Die Gründe für den neuerlichen Insolvenzantrag bei dem Augsburger Einzelhändler sind selbst verschuldet. So sieht es der Betriebsrat des Unternehmens – und macht dem Management schwere Vorwürfe. Das allerdings musste bereits die Geschäftsführung verlassen. Von der möglichen Insolvenz der deutschen Tochter der Augsburger Weltbild-Gruppe sind etwa 500 Mitarbeiter betroffen. Nach Angaben von Betriebsratschef Timm Boßmann arbeiten 420 Beschäftigte am Standort Augsburg, weitere 80 in den verbliebenen 14 Weltbild-Geschäften, viele in Teilzeit. Ein Unternehmenssprecher nennt 330 Vollzeitstellen. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagt Boßmann zur SZ. „Wir haben zehn Jahre lang viel gearbeitet, um Weltbild wieder erfolgreich zu machen – jetzt fangen wir wieder von vorn an.“
Die Muttergesellschaft WB D2C Group hatte am Montag für den Online- und Kataloghändler Weltbild GmbH & Co. KG einen Insolvenzantrag am Amtsgericht Augsburg gestellt. Die bisherigen Chefs der Gruppe, Christian Sailer und Bjoern Minnier, wurden abgelöst. Boßmann sieht das Kernproblem des Unternehmens in den „vielen Übernahmen maroder Firmen, damit hat sich Weltbild übernommen“. Der frühere Großbuchhändler hatte sein Filialgeschäft seit der ersten Insolvenz 2014 von zuvor mehreren Hundert Läden auf mittlerweile noch 14 Geschäfte in Deutschland geschrumpft. Außerdem hatte die Gruppe seitdem mehrere Versandunternehmen aufgekauft, die sich gerade im Insolvenzverfahren befanden. Dazu zählten beispielsweise Gärtner Pötschke, der Gesundheitsbedarf Orbisana, der Schmuckhändler Paul Valentine oder zuletzt die Firma Westfalia mit einem Sortiment für Heimwerker.
Der Betriebsrat habe die „aggressive Wachstumsstrategie kritisch gesehen, zumal wir in Augsburg oft für andere gearbeitet haben und nicht für Weltbild“, sagt Boßmann. Mit diesem Argument seien bereits im März geplante Kürzungen von 50 Vollzeitstellen abgewehrt worden. „Wir werden sehen, ob sich die zugekauften Unternehmen werden halten können“, so Boßmann, „Wir erwarten jetzt einen ausgereiften Plan.“ Zudem müssten die Gehälter der nächsten Monate gesichert werden.
Der Weltbild-Sprecher weist die Vorwürfe des Betriebsrats auf SZ-Anfrage zurück: „Wenn Mitarbeitende einer Marke zeitweise Leistungen für eine andere Marke erbringen, werden diese über interne Leistungsverrechnungen oder Umlagen vergütet“. So werde erreicht, dass dies nicht zulasten der jeweils anderen Marke geht. Die Gruppe sei andererseits seit Jahresbeginn dabei, „die Verflechtungen aufzulösen und die Marken grundsätzlich eigenständig aufzustellen“. Letztlich sei es das Weltbild-Geschäft, das nicht profitabel sei. Zu dem dem Betriebsrat zufolge geplanten Stellenabbau im Frühjahr sagte er nichts.
Den Katalog soll es nach jetzigem Stand weiter geben
Das Management wolle mit einem Insolvenzverfahren eine „grundlegende Sanierung des Unternehmens“ einleiten, hatte es am Montag in einer Pressemitteilung geheißen. Das „kundenzentrierte Online-Geschäft“ solle ein Eckpfeiler der künftigen Strategie werden, so die neue Geschäftsführerin der betroffenen Weltbild GmbH & Co. KG, Stefanie Penck. Betriebsrat Boßmann warnt jedoch davor, sich dabei wegen der Stammkunden aus früheren Zeiten von dem gedruckten Katalog zu verabschieden, auch wenn dieser als überholt gilt. „Einen seriösen Onlineanbieter aufzubauen, das muss man hinkriegen, da sind wir noch nicht“, sagt er. Zu einem Sanierungskonzept werde auch gehören, „einen für unsere Kunden attraktiven Weg zu finden, um Online, Katalog und Offline intelligent miteinander zu verzahnen“, versichert der Sprecher.
Am Montag hatte die Gruppe weltweite Konflikte, gestörte Lieferketten und neue Anbieter aus Asien für die Krise bei Weltbild verantwortlich gemacht. Die WB D2C Group selbst und damit auch die genannten Zukäufe sind nicht von einer Insolvenz betroffen. Die deutsche Tochter mache etwa 20 Prozent des Jahresumsatzes von 600 Millionen Euro aus. Christian Plail von der Kanzlei Schneider Geiwitz & Partner ist vorläufiger Insolvenzverwalter. Die Ulmer Kanzlei war schon 2010 mit der ersten Weltbild-Insolvenz beschäftigt. Damals übernahm schließlich der Düsseldorfer Investor Droege den ehemaligen Großbuchhändler. Von Plail gibt es noch keine Stellungnahme. Er ist nach Angaben seiner Kanzlei gerade dabei, eine Bestandsaufnahme der betroffenen Weltbildtochter zu machen.