Insolvenzen:Abschied von alten Bekannten

Schiesser, Märklin, Rosenthal: Seitdem Traditionsmarken pleitegehen, ist die Rezession für alle gegenwärtig.

Marc Beise

Jetzt also Schiesser. Warum ausgerechnet Schiesser? War der solide Unterwäschelieferant vom Bodensee (gegründet 1875) nicht tapfer mit der Zeit gegangen und hatte sich zum chicen Nacht- und Sportwäschehersteller gemausert? Hat er sich nicht in die Arme einer schweizerischen Mutter gerettet und seit Jahren immer wieder tapfer restrukturiert? Am Ende hat es für 2300 Mitarbeiter doch nicht gereicht. Die notwendige "Anschlussfinanzierung" habe nicht mehr "sichergestellt" werden können, melden nüchterne Zahlenmenschen, und also war der Gang zum Insolvenzgericht unabwendbar. Der weiße Feinripp und die Anschlussfinanzierung - da prallen Welten aufeinander.

Insolvenzen Die Krise erreicht die Gesellschaft ddp

Dem Wäscheunternehmen Schiesser fehlte letztlich die notwenige "Anschlussfinanzierung".

(Foto: Foto: ddp)

Traditionsunternehmen im Wandel

Von vielen guten alten Bekannten muss man sich in diesen Tagen trennen. Vertraute Namen bestimmen die Nachrichten, liebgewonnene Wegbegleiter. Traditionshäuser gehen pleite, werden manchmal übernommen und machen dann vielleicht unter demselben Namen, aber mit anderen Eigentümern weiter, um später dann doch zu scheitern.

Und verschwinden einfach aus der Welt, samt den allseits bekannten Namen. Heute geht es um Schiesser, Märklin, Rosenthal, Hertie. Früher waren es Dornier und Pfaff. Möbel Krügel. Der Bremer Vulkan. Grundig. Philipp Holzmann. Bald wird der Name Dresdner Bank verschwinden. Spätestens mit dem Sterben der Marken erreicht die Wirtschaftskrise die Mitte der Gesellschaft.

Zwar sind Insolvenzen sind Teil des wirtschaftlichen Lebens, einige Zehntausend können es selbst in guten Zeiten sein. Gegenzurechnen sind die Firmengründungen, die neue Arbeitsplätze schaffen, wo alte verloren gegangen sind. Dennoch ist gerade den Traditionsfirmen alle Aufmerksamkeit gewiss. Geht in der Folge der Finanzkrise alles unter, was uns lieb und teuer ist? Und womöglich nur deshalb, weil die bösen Banken den klammen Unternehmen keine Kredite mehr geben? Allmählich kriecht die Angst in den Menschen hoch, und wer noch nicht schon verzweifelt ist, der wird es nun langsam werden.

Weihnachten war noch alles gut

Die Krise ist immer zunächst abstrakt. Erst wenn sie konkret wird, erlebbar, wird es wirklich ernst. So haben die Deutschen noch bis in die letzten Tage hinein gedacht, dass es in der Folge des Crashs der Banken so schlimm wohl doch nicht werden wird. Und kauften fleißig noch zu Weihnachten die Geschäfte leer. Noch im Januar hielt sich der Konsumklimaindex, und selbst das Ifo-Institut meldete schon wieder bessere Stimmung bei den Unternehmen.

Aber die Krise war längst da, sie braucht nur ihre Zeit, bis sie wie Mehltau alles Wirtschaften überzieht. Nun geht es Schlag auf Schlag. Dennoch lohnt es sich, die Lage ganz nüchtern zu betrachten. Ja, es gibt eine schwere Wirtschaftskrise. Ja, sie erfasst immer mehr Unternehmen, und auch für 140 Jahre alte Firmen gibt es keine Bestandsgarantie.

Alte verschwinden, neue kommen

Aber ebenso wie diese Krise vorbeigehen und ein neuer Aufschwung kommen wird, werden neue Marken die alten ersetzen. Längst sind frische Namen im Markt etabliert; manche davon haben sich in Windeseile ins Gedächtnis der jungen Generation eingebrannt. Google, das iPod von Apple, eine Limo, die Bionade heißt. Manchmal sogar kommt Altes zurück: Sinalco und Afri Cola.

Es hilft, Wirtschaft ganz unsentimental zu betrachten. Die Welt ist ein ewiger Prozess der Umwälzung. Einiges bleibt ziemlich lange, aber nichts bleibt für immer. Am Ende geht es stets um eine Mischung aus Emotion und Verstand. Was macht eine gute Marke aus? Innovationskraft, Schaffung von Vertrauen, Service, Zugänglichkeit. Wer sich darum bemüht, hat Chancen zu überleben oder neu zu beginnen.Die Wirtschaftswissenschaftler zitieren an dieser Stelle gerne den österreichischen Nationalökonomen Josef Schumpeter mit dem Wort von der schöpferischen Zerstörung. Und der Volksmund sagt schlicht: In jedem Ende steckt ein Anfang.

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