Insolvenzverfahren gegen Prokon eröffnet:Böses Ende eines grünen Märchens

Regenwolken über Windpark

Dunkle Regenwolken ziehen über einem Windpark bei Riepe (Niedersachsen) auf.

(Foto: dpa)

75 000 Anleger bangen um ihr Geld: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Windpark-Betreiber Prokon stehen insgesamt 1,4 Milliarden Euro im Risiko. Ab sofort können die Gläubiger ihre Ansprüche geltend machen.

Von Markus Balser, Berlin

Ungebetene Post im Briefkasten, Trailer vor der Tagesschau, Werbebanner selbst in entlegensten Buslinien: Viel Wind war in den vergangenen Jahren Kern des Geschäfts beim Öko-Imperium Prokon und das nicht nur auf dem Strommarkt. An den großen Versprechungen der Firma aus Itzehoe kam kaum jemand vorbei. "Es ist Zeit, etwas zu verändern. Und das geht einfacher, als man denkt. Schon ab 100 Euro können Sie bei Prokon in erneuerbare Energien investieren. Und das lohnt sich. Für Sie und für eine lebenswerte Zukunft!" Mit mindestens sechs Prozent Rendite warben die Geldeintreiber, allen voran Gründer Carsten Rodbertus, um Anleger: Es gehe um Gutes - mit Sicherheit und zum Anfassen.

Doch die Anleger haben seit Donnerstag vor allem eines: Angst. Gut drei Monate nach dem Insolvenzantrag hat das zuständige Amtsgericht Itzehoe das Insolvenzverfahren über das Öko-Imperium eröffnet. Betroffen von dem Verfahren ist die Prokon Regenerative Energien GmbH mit 480 Mitarbeitern - sie gilt als der Anlage-Arm der Firma. Andere Firmen aus dem Prokon-Bereich mit gut 800 Mitarbeitern seien dagegen nicht insolvent, teilte das Gericht mit.

Damit vollzieht sich auf dem grauen Kapitalmarkt in Deutschland eine der größten Pleiten seit Jahren. Betroffen sind 75 000 Anleger, die zusammen 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechten in die Firma gesteckt haben. Seit Monaten bangen sie nun schon um ihr Kapital. Mit dem Insolvenzantrag dürfte es nun bald Gewissheit darüber geben, wie viel den Investoren von ihrem Vermögen noch übrig bleibt.

Eine Milliarde Vermögen, 1,5 Milliarden Verbindlichkeiten

Was einst als grünes Märchen begann, droht sich zum Albtraum für die Anleger zu entwickeln. Denn die neuen Angaben des Insolvenzgerichts machen wenig Hoffnung - ein Teil des gewaltigen Vermögens scheint verloren. Die Prokon Regenerative Energien GmbH sei zahlungsunfähig und überschuldet, urteilt das Gericht. Forderungen von 391 Millionen Euro stünden flüssige Mittel von 19 Millionen Euro gegenüber. "Es besteht eine Liquiditätsunterdeckung von rund 95 Prozent", heißt es im Eröffnungsbeschluss schnörkellos.

Auch das Vermögen deckt die Verbindlichkeiten bei Weitem nicht. Dem Prokon-Vermögen - etwa durch Windparks oder Projektpläne - von gut einer Milliarde stünden Verbindlichkeiten von 1,5 Milliarden Euro entgegen. Prokon sei überschuldet, heißt es in dem Beschluss weiter. Eine Fortführung des Unternehmens sei unter diesen Umständen "nicht überwiegend wahrscheinlich".

Im Klartext: Der Firma, die zuletzt Zinsen nicht mehr zahlen konnte, droht die Zerschlagung. Der Insolvenzverwalter könnte gezwungen sein, Unternehmensteile zu verkaufen, um so flüssige Mittel in die Kasse zu bekommen. Das Gericht wies die Aufgabe dem Hamburger Rechtsanwalt Dietmar Penzlin zu. Er hatte die Kontrolle über das Unternehmen im Januar bereits vorläufig übernommen. An diesem Freitag will er den weiteren Gang des Insolvenzverfahrens erläutern.

Anleger können bis 15. September Ansprüche geltend machen

Prokon-Anleger konnten bisher noch keine Forderungen anmelden. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert sich das. Sie können nun ihre Ansprüche beim Insolvenzverwalter geltend machen. Das Gericht hat dafür eine Frist bis zum 15. September gesetzt. Eine Gläubigerversammlung, in der über den Fortgang des Verfahrens entschieden wird, ist für den 22. Juli angesetzt. Wie hoch die Insolvenzquote sein wird, ist noch völlig offen. Bilanzexperten diskutieren über mögliche Insolvenzquoten, die sich zwischen 35 und 70 Prozent bewegen.

Für die Firma und ihre Anleger bedeutet die Pleite einen rasanten Absturz. Dabei hatte es so gut begonnen. Der Aufstieg von Prokon war phantastisch, eine Wette gegen die Wahrscheinlichkeit. Als junger Buchhalter kaufte sich Gründer Rodbertus an der Nordsee ein Stück Land und stellte zwei Windräder auf. Dann kam ihm die Idee zu Prokon - die Abkürzung steht für PROjekte und KONzepte. Carsten Rodbertus gründete die Firma 1995 und sammelte das erste Geld bei Anlegern für zwei weitere Räder ein, dann vier. In wenigen Jahren wurde aus der Garagenfirma ein gigantisches Finanz-Konglomerat. Prokon investierte die Anlegergelder in 52 Windparks in Deutschland und Polen mit rund 300 Windanlagen, eine Ölmühle in Magdeburg, in Wälder und einen Holz verarbeitenden Betrieb.

Verbraucherschützer warnen vor Geldanlagen wie Prokon

Doch schon vor einiger Zeit wurden Zweifel laut, ob das Geschäftsmodell die immensen Zinsen überhaupt erwirtschaften kann. Experten warnten immer wieder vor einem Schneeballsystem, was Prokon stets dementierte. Hinzu kam Kritik an der Anlageform. Rodbertus beteiligte die Investoren mit Genussrechten an seinem Unternehmen. Diese Mischform aus Aktie und Anleihe verspricht den Anlegern regelmäßige Zinszahlungen, berechtigt aber nicht zur Mitsprache. Und die größte Gefahr: Im Fall einer Pleite werden zunächst andere Gläubiger bedient, erst dann die Genussrechtsinhaber. Verbraucherschützer warnen seit Langem vor solchen Geldanlagen.

Schon der vorläufige Insolvenzantrag von Prokon im Januar hatte in Deutschland hohe Wellen geschlagen. Als Konsequenz aus der Prokon-Pleite plant die Bundesregierung eine schärfere Regulierung für den sogenannten grauen Kapitalmarkt, auf dem immer wieder dubiose Firmen aufgefallen waren. Anleger sollen besser vor riskanten Finanzprodukten geschützt werden. So soll die Finanzaufsicht Bafin mehr Kontrollmöglichkeiten erhalten. Auch ein Werbe- oder Vertriebsverbot für zweifelhafte Kapitalanlagen steht in der Diskussion.

Für den umstrittenen Gründer Rodbertus ist der Kampf offenbar noch nicht zu Ende. Noch am Montag warb der Ex-Prokon-Chef nach Angaben von Teilnehmern für einen Neuanfang. Bei einem Auftritt vor Anlegern in Bremen trommelte er für eine neue Prokon AG, die Teile der alten kaufen soll. Anleger werden die jüngste Warnung Rodbertus' wohl so schnell nicht vergessen: "Sie werden sich die Augen reiben, wie Ihr Geld vernichtet wird."

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