Insolvenzdrama:Fiat, Chrysler und die Erdnüsse

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Bei der Klage dreier Pensionfonds gegen den Fiat-Chrysler-Deal geht es um vergleichsweise wenig Geld - dennoch gerät damit Obamas Politik ins Wanken.

C. Matthäus

Es sind nur Peanuts, kleine Erdnüsse - im Vergleich zu den Milliarden-Summen, die Chrysler seinen Gläubigern schuldet. Nach Angaben des Unternehmens haben drei Pensionfonds aus Indiana rund 17 Millionen Dollar investiert, um Chrysler-Schulden im Nominalwert von 42,5 Millionen Dollar zu kaufen. Zugesprochen wurden ihnen im Zuge der Insolvenz 12 Milllionen Dollar, der Verlust beliefe sich laut Chrysler somit auf fünf Millionen Dollar.

Die Klage dreier Pensionsfonds gegen Fiat und Chrysler bringt die Politik der Regierung Obama ins Wanken. (Foto: Foto: Getty)

Die drei Pensionfonds aus Indiana aber wollen diesen Verlust nicht hinnehmen und haben gegen das Insolvenzverfahren geklagt. Und das Oberste Gericht der USA hat wegen dieser Klage das Zusammengehen von Fiat und Chrysler auf Eis gelegt.

Zum Vergleich: Chrysler muss für Schulden in Höhe von knapp sieben Milliarden Dollar aufkommen, täglich macht das Unternehmen rund 100 Millionen Dollar Verluste. Verzögert sich der Fiat-Chrysler-Deal zu lange, könnten die Italiener außerdem abspringen und Chrysler in die endgültige Liquidation treben. Fiat hat sich das Recht vorbehalten, schon am 15. Juni die Reißleine zu ziehen, sollten die Amerikaner bis dahin nicht alle Probleme aus dem Weg geräumt haben. Und das alles wegen einem Streit um fünf Millionen Dollar?

Es geht ums Prinzip

Doch es geht hier - wie häufig bei höchstrichterlichen Entscheidungen - um ein Prinzip. In diesem Fall muss bewertet werden, ob die Politik in Notsituationen die Regeln einer Insolvenz verändern darf. Genau das hat Obamas Auto-Team getan, indem sie der Auto-Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) eine Mehrheits-Beteiligung am neuen italienisch-amerikanischen Unternehmen zusprachen, anderen Schuldnern aber nur eine Abfindung.

Nach klassischem US-Insolvenzrecht hätten aber zuerst die Gläubiger voll bezahlt werden müssen, deren Schulden mit dem Anlagevermögen des Unternehmens besichert sind - und dazu zählen die drei rebellischen Pensionsfonds. Die Kläger aus Indiana treiben den Dorn noch etwas weiter in die Wunde, indem sie auch noch das Finanzministerium frontal angreifen: die finanzielle Unterstützung von Chrysler aus dem staatlichen Rettungfonds TARP (Troubled Asset Relief Program) sei eine klare Überschreitung der Kompetenzen. Dieser Billionen-Topf ist eigentlich der Stabilisierung des Finanzsystems vorbehalten.

Gefährlicher Bumerang

Das Kunststück der Obama-Regierung, Chrysler durche eine "besondere" Insolvenz schnell zu retten, könnte nun zum höchst gefährlichen Bumerang werden - unabhängig davon, wie der Oberste Gerichtshof der USA entscheidet.

Bekommen die drei Pensionsfonds aus Indiana nämlich nicht recht, dann erteilt der Oberste Gerichtshof der USA der Regierung Obama einen Freibrief, das Insolvenzrecht so zu benutzen, wie es ihr gerade sinnvoll erscheint. Internationale Investoren müssten dann bei Engagements in großen US-Unternehmen ein zusätzliches Risiko einplanen, weil sie sich im Falle einer Insolvenz nicht mehr auf ihre rechtlichen Ansprüche verlassen können. Das gefährdet einen Grundpfeiler des US-amerikanischen Kapitalismus, weil die weltgrößte Volkswirtschaft wie kein anderes Land der Erde auf den stetigen Zufluss ausländischer Gelder angewiesen sind.

Gewinnen die Pensionfonds aber, dann hat die Regierung Obama einen nahezu irreparablen politischen Schaden angerichtet. Sollte Chrysler wirklich liqudiert werden müssen, ist auch die Rettung von General Motors (GM) akut gefährdet. Denn auch hier werden findige Rechtsanwälte sicher einen Grund zur Klage finden. Die kleinen Erdnüsse hätten dann durchaus die Sprengkraft, eine Industrie und eine Regierung in eine lebensgefährliche Krise zu stürzen.

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