Insolvenzverwalter Michael Jaffé:Im Plüschtier-Land

Seit sich Michael Jaffé vor vier Jahren um die Pleite des Medienkonzerns Kirch gekümmert hat, ist er einer der prominentesten Insolvenzverwalter Deutschlands. Nun steht er wieder im Mittelpunkt eines bizarren Krimis: Er muss das WM-Maskottchen Goleo verkaufen.

Klaus Ott

Was sofort auffällt, das sind die Karotten. In der Bibliothek der Kanzlei Jaffé liegen nicht, wie sonst in großen Anwaltsbüros oder in Konzernzentralen üblich, ein paar Plätzchen für den kleinen Hunger bereit.

Insolvenzverwalter Michael Jaffé: Hält sich gern im Hintergrund: Michael Jaffé.

Hält sich gern im Hintergrund: Michael Jaffé.

(Foto: Foto: dpa)

Statt süßem Teegebäck gibt es für den Hausherrn und seine Gäste knackige Möhren. Michael Jaffé, Fachanwalt für Insolvenzrecht, versucht gesund zu leben. Seit einigen Jahren läuft er regelmäßig. Irgendwie muss der Stress ja abgebaut werden, dem sich der Experte für Firmenpleiten immer wieder aussetzt.

Gegenwärtig wühlt sich der Münchner Jurist mit Wirtschaftsprüfern und anderen Helfern tage- und nächtelang durch die Akten und Dateien des Plüschtier-Produzenten Nici im oberfränkischen Altenkunstadt.

Weltweite Schlagzeilen

Das neue Mandat macht weltweit Schlagzeilen. Schließlich stellt Nici das WM-Maskottchen Goleo her, einen hosenlosen Löwen, der besonders in Japan viele Anhänger hat.

Und es handelt sich um einen bizarren Krimi. Der langjährige Vorstandschef Ottmar Pfaff hat für mindestens 55 Millionen Euro Scheinrechnungen geschrieben und diese Forderungen für 40 Millionen Euro an Banken und andere Finanzfirmen verkauft, die das Geld später eintreiben wollten.

Pfaff habe es nicht über das Herz gebracht, sagt dessen Anwalt, Einschnitte vorzunehmen und die Kosten den Einnahmen anzupassen. Das ist jetzt der Job des vorläufigen Insolvenzverwalters. Jaffé muss den 580 Beschäftigten, davon 350 in Altenkunstadt, eines nicht allzu fernen Tages bittere Wahrheiten verkünden.

Nicht alle Arbeitsplätze bleiben erhalten

Nici kann als Firma gerettet werden, dessen ist sich der vorübergehende Firmenchef sicher. Aber es werden bestimmt nicht alle Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Im nationalen und teilweise auch im internationalen Wirtschaftsleben hat der Münchner Jurist eine gewisse Bekanntheit erlangt, seitdem er sich vor vier Jahren um eine der spektakulärsten Pleiten in Deutschland kümmerte.

Das Amtsgericht setzt Jaffé als Insolvenzverwalter bei der Kirch-Gruppe ein, dem größten Film- und Fernsehkonzern im Lande. Die Kanzlei nahe dem Marienplatz, direkt gegenüber dem Rathaus gelegen, war plötzlich eine Art Konzernzentrale.

Die meisten Aktien der Pro Sieben Sat 1 Media AG lagen dort, ebenso Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga und die Weltmeisterschaft 2002 sowie die Rechte an mehreren zehntausend Filmen und Serien.

Guter Überblick

Dass kein einziger von Leo Kirchs vielen Fernsehsendern vom Bildschirm verschwand, das lag auch an Jaffé, der in dem unübersichtlichen Geflecht mit Hunderten Firmen und diversen fragwürdigen Geschäften nicht den Überblick verlor.

Im Plüschtier-Land

Einmal, als es besonders brenzlig wurde, schaffte es der Jurist sogar in die Harald-Schmidt-Show, die damals noch bei Sat 1 lief. Allerdings war Jaffé nicht persönlich bei Schmidt zu Gast; vielmehr amüsierte sich der Satire-Star über ein Zeitungsinterview, in dem der Insolvenzverwalter allen Turbulenzen bei Pro Sieben Sat 1 zum Trotz gute Stimmung verbreiten wollte.

"Die Braut wird täglich schöner und teurer", verkündete der Anwalt unverdrossen, nachdem der US-Investor Haim Saban gerade die vereinbarte Übernahme der TV-Gruppe hatte platzen lassen (um später doch zuzugreifen) und interne Querelen die Fernseh-AG zu lähmen drohten. Mehrere Senderchefs standen kurz vor dem Rauswurf.

Am liebsten incognito

Freiwillig ginge der Spezialist für knifflige Fälle nur ungern ins Fernsehen, er sucht nicht die große Bühne und bleibt am liebsten unerkannt. So wie vor einigen Jahren in Lissabon, wo Jaffé für ein paar Tage der Kirch-Krise entfloh.

Eines Abends saßen im Restaurant am Nebentisch Medienschaffende aus Deutschland und palaverten, was nun aus Kirchs Imperium werde. Viel Gerede war dabei. Der Mann aus München, der alles besser wusste, hätte sich wichtig machen können. Er lächelte und schwieg, und machte sich schnell wieder an die Arbeit.

Sanierer

Jaffé versteht sich in erster Linie nicht als Abwickler, sondern als Sanierer. Ihm geht es darum, den gesunden Kern von kranken Unternehmen zu retten, entweder selbst, oder gleich mit neuen Investoren.

Der Jurist mit dem lichten Haar kann einige Erfolge vorweisen. Für eine Privatklinik in Fürth fand er neue Betreiber; ebenso für ein Textilwerk im niederbayerischen Deggendorf mit 1000 Arbeitsplätzen. Die meisten Stellen blieben erhalten. Aber nicht alles gelingt.

Eine Porzellanfabrik mit 424 Beschäftigten im oberpfälzischen Mitterteich musste Jaffé zusperren. Hier half nicht einmal mehr das übliche Szenario: Kosten senken, Leute entlassen; Maßnahmen, die die Firmenchefs versäumt haben und der Insolvenzverwalter nachholen muss.

Bei der Kirch-Gruppe, deren Sendern und Zulieferern gingen einige tausend Arbeitsplätze verloren; noch mehr Stellen konnten indes gerettet werden.

Wie ein Manager

Rigides Kostenmanagement alleine genügt allerdings nicht. Um die Banken davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, ein Unternehmen zu retten, muss Jaffé wie ein Manager agieren, die Märkte sondieren und den Absatz sichern.

Ob nun für Filme, Tassen, Teppiche oder Plüschtiere. Vor vier Jahre, nach der Kirch-Pleite, war der Insolvenzverwalter bei der Fußball-WM mit deren TV-Übertragungsrechten plötzlich dick im Geschäft. Jetzt verkauft er das WM-Maskottchen Goleo.

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