Halbleiter:Wendepunkt für Europa

Halbleiter: So wie in dieser Computergrafik soll die Intel-Fabrik in Magdeburg einmal aussehen.

So wie in dieser Computergrafik soll die Intel-Fabrik in Magdeburg einmal aussehen.

(Foto: Intel)

Intel baut für 17 Milliarden Euro zwei Chipfabriken in Deutschland. Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen wegweisend.

Kommentar von Caspar Busse

Es ist eine der größten Investitionen in Deutschland in den vergangenen Jahren überhaupt: Der amerikanische Chiphersteller Intel verkündete diese Woche, dass er die enorme Summe von 17 Milliarden Euro in den Bau zweier neuer Fabriken in Magdeburg investieren will. Die Entscheidung, noch dazu in diesen höchst unsicheren Zeiten des Ukraine-Kriegs verkündet, ist wegweisend, ihre Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen - und das gleich aus mehreren Gründen, auch wenn es durchaus Risiken gibt.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Intels Mega-Investition mal als ein Wendepunkt für Europa und seine Industrie bezeichnet werden wird. Seit Jahren wandert die Produktion von Chips ab, die Hersteller verlagern die Fabriken nach Asien oder in die USA. Der Anteil der in Europa gefertigten Halbleiter geht immer weiter zurück und lag zuletzt bei nur noch zehn Prozent.

Es gibt kaum noch Chipkonzerne von Weltrang mit Sitz in Europa, der Dax-Konzern Infineon gehört als einer der wenigen dazu. Die Abhängigkeit Europas in dieser Schlüsseltechnologie von Asien und den USA ist also gefährlich hoch - wie hoch, das zeigte sich in der Pandemie. Denn wegen Corona wurden Halbleiter weltweit knapp und waren oft einfach nicht mehr verfügbar. Das führt zu Lieferproblemen und schmerzhaften Produktionsausfällen, etwa in der deutsche Autoindustrie.

Klar ist auch: Es ist noch ein weiter Weg bis zur Souveränität

Es gehe um nichts weniger als um die "technologische Souveränität" Europas, sagte 2021 EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und kündigte massive Hilfen für neue Chipfabriken an. Es stimmt: Europa braucht Chipfabriken. Halbleiter sind heute in nahezu allen Produkten - in Autos, Mobiltelefonen, Windkraftanlagen, Kühlschränken. Europa braucht sie auch dringend für Zukunftsprojekte wie die Energiewende oder die Digitalisierung.

Dabei ist es wichtig, dass in Europa geforscht, entwickelt und produziert wird, auch daran hängt die Zukunft der Industrie und damit des Wohlstands. Taiwan ist heute weltweit führend in der Fertigung von Halbleitern. Was würde passieren, sollte China seinen Einfluss dort verstärken und Warenströme umlenken? Es ist allerdings auch klar, das die Intel-Entscheidung nur der erste Schritt auf dem langen und beschwerlichen Weg zu mehr europäischer Souveränität ist.

Erstaunlich ist dabei, dass der Wiederaufstieg der europäischen Chipindustrie ausgerechnet in Magdeburg in Sachsen-Anhalt beginnen soll. Der Standort hat sich unter vielen Kandidaten durchgesetzt und war "am Ende klar vorn", wie Intel-Chef Pat Gelsinger sagt. Natürlich ist bei solchen Entscheidungen auch die Höhe der öffentlichen Förderung entscheidend. Offenbar ist der Standort im Osten Deutschlands aber nicht so schlecht, wie viele oft meinen. Auch Tesla hat die Vorzüge der östlichen Bundesländer erkannt und baut sein neues E-Auto-Werk in Grünheide in Brandenburg - in einem erstaunlichen Tempo übrigens.

Eine große Chance für Sachsen-Anhalt

Für Sachsen-Anhalt ist das eine große Chance. Zwar wird Intel direkt nur 3000 neue Jobs schaffen, relativ wenig angesichts der hohen Investitionssumme, weil die Produktion eben hochautomatisiert ist und mit wenigen Beschäftigten auskommt. Aber im Umfeld werden weitere Arbeitsplätze entstehen. Und Magdeburg wird die Chance haben, ein Halbleiterzentrum zu werden, so wie jetzt bereits Dresden. Dort hat auch in den 90er-Jahren eine Investitionsentscheidung die Entwicklung enorm beschleunigt, heute gibt es in Dresden einen sogenannten Cluster - ein Biotop aus großen Chip-Werken, -Zulieferern, vielen Experten und Forschung, das der ganzen Region zugute kommt.

Und doch birgt die Entwicklung auch Gefahren. Angesichts des weltweiten Chipmangels planen jetzt alle Anbieter weltweit und investieren kräftig, nicht nur Intel. Auch wenn alle sich beeilen, dauert es, bis die Werke fertig sind, denn erforderlich ist nicht nur viel Geld, sondern auch spezielle Technik. In Magdeburg etwa will Intel von 2027 an bereit sein. Das Problem: In wenigen Jahren, wenn die Fabriken öffnen, könnte es dann massive Überkapazitäten geben. Aus dem aktuellen Chip-Engpass könnte vielleicht ein -Überfluss werden - mit allen Problemen für die Hersteller. Aber diese Schweinezyklen kennt die Branche nur zu gut.

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