen", klagte er. Dazu gab es Unstimmigkeiten in seiner Liste, die Gegner formierten sich. Zuletzt warfen sie Bergmann vor, was er einst seinen Vorgängern angekreidet hatte: unverantwortlich mit Kammergeld umzugehen. Bergmann hatte für seinen Job als Präses einen Business-Coach in Anspruch genommen und die Kosten dem Haus in Rechnung gestellt. Von knapp 5000 Euro ist die Rede, für die Kammer eigentlich eine Lappalie. Trotzdem muss man sagen: genützt hat das Coaching wohl nix.

Wer Bergmann folgt und ob es Neuwahlen gibt, ist offen.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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