Unternehmen:So viele Pleiten in Bayern und Baden-Württemberg wie seit acht Jahren nicht mehr

Lesezeit: 2 Min.

Vor allem Unternehmen in der Wohnungswirtschaft geht es zunehmend schlechter. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Die Zahl der Insolvenzen ging bundesweit im August zwar zurück, verglichen mit dem Vorjahr stieg sie jedoch drastisch. Im Großraum München sind davon besonders viele Arbeitsplätze gefährdet.

Von Uwe Ritzer, München

In Bayern und Baden-Württemberg gab es im August so viele Firmenpleiten wie seit acht Jahren nicht mehr. Bundesweit ist die Zahl der Insolvenzanträge im vergangenen Monat zwar leicht zurückgegangen, im Jahresvergleich jedoch drastisch gestiegen. Vor allem mehr große Unternehmen gingen in die Knie, was die Zahl der von Insolvenzen betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Höhe schnellen ließ. Ein schnelles Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.

Dies sind die wesentlichsten Ergebnisse einer noch unveröffentlichten Erhebung des Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in Halle an der Saale (IWH), die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Seit Januar 2016 ermittelt das Forschungsinstitut die Zahl der Pleiten hierzulande. Ihr monatlicher IWH-Insolvenztrend beruht auf Daten der aktuellen Insolvenzbekanntmachungen deutscher Registergerichte, die mit den Bilanzzahlen der betroffenen Firmen verknüpft werden. Er umfasst Personen- und Kapitalgesellschaften, Kleinstunternehmen werden nicht berücksichtigt, da diese gesamtwirtschaftlich zu wenig relevant seien, so die IWH-Experten.

Bundesweit ergab die Auswertung der August-Daten einen Rückgang der Firmenpleiten um neun Prozent gegenüber dem Vormonat. Verglichen mit August 2023 lag die Zahl der Insolvenzanträge in Deutschland jedoch um 27 Prozent höher. Was den Experten auffiel: Die Firmenpleiten schlagen zunehmend auf den Arbeitsmarkt durch. Das hat damit zu tun, dass immer mehr großen Unternehmen die Luft ausgeht. Die größten zehn Prozent der Firmen, die im August den Gang zum Insolvenzgericht antraten, beschäftigen zusammengerechnet mehr als 15 000 Menschen, die nun um ihre Jobs bangen. Dies bedeute auch, so die IWH-Experten, dass 84 Prozent mehr Beschäftigte von Insolvenzen betroffen gewesen seien als im August-Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019.

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Den stärksten Anstieg bei den Insolvenzen legte mit 60 Prozent Bayern hin

Besonders viele Firmenpleiten gab es zuletzt in Bayern und Baden-Württemberg, das IWH konstatiert ein „Rekordniveau bei den Insolvenzen“ in beiden Bundesländern. Demnach mussten im Freistaat 203 und im Ländle 163 Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig den Gang zum Insolvenzgericht antreten. Betroffen seien etwa 4000 Arbeitsplätze in beiden Ländern. In Bayern schwächeln vor allem Unternehmen aus dem Sektor Wohnungswirtschaft, sowie unternehmensnahe Dienstleister. Auffällig sei „der starke Anstieg der Insolvenzen beim Handel mit Immobilien, zum Beispiel bei Projektentwicklern, die offenbar von den Auswirkungen eines zuvor überhitzten Immobilienmarktes und von hohen Baukosten und steigenden Zinsen betroffen sind“, so die IWH-Experten. Rund 1700 Arbeitsplätze seien in Bayern in insolventen Betrieben gefährdet, die mit Abstand meisten im Großraum München.

In Baden-Württemberg sind vor allem der Handel, die Industrie und das Baugewerbe betroffen, und das vor allem im Ballungsraum Stuttgart. Das Bundesland verzeichnete IWH-Forschungsleiter Steffen Müller zufolge zwischen Januar und August „im Vergleich zu demselben Zeitraum in den Jahren vor der Coronapandemie mit einem Plus von etwa 50 Prozent einen der stärksten Anstiege bei den Insolvenzen in Deutschland, nur übertroffen von Bayern, wo der Anstieg bei 60 Prozent lag“.

Bei längerfristiger Betrachtung hat sich nach den Erkenntnissen der Hallenser Forscher in ganz Deutschland vor allem die Situation der Wohnungswirtschaft deutlich verschlechtert. Die Zahl der Insolvenzen im Grundstücks- und Wohnungswesen von rund 30 Fällen im Januar 2020 habe sich seither in etwa verdreifacht, so das IWH. Auch der Handel mit Immobilien weise seit Mitte 2022 einen starken Anstieg der Insolvenzen auf. Die Zahl der monatlichen Anträge habe sich seit Januar 2020 ungefähr verfünffacht. Ursache seien vor allem gestiegene Finanzierungskosten, die wiederum die Nachfrage sinken ließen. „Die Insolvenzen in der Immobilienwirtschaft sind auch die Folge einer jahrelang anhaltenden und dann abrupt beendeten Niedrigzinsphase, zu der dann auch noch gestiegene Baukosten obendrauf kamen“, so Steffen Müller.

Anzeichen dafür, dass die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland im Herbst zurückgeht, sieht der Leiter der Insolvenzforschung des IWH nicht: „Auf der Basis unserer Frühindikatoren erwarten wir einen erneuten Anstieg der Insolvenzen im September und Oktober“, so Müller.

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