Wo lässt sich noch Geld holen? Das ist eine der Kernfragen für Michael Jaffé, den Insolvenzverwalter von Wirecard. Er hat kaum Vermögen vorgefunden, dafür aber 3,2 Milliarden Euro Schulden. Also lässt Jaffé, wie es seine Pflicht ist, Ansprüche gegen alle möglichen Personen und Gesellschaften prüfen. Dazu auch auch der Wirtschaftsprüfer- und Beraterkonzern EY, der sich vormals Ernst & Young nannte. EY hat jahrelang die Bilanzen der Wirecard AG für in Ordnung befunden. Die Zahlen des Zahlungsdienstleisters sollen aber seit 2015 gefälscht gewesen seien, wie die Staatsanwaltschaft München I vermutet.
Hat EY also nachlässig geprüft und muss, zusammen mit anderen, daher für die Schäden der Hausbanken und Investoren von Wirecard haften? Das will Jaffé zumindest nicht ausschließen und daher verhindern, dass mögliche Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfgesellschaft verjähren. Da aber schon Ende des Jahres eine solche Verjährung eintreten könnte, hat der Insolvenzverwalter EY angeschrieben. Und aufgefordert, einen sogenannten Verjährungsverzicht zu erklären. EY äußert sich dazu nicht. Dem Vernehmen nach überlegen das EY-Verantwortlichen noch, ob sie eine solche Erklärung abgeben, oder nicht.
Würde der Wirtschaftsprüferkonzern das nicht tun, müsste der Insolvenzverwalter bereits in diesem Jahr Klage gegen EY einreichen. So aber würde Jaffé Zeit gewinnen, was in diesem Fall besonders wichtig ist. Jaffé hat ein so riesiges Chaos bei Wirecard vorgefunden, dass die Aufklärung der vielen undurchsichtigen Vorgänge nicht Monate, sondern Jahre dauern dürfte. Auch die Hausbanken von Wirecard prüfen Schadenersatzforderungen, unter anderem gegen EY. Dort dürfte am meisten zu holen sein, weshalb Anwaltskanzleien im Auftrag von Aktionären bereits erste Klagen eingereicht haben. EY weist alle Vorwürfe zurück und erklärt seit Monaten, man sei von Wirecard getäuscht worden.